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Wenn Integration gelingen soll, müssen sich alle Seiten anstrengen und auch neue Antworten auf alte Fragen finden. Hier arbeitet ein Flüchtling in einer Werkstatt auf dem Gelände der Bayernkaserne in München unter professioneller Anleitung.

© dpa

Asylpolitik: Flüchtlinge nach Religion trennen!

Polygamie, Konversionen, Trennung der Flüchtlinge nach Religionen, Einsatz der Bundeswehr im Inneren? Die Neuankömmlinge stellen uns vor viele Fragen. Prinzipien reichen da nicht aus. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Malte Lehming

Das geht nicht. – Warum? – Aus Prinzip! In diesem Kurzdialog tarnt sich meist Unwille hinter Gesetzestreue. Wenn das jeder täte! Gemeint ist: Das soll nicht sein. Fruchtbar sind Debatten dieser Art nicht. Eher furchtbar. In Krisenzeiten, in denen Flexibilität und Pragmatismus vonnöten sind, häufen sie sich. So auch jetzt wieder.
Sollen Flüchtlinge in ihren Unterkünften nach Ethnie, Geschlecht oder Religion getrennt werden? Nach einigen Massenschlägereien ist daraus ein ideologischer Streit geworden. Das sei das falsche Signal, sagen die einen, die Zufluchtsuchenden sollen Respekt lernen und sich an die Gesetze halten, Asylbewerber, die Straftaten begehen, müssen sofort abgeschoben werden. Das sei realitätsfremd, erwidern die anderen, besonders Christen, Frauen und Kinder sind bedroht, Schiiten prallen auf Sunniten, fromme Muslime auf säkulare Muslime, hinzu kommen beengte Wohnverhältnisse und fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten. Eine solche Mischung sei explosiv, Trennung das Gebot der Stunde.

Es ist die Stunde des Pragmatismus

Dazu kann man nur sagen: genau hingucken! Wer Platz hat, sollte verfeindete Clans trennen. In Fußballstadien werden Fangruppen ja auch nicht gemischt. Ansonsten müssen die Verfahren verkürzt und die Sicherheitsdienste aufgestockt werden. Größere Angst als vor den Folgen von Schlägereien haben Flüchtlinge ohnehin vor brennenden Asylbewerberheimen. Da die Polizei überlastet ist, stellt sich daher eine unorthodoxe Frage neu: Wie weit darf die Bundeswehr eingesetzt werden? Es geht um den Schutz von Leben. Mit Antworten von gestern wird die Krise nicht bewältigt.
Bereits absehbar sind weitere Grundsatz-Kontroversen. Immer mehr Asylsuchende konvertieren zum Christentum. Die Entscheidung kann taktisch motiviert sein, weil nach strenger Auslegung des islamischen Rechts auf Apostasie die Todesstrafe steht. Wer Muslim war und heute Christ ist, kann in kaum ein islamisches Land abgeschoben werden. Bereits vor zwei Jahren hat die EKD eine Handreichung für Kirchengemeinden herausgegeben mit dem Titel „Zum Umgang mit Taufbegehren von Asylsuchenden“. Der Schlüsselsatz darin lautet: „Die Taufe von erwachsenen Asylsuchenden ist nichts anderes als die Taufe eines anderen Erwachsenen.“ Sollen Bundesamt oder Gerichte über die Ernsthaftigkeit einer Konversion befinden? Nein, die Definitionshoheit liegt bei den Kirchen.

Vielehen müssen geduldet werden

Dann das Reizthema Polygamie. Was passiert, wenn ein Muslim in seiner Heimat nach dort gültigem Recht mehrere Frauen geheiratet hat und nun in Deutschland Asyl beantragt? Zwangsscheidungen kennt das bürgerliche Recht nicht, sie wären inhuman. Folglich müssen Vielehen, die an sich verboten sind, zumindest geduldet werden, auch wenn der Mann das Ehegattensplitting nur bei einer Frau geltend machen kann. Juristische Praxis ist das bereits seit 2004.

All solche Fragen werden leidenschaftlich diskutiert, weil sie die offenbar leicht verwundbare Identität der Aufnahmegesellschaft berühren. Kulturelle und religiöse Besonderheiten zu akzeptieren, werten die einen als Schwäche, die anderen als Stärke. Das gerade vom Bundeskabinett gebilligte Asylpaket schafft administrative Voraussetzungen für das Gelingen des Kraftaktes. Das Gelingen der Integration hängt allerdings in erster Linie davon ab, ob lediglich Prinzipien befolgt oder aber Menschen erkannt werden.

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