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Spaß oder Nerverei? Privat gezündetes Feuerwerk ist umstritten.

© dpa

Silvester in Berlin: Soll privates Feuerwerk verboten werden?

In vielen Städten in den Niederlanden gibt es dieses Jahr nur noch ein großes, öffentliches Feuerwerk. Auch in Berlin befürworten etwa Flüchtlingshelfer ein Verbot. Die Politik setzt dagegen auf Kontrollen.

Keine „Black Arrow“-Raketen mehr, die aus der leeren Flasche am Bürgersteig in den Himmel zischen. Keine „Ghostrider“-Silvesterbatterien, die minutenlang ballern. Nein, noch nicht mal Knallfrösche oder irrlichternde Heuler. Unvorstellbar für die vielen Fans von Silvester-Feuerwerk in Berlin. Ein Verbot von privat gezündeter Pyrotechnik wurde an der Spree in den vergangenen Jahren zwar immer mal wieder erwogen. Nach geradezu kriegsähnlichen Zuständen in manchen Kiezen und vielen Verletzten und Bränden, zu denen die Feuerwehr im Ausnahmezustand unterwegs war. Doch alle Initiativen wurden bislang krachend abgeschmettert. Nun aber schreckt eine Nachricht aus den Niederlanden Feuerwerk-Freunde auf – und macht den Gegnern neue Hoffnung: In 56 Städten hat es sich dort ausgeböllert.

Weil die Knallerei offenbar immer mehr Niederländern auf den Geist geht, haben diese Kommunen jeden privaten pyrotechnischen Spaß in der Silvesternacht 2015/16 erstmals großflächig verboten. Es sollen „feuerwerksfreie Zonen“ entstehen, besonders in den Zentren. Der Schutz vor Lärm, Neujahrs-Müllbergen und über die Stränge schlagenden Kracher-Enthusiasten greift damit erheblich weiter als in Berlin. An der Spree dürfen laut Sprengstoffgesetz lediglich im Umkreis von Kirchen, Kliniken oder Kinder- und Altersheimen keine „pyrotechnischen Gegenstände“ abgebrannt werden.

Anti-Feuerwerksfront

Amsterdam, Rotterdam, Den Haag oder Groningen gehören beispielsweise zur holländischen Anti-Feuerwerksfront. Wer es dort dennoch knallen lässt, riskiert Bußgelder. Nun sollen die Niederländer aber keineswegs triste unterm dunklen Silvesterhimmel ins neue Jahr rutschen. Alternativ laden die Städte ihre Bürger zu großen, professionell organisierten, zentralen Feuerwerk-Shows ein.

Entzündet das „Aus“ im Land der Oranier nun erneut die Feuerwerks-Debatte in Berlin? Immerhin musste die hiesige Feuerwehr in der letzten Silvesternacht 2014/15 rund 1300 Mal ausrücken, zu etlichen Verletzten und 250 meist kleineren Bränden. Unterm Strich freuten sich die Sicherheitskräfte zwar über zurückgehende Einsatzzahlen im Vergleich zum Vorjahr, etwa um bis zu 40 Prozent bei Bränden – das kann aber auch allein am Nieselregen gelegen haben, der die Berliner zurück ins Wohnzimmer trieb.

Keine Überlegungen für ein Verbot

„Nein“, sagt der Innenpolitik-Experte der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Frank Zimmermann, „im politischen Raum gibt es bei uns keine Überlegungen für ein ähnliches Verbot“. Dafür müsste das zuständige Sprengstoffgesetz geändert werden. Und er sagt auch gleich seine persönliche Meinung: „Das geht mir dann doch zu weit.“ 98 Prozent der Bevölkerung würden ja vernünftig knallern. Zimmermann würde aber gerne „die Regeln fürs Böllern verschärfen“. Vor allem die „besonders explosiven, lauten Kracher“ möchte er aus den Läden verbannen. „Das wäre ja schon ein Fortschritt.“

Allen denjenigen, die eine gewisse Regulierung der Silvesterballerei als Spaßbremserei und Miesepetrigkeit verunglimpfen wollen, sei entgegnet: Ihr könnt gerne ballern, bis zum Hörsturz. Aber Euch soll nicht das gesamte Areal zur Verfügung stehen.

schreibt NutzerIn 2010ff

Bei Steve Feldmann von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und dem grünen Kreuzberger Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele rennt der Sozialdemokrat offene Türen ein. Auch die beiden wollen keine Spaßbremse sein, fordern aber auch intensivere Kontrollen beim Feuerwerks-Verkauf. Die Warnung vor ausländischen Böllern, deren Hersteller deutsche Sicherheitsauflagen missachten, hat sich zwar laut Polizei schon positiv ausgewirkt. Es werde aber weiter gefährliche Pyrotechnik heimlich eingeführt und sogar an Minderjährige verkauft. Obwohl für Jugendliche unter 18 Jahren selbst legales Feuerwerk tabu ist.

„Die Leute können einen Flashback erleben“

Die vielen Feuerwerksverkäufer in Berlin werden sich über die politische Zurückhaltung freuen. Und die Stadtreinigung nimmt es lakonisch hin, am Neujahrstag den ganz normalen Wahnsinn wegzufegen. Es gibt aber auch entschiedene Befürworter des niederländischen Vorstoßes, die es mit dem Kabarettisten Joachim Ringelnatz halten: „Die besinnlichen Tage um Neujahr haben schon manchen um die Besinnung gebracht.“ Dorothee Bruch von der psychosozialen Hilfe für politisch Verfolgte „Xenion“ denkt beispielsweise an Flüchtlinge. Wer vom Krieg traumatisiert sei, habe keine Chance, dem Silvester-Spektakel zu entfliehen. „Die Leute können einen Flashback erleben“.

In Australien ist dies alles kein Problem. Dort darf seit langem nicht privat geknallt werden. Wie bei der Silvesterparty am Brandenburger Tor gibt’s stattdessen öffentliche Mega-Feuerwerke. Der Grund ist aber ein ganz anderer. In Australien strahlt jetzt die Sommersonne. Das Verbot soll Waldbrände verhindern.

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