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Schlangen prägen das Bild vor dem Lageso. Das sei nicht allein Schuld des Amtes, sagt dessen abgesetzter Chef Franz Allert.

© dpa

Flüchtlinge in Berlin: Ex-Lageso-Chef Franz Allert über seinen Rauswurf

Auf Druck des Regierenden Bürgermeisters ist Franz Allert diese Woche aus dem Amt befördert worden. Nun schildert der Ex-Lageso-Chef seine Sicht des Zuständigkeitswirrwarrs in der Flüchtlingskrise.

„Es war der Punkt gekommen, an dem ich sage: Ich übernehme jetzt Verantwortung.“ Am Ende der Arbeitswoche, in der der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso), Franz Allert, davon erfuhr, dass er an der Spitze nicht mehr erwünscht ist, zeigt sich der 60-Jährige gegenüber dem Tagesspiegel gefasst.

Sicher sei in und mit seiner Behörde nicht alles so gelaufen, wie er selbst sich das seit 13 Dienstjahren vorgestellt habe. Doch die Art und Weise, wie sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) jetzt von ihm verabschiedet hat, findet er „doch ein bisschen seltsam“. Zudem haben laut Allert die zur Behebung der Flüchtlingskrise neu geschaffenen Stäbe die Arbeit zugleich auch verkompliziert.

So erfuhr Allert, durch Zufall, wie er schildert, vom Entzug seines Amtes: Für Mittwochabend sei er eigentlich in die RBB-„Abendschau“ geladen gewesen. Über einen der RBB-Journalisten habe er dann in Vorbereitung der Interviewaufzeichnung erfahren, dass der Regierende ihn von der Verpflichtung entbinde – statt es ihm zuerst direkt mitzuteilen.

Seit August kein Gespräch mit Müller mehr

Allert bedauerte gegenüber dem Tagesspiegel, dass es nach dem letzten persönlichen Gespräch mit Michael Müller im August, als der Regierende sehr schnell und zupackend auf die von ihm geschilderten Probleme reagiert habe, kein einziges persönliches Zusammentreffen zum Thema Flüchtlinge gegeben habe.

Denn die Einrichtung zusätzlicher Stellen zur Versorgung der derzeit 40 000 Flüchtlinge in Berlin habe seine Arbeit und die seiner Mitarbeiter auch erschwert. „Ich war aus der fachlichen Zuständigkeit raus, und die neuen Verfahren haben das Vorgehen teils gelähmt“, kritisiert Allert. So sei der neue Landesweite Koordinierungsstab Flüchtlingmanagement (LKS) unter der Leitung von Dieter Glietsch, dem neuen Staatssekretär für Flüchtlingsfragen, nur zuständig für die Unterbringung der Flüchtlinge in – eigentlich kurzfristigen – Notunterkünften.

Die Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) unter der Leitung des Sozialstaatssekretärs Dirk Gerstle wiederum habe die Zuständigkeit für die Schaffung von langfristigen Gemeinschaftsunterkünften. Diese sei aus dem Lageso herausgelöst worden, so dass er selbst mit der Expertise seines Amtes habe gar nicht mehr mitwirken können.

Im Frühjahr hatte, wie berichtet, Sozialsenator Mario Czaja (CDU) Franz Allerts Behörde von einem Wirtschaftsprüfer checken lassen. Es waren Vorwürfe laut geworden, Allert habe seinen Patensohn beim Zuschlag für die Vergabe von Notunterkünften bevorzugt. Diese Vorwürfe hätten sich nicht bestätigt, hieß es am Freitag bei der Sozialverwaltung.

Kritik belastet Mitarbeiter

„Doch die Disziplinarverfahren laufen weiter“, sagte Allert. Nicht jeder verkrafte das so gut wie er, so habe er auf leitende Mitarbeiterinnen verzichten müssen, die die Anschuldigungen seelisch schwerer weggesteckt hätten. Infolge der neuen Zuständigkeiten und der viel aufwendigeren Prüfungen bei der Akquise neuer Unterkünfte seien in der ersten Jahreshälfte 2015 dann faktisch „keine neuen Unterkünfte geschaffen worden“. Dies habe die Lage verschärft. „Keiner hat sich mehr getraut, zu entscheiden, und ich konnte und durfte nicht mehr“, sagte Allert, „dass nicht mehr alles in einer Hand war, führte auch zu viel Unmut.“

Ein Beispiel: Er habe auf dem Lageso-Gelände in freien Räumen eine Notunterkunft für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge einrichten wollen. Wen nun fragen? Die für das Platzmanagement zuständige Caritas, die für eine Unterkunft auf Dauer zuständige BUL, den Notunterkunft-LKS – oder könnte das eigene, für die medizinische Versorgung zuständige Haus die Verträge machen?

Flüchtlingsamt "nicht in Hetze" aufbauen

Mit Czaja sei das Verhältnis nach der Wirtschaftsprüfung menschlich keinesfalls so zerrüttet gewesen, sodass man nicht hätte fachlich weiter miteinander arbeiten können. So sei das Geschäft eben, dass einer gehen müsse, sagt Allert.

Vor der Schaffung des neuen Flüchtlingsamts solle Berlin, so Allert, „nicht in Hetze alles durchziehen, sondern vernünftig diskutieren, welche Bereiche sinnvollerweise vereint werden“. Er selbst werde das Lageso vermissen, zu dem auch Heimaufsicht, Rehabehörde oder Ethik- und Tierrechtskommision gehören. Eines seiner Steckenpferde sei die Integration von Behinderten in den Arbeitsmarkt gewesen, „da wurden wir bundesweit als führend gelobt“.

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