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Berliner Schulen: Bildungssenator nimmt Schüler-Mobbing ernst

Schulexperten werfen dem Berliner Senat vor, bisher zu wenig gegen Mobbing von deutschen Schülern getan zu haben. CDU-Landeschef Henkel fordert mehr Sozialarbeiter in Brennpunkt-Kiezen.

Deutschstämmige Schüler, die von Mitschülern mit Migrationshintergrund gemobbt werden – für den Bildungssenator ist das kein Tabuthema. „Ich wehre mich gegen den Vorwurf, das Thema unter den Tisch kehren zu wollen“, sagte Jürgen Zöllner (SPD) am Donnerstag. „Deutschenfeindlichkeit ist wie die Diskriminierung von Migranten ein gesellschaftliches Problem, mit dem sich auch die Schule auseinandersetzen muss.“ Leider sei es gängig, dass Mehrheiten dazu neigen, Minderheiten in die Ecke zu stellen und auszugrenzen.

Bildungsexperten aller Parteien fordern dennoch, sich dem Phänomen offensiv zu stellen und werfen dem Senat vor, bisher zu wenig getan zu haben. Der grüne Schulexperte Özcan Mutlu etwa fordert, Lehrer müssten bei ihrer Ausbildung interkulturell besser geschult werden. CDU-Landeschef Frank Henkel will mehr Sozialarbeiter an Schulen, wie es Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky am Mittwoch in einem Tagesspiegel-Interview vorschlug. „Ein erfolgreiches Beispiel dafür ist die Entwicklung an der Rütli-Schule“, sagte Mutlu.

Auslöser der Debatte war ein Artikel in der Berliner Lehrerzeitung „blz“, der heftige Reaktion in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ausgelöst hatte. Ein Kreuzberger Lehrer und seine Kollegin bemängelten darin eine „Deutschenfeindlichkeit“ an Schulen in sozialen Brennpunkten.

Wie viele deutsche Schüler beispielsweise als „deutsche Kartoffel“ verunglimpft werden, ist der Senatsverwaltung nicht bekannt – die Dunkelziffer ist vermutlich hoch, nicht jeder traut sich, Beleidigungen zu melden. 78 Mobbing-Vorfälle wurden im vergangenen Jahr bekannt. In elf Fällen wurden Schüler nichtdeutscher Herkunft als Mobber genannt. „Nicht klar ist jedoch, ob die Vorfälle einen deutschenfeindlichen Hintergrund hatten“, sagte Jens Stiller, Sprecher der Senatsbildungsverwaltung. Ein Trend sei aus den Daten des Gewaltberichts 2009 nicht abzulesen. „Berlin ist auch nicht dafür bekannt, dass wir eine massive Auseinandersetzungen – von Gewalt einschließlich des Mobbings – haben, auch wenn es diese Vorfälle mit vermeintlich islamischen Motiven gibt.“

Özcan Mutlu ist dennoch der Meinung, dass die bisherigen Anstrengungen für mehr Toleranz seitens der Senatsverwaltung nicht ausreichen. So wenig, wie die Diskriminierung von Migrantenkindern akzeptiert werden könne, dürfe sie bei deutschen Kindern toleriert werden. „Wir brauchen eine unabhängige Ombudsstelle, die Eltern, Lehrer und Schüler einander näherbringt und wir müssen die Eltern mehr in die Pflicht nehmen“, sagte Mutlu. Seine Fraktion habe in den letzten Jahren zunächst eine Schieds- und dann eine Ombudsstelle gefordert. Der Senat habe das mit der Begründung abgelehnt, dass es genügend Maßnahmen gebe.

Eine Clearingstelle, die sowohl beraten als auch Konflikte klären sollte, hatte vor fünf Jahren auch der Dachverband türkischer Vereine, die Islamische Föderation in Berlin, anlässlich der AG „Islam und Schule“ gefordert – ohne Erfolg. Man habe sich dann darauf geeinigt, eine Handreichung „Islam und Schule“ herauszugeben, die Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) im vergangenen September vorstellte. Die Broschüre sei eine Hilfestellung für Interessierte, die über Hintergründe aufkläre, und wie man präventiv helfen könnte, sagte der Sprecher der Bildungsverwaltung Jens Stiller.

Der Grünen-Politiker Mutlu kritisiert aber, dass so etwas nicht ausreiche. Es brauche konkretere Hilfen, was bei solchen Mobbingfällen zu tun sei: „Wenn ich als Lehrer mit Inhalten aus dem Koran kontern kann, kann ich Heranwachsenden beeindrucken.“

FDP-Bildungspolitikerin Mieke Senftleben hingegen hält Clearingstellen oder ähnliche Konzepte für „zu bürokratisch“. Das Thema sei schon seit Jahren bekannt. „Wir reagieren nur viel zu spät.“ Gefragt seien jetzt aufmerksame Lehrer, die auch die Eltern mehr forderten. So könne ein sofortiges Gespräch viel bewirken. Im Extremfall sei zu prüfen, „ob man ein Kind, das besonders harte Deutschlandfeindlichkeit propagiert, aus der Schule nimmt – am besten aus dem Kiez heraus“.

CDU-Landes- und Fraktionschef Frank Henkel sagt, es müssten mehr Sozialarbeiter mit und ohne Migrationshintergrund in Brennpunkten eingesetzt werden. Die Forderung des Stadtsoziologen Hartmut Häußermann, eine ausgewogenere Schülermischung in Brennpunktkiezen zu erreichen, sehen Politiker als schwer realisierbar an. Schüler aus allen Stadtteilen müssten in die Brennpunkte und umgekehrt die Kinder von dort an Schulen in andere Stadtteile gebracht werden. „Das hätte man vor zehn Jahren machen können. Dieser Bus ist abgefahren“, sagt Senftleben.

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