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Brandenburg: 124 Stimmen entscheiden den Wahlkrimi

Der PDS-Kandidat Scharfenberg sah sich schon als Potsdamer OB, dann wendete sich das Blatt. Und die SPD siegte

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Potsdam. Die PDS feiert schon ihren vermeintlichen Sieger: Nur ein Briefwahlbezirk fehlt noch. 108 von 109 Wahlbezirken sind ausgezählt. Und Hans-Jürgen Scharfenberg führt mit hauchdünnem Vorsprung: 50,1 zu 49,9. Seine Frau fällt ihm um den Hals. Die Genossen in seinem Tross, allen voran der PDS-Stadtchef Rolf Kutzmutz und Strippenzieher Heinz Vietze, beglückwünschen ihn. Scharfenberg, der meist nur in Lederjacke herumläuft ist im piekfeinen schwarzen Anzug erschienen – wie sich das für einen Oberbürgermeister gehört. Von Jann Jakobs, dem SPD-Kandidaten und amtierenden Stadtoberhaupt, ist noch nichts zu sehen.

Es ist 19 Uhr 20, als das letzte Ergebnis auf der Videoleinwand im Rathaus erscheint – mit plötzlich vertauschten Zahlen. Jetzt, am Zielstrich, führt plötzlich Jakobs mit 50,1 Prozent. Scharfenberg macht ein ungläubiges Gesicht. Er ist nicht der einzige, der es nicht glauben will, lag er doch die letzten anderthalb Stunden klar vorn. So klar, dass selbst die SPD-Genossen im Raum nicht mehr an Jakobs Sieg glaubten und im Saal betretenes Schweigen herrschte. Und nun dies: 124 entscheidende Stimmen sind es am Ende, die Jakobs zum OB machen. Der betritt kurz darauf, begleitet vom früheren Oberbürgermeister und jetzigen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck, den Saal. Fotografen und Kameraleute, die sich bisher auf Scharfenberg konzentriert hatten, stürzen herbei. „Wer hat denn nun gewonnen?“, fragt Scharfenberg an Jakobs gewandt. Die Antwort: „Na icke!“ Beide klopfen sich auf die Schulter, sie verstehen sich. Man hat es im Wahlkampf gemerkt: Attacken blieben aus. Jakobs ist anzumerken, dass ihm eine Last genommen ist. Endlich ist die Zitterpartie vorbei. Gegen 18 Uhr 30 kommentierte Jakobs Büroleiter Wieland Eschenburg noch: „Es sieht beschissen aus.“ Und Saskia Hüneke, die grüne Fraktionschefin im Rathaus, wollte bei einem Wahlsiegs Scharfenbergs am liebsten gar nicht weitermachen: „Ob ich mir das weiter antue, weiß ich nicht.“

Matthias Platzeck zog sich, nachdem er das Rathaus betreten hatte, sofort mit Jakobs ins OB-Zimmer zurück. Er hatte seinen Stellvertreter im Rathaus selbst als Nachfolger ausgesucht. „Ich war lange nicht hier“, sagte Platzeck beim Betreten des Zimmers, in dem er knapp vier Jahre die Stadt regierte. Bei einem Glas Rotwein ließ er sich die deprimierenden Ergebnisse per Handy aus dem Saal durchgeben. „52 zu 48“, hieß es da noch und Jakobs fragte ungläubig: „Für Scharfenberg?“ Platzeck nickte. 80 von 109 Wahlbezirken waren da schon ausgezählt. Trotzdem versprühte Platzeck Hoffnung. „Noch gibt es eine Chance“, sagte er. Und: „Wenn wir verlieren, bin ich der Schuldige.“ Aber soweit kam es dann doch nicht. Jakobs schafft’s. Als das klar war, strahlte Platzeck, wie man ihn kennt, und witzelte in die Kameras: „Die beiden Herren haben mich Nerven gekostet.“

Fragen nach dem geringen Vorsprung und danach, dass die SPD nur knapp einem Fiasko entging, wehrte er ab: „Es lag an der geringen Wahlbeteiligung.“ Noch ist nicht die Zeit der Kritik, auch wenn Genossen den schwachen Wahlkampf beklagen und schon einen Schuldigen nennen: Den SPD-Unterbezirkschef Rainer Speer. Platzeck: „Jetzt wird erstmal eine Stunde gefeiert.“

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