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Bundespräsident Joachim Gauck beim Besuch einer Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Berlin-Wilmersdorf.

© Jesco Denzel/Bundesregierung

Joachim Gauck zur Flüchtlingskrise: "Unsere Aufnahmekapazität ist begrenzt"

Bundespräsident Joachim Gauck will eine breite Debatte über Flüchtlinge anstoßen. Er betont Deutschlands Hilfebereitschaft - aber auch die Grenzen der Aufnahmefähigkeit.

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Bundespräsident Joachim Gauck hat sich am Sonntag in die Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland eingeschaltet. Zum Auftakt der 40. Interkulturellen Woche sprach Gauck in Mainz von einem „epochalen Ereignis“, dessen Ausmaß und Tragweite „wir noch schwer erfassen können“. Er sagte, dass Deutschland nicht unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen könne. Zu möglichen Änderungen des deutschen Asylrechts äußerte er sich aber nicht.

Der Bundespräsident forderte eine weder von Ängsten noch Träumereien bestimmte breite gesellschaftliche Debatte darüber, wie eine humane Aufnahmepolitik und gesellschaftliche Aufnahmebereitschaft gesichert werden können. „Unsere Aufnahmekapazität ist begrenzt, auch wenn noch nicht ausgehandelt ist, wo diese Grenzen liegen“, sagte er. Gauck sieht Deutschland in einem „fundamentalen Dilemma“: „Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich.“

Improvisationstalente: Helfer am Münchener Hauptbahnhof in München versorgen eine Familie aus Syrien mit den nötigsten Lebensmitteln und Kleidungsstücken.
Improvisationstalente: Helfer am Münchener Hauptbahnhof in München versorgen eine Familie aus Syrien mit den nötigsten Lebensmitteln und Kleidungsstücken.

© Sven Hoppe/dpa

Das Staatsoberhaupt verspricht Flüchtlingen in Deutschland Sicherheit

Es sei „eine Kraftanstrengung, wie sie die Bundesrepublik selten meistern musste. Auch unpopuläre Entscheidungen und unbequeme Schritte werden notwendig sein“, mahnte Gauck. Noch vor einem Menschenleben sei Deutschland selbst ein Staat gewesen, aus dem Hunderttausende geflohen seien. Es habe auch wiederholt bewiesen, dass es Engpässe überwinden und materielle Herausforderungen meistern könne.

Flüchtlingen, die es in die Bundesrepublik geschafft haben und hier Asyl erhalten werden, versprach er, sie seien nun in Sicherheit.

CDU-Politiker plädieren für Obergrenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte erstmals vor einer Woche europäische Flüchtlingskontingente ins Gespräch gebracht und dabei von Obergrenzen gesprochen. Damit hatte er auch Spekulationen über eine Einschränkung des deutschen Asylrechts ausgelöst. Gleich mehrere Unionspolitiker interpretierten am Wochenende de Maizière so, dass die EU Menschen aus Krisen- und Bürgerkriegsgebieten nach Quoten Zuflucht gewähren könnte – solche Kontingente gab es auch während des Bosnien-Krieges. Flüchtlinge, die dagegen individuell in ihrer Heimat politisch verfolgt oder bedroht werden, sollten weiterhin Asyl beantragen können.

Bereits heute sind nur wenige Flüchtlinge Antragsteller nach Artikel 16a der Verfassung, also aufgrund politischer Verfolgung. Die allermeisten Flüchtlinge finden dagegen Aufnahme im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention, die von Krieg bedrohten Menschen Schutz bietet.

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber, sagte dem Tagesspiegel, er unterstütze die Forderung nach einer Kontingentierung der Flüchtlingszahlen für Europa. Die EU-Staaten sollten zum Beispiel dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR feste Kontingente für Krisenregionen und Bürgerkriegsflüchtlinge, wie etwa aus Syrien, anbieten. „Dies setzt aber eine feste Verteilquote innerhalb Europas und einen deutlich verbesserten Außengrenzenschutz voraus. Daran müssen wir in der EU arbeiten“, sagte Weber.

Auch er sprach sich für eine Obergrenze bei den Kontingenten aus. Ähnlich hatte sich zuvor auch Unionsfraktionschef Volker Kauder geäußert. Dieser forderte gleichzeitig ein stärker vereinheitlichtes europäisches Asylrecht „und damit auch ein möglichst gleiches europäisches Leistungsniveau für Asylbewerber“, wie er den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte. EU-Politiker Weber nannte dies „von der Stoßrichtung her richtig“. „Dies würde aber vor allem eine weitere Anpassung der Leistungen in Deutschland bedeuten, weil eine völlige Angleichung auf hohem Niveau in Europa aufgrund des sehr viel niedrigeren Niveaus in manchen EU-Staaten kaum denkbar ist“, ergänzte Weber.

Denn selbst den Ergebnissen des EU-Gipfels zur Verteilung von 120000 Flüchtlingen hatten nicht alle EU-Länder zugestimmt. Für Aufnahmekontingente müssten fest verabredete Quoten geschaffen werden – ein Ziel, von dem die Europäische Union weiter denn je entfernt zu sein scheint. Denkbar wäre aber, dass Deutschland mit Frankreich initiativ wird, um die Diskussion innerhalb der Gemeinschaft voranzutreiben, wie mittelfristig mit Flüchtlingen umgegangen wird.

Innenminister de Maizière sieht die europäischen Kontingente nur im Verbund mit anderen Maßnahmen und außenpolitischen Strategien zur Befriedung von Kriegs- und Krisengebieten als zielführend an. Dazu gehört auch die Rückführung von Asylbewerbern aus Kriegs- und Krisengebieten, die an den EU-Außengrenzen ankommen, in Regionen nahe ihrer Heimat.

Die EU müsste diese Vorhaben umfassend finanziell unterstützen. Auch dazu ist europäische Einigkeit aber keineswegs absehbar. Schon bisher fließen Hilfszahlungen von Geberländern auch aus Europa für den Unterhalt von Flüchtlingslagern und die Ernährung der Menschen nur zögerlich: Zuletzt hatte das Welternährungsprogramm sogar die Lebensmittelrationen für die Flüchtlinge einkürzen müssen, weil die Regierungen ihre eigentlich angekündigten Beiträge nicht oder nur zum Teil bezahlt hatten.

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