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Hüben und drüben. Flüchtlinge laufen nahe der nordserbischen Stadt Horgos auf serbischer Seite an der mit Stacheldraht gesicherten Grenze entlang, an der auf ungarischer Seite Polizisten aufmarschiert sind.

© Elvis Barukcic/AFP

Grenze zu Serbien: Ungarn macht Flüchtlinge zu Kriminellen

Ungarn verhängt den Notstand über zwei Grenzregionen und droht Flüchtlingen mit Haftstrafen bei illegalem Grenzübertritt.

Warschau - Hunderte von Flüchtlingen haben am Dienstag im serbisch-ungarischen Grenzort Röszke einen Hungerstreik begonnen. „Öffnet die Grenze! Öffnet die Grenze!“, skandierten sie mit einer Mischung von Wut und Verzweiflung. Derweil irrten Hunderte teils panisch entlang des Grenzzauns und suchten nach undichten Stellen. Die Proteste betrachteten auf der anderen Seite des Zauns ungarische Grenzschützer, Polizeibeamte und Soldaten. Rund 4300 Truppen hatte die Regierung Anfang der Woche in die Grenzregion geschickt, obwohl ein entsprechender Parlamentsbeschluss noch fehlt. Sie sollen das Land vor einem Massendurchbruch des 175 Kilometer langen Grenzzauns durch friedliche Flüchtlinge vorwiegend aus Syrien und Afghanistan beschützen.

In der Nacht zum Dienstag hatte Ungarn zwei kleinere Grenzübergänge zu Serbien bei Röszke und Asotthalom vollständig gesperrt sowie vier Meter hohe Metallgitter über die Autobahn und die Zugstrecke Budapest–Belgrad anbringen lassen. Der normale Reiseverkehr solle damit möglichst nicht gestört werden, hieß es in Budapest.

Noch 200 000 Flüchtlinge sollen sich laut Schätzungen derzeit auf der sogenannten Balkanroute von der Türkei nach Deutschland befinden. Obwohl die serbische Regierung Budapest am Dienstag dazu aufgerufen hat, seine Grenzen wieder zu öffnen, rechnen Sicherheitsexperten eher damit, dass die Flüchtlinge eine Ausweichroute über Kroatien und Slowenien einschlagen werden. Das wegen seiner feindseligen Haltung unbeliebte Ungarn kann damit umgangen werden.

Die Regierung in Budapest macht weiter gegen die Flüchtlinge mobil. Das Kabinett des Rechtspopulisten Viktor Orban hat am Dienstag den Notstand über die beiden Grenzregionen Bacs-Kiskun und Csongrad verhängt. Damit bekommt die Polizei in etwa einem Fünftel des Staatsgebiets Sonderrechte.

Diese sollen laut Budapest indes nur für die Flüchtlingskrise eingesetzt werden. Laut dem seit Dienstag in Ungarn geltenden verschärften Asylrecht werden Ankommende neu in einer Transitzone entlang der Grenze zusammengeführt und deren Asylanträge innerhalb weniger Stunden bearbeitet. Wer keinen Asylantrag stellt, soll sofort nach Serbien ausgewiesen werden.

Mit einer Kriminalisierung der Flüchtlinge sollen diese abgeschreckt werden. So drohen neuerdings bis zu drei Jahre Haft demjenigen, der illegal die Grenze nach Ungarn übertritt. Dazu kommen zwei weitere Jahre Gefängnis, wenn dabei der Grenzzaun beschädigt wird. Statt die Strafe abzusitzen, können die „Delinquenten“ laut ungarischem Gesetz auch einfach abgeschoben werden. Bis Dienstagnachmittag hatte die ungarische Polizei bereits 60 Flüchtlinge wegen Grenzzaunbeschädigung festgenommen. In Budapest kündigte Außenminister Peter Szijjarto derweil an, Ungarn würde nun auch einen Zaun an der Grenze nach Rumänien planen. Vor zehn Tagen hatte Orban bereits einen Grenzzaun zu Kroatien in Aussicht gestellt. Paul Flückiger

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