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Wo steht der nächste Bagger? Andreas Geisel, SPD, 49, ist seit 2014 Stadtentwicklungssenator.

© Paul Zinken/dpa

Berliner Senator Andreas Geisel im Interview: Eine Milliarde Euro - so viel kostet Berlins neue Autobahn

Senator Andreas Geisel über Flüchtlinge in Turnhallen, Wohnungsbau auf den Flughäfen Tegel und Tempelhof, Radwege unter Schienen und den Ringschluss bei der Stadtautobahn.

Herr Geisel, Sie sind Bausenator, Stadtentwicklungssenator, Umweltsenator und Verkehrssenator. Was macht Ihnen am meisten Spaß?

Meine Schwerpunkte sind die stadtpolitisch wichtigen Themen Bauen und Wohnen. Alle Teile meines Ressorts fügen sich sinnvoll ineinander. Wichtig ist, sich nicht gegenseitig zu blockieren. Und das erreichen wir durch diesen Zuschnitt.

In Tegel ist jetzt der Bau- und der Verkehrssenator gefordert. Was halten Sie vom Volksbegehren für das Offenhalten des Flughafens, wo Sie Wohnungen bauen lassen wollen?

Das ist keine Initiative für das Offenhalten von Tegel, sondern eine Initiative zur Rettung der FDP. Selbst wenn sie glaubt, die Initiative könne ihren Herzschlag wiederbeleben, ändert das nichts an der Rechtslage. Und wir können mit der Aufgabe des Flugverkehrs rund 300.000 Menschen vom Lärm entlasten.

Sollen in die rund 5000 auf dem Flughafengelände geplanten Wohnungen auch Flüchtlinge einziehen?

Flüchtlinge brauchen sofort Hilfe, für sie haben wir erst mal Notunterkünfte geschaffen, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Bis zu 25.000 Menschen wollen wir ab Ende 2016 in den modularen Bauten unterbringen, für die wir 60 Standorte prüfen. Und anerkannte Asylbewerber können dann natürlich auch in die Wohnungen in Tegel ziehen. Die Hälfte der dort geplanten Wohngebäude wollen wir von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften errichten lassen, mit Sozialwohnungen. Die andere Hälfte geht an Baugruppen, Genossenschaften oder auch private Bauherren.

Soll dort dann auch verdichtet und höher gebaut werden, wie Sie es für die gesamte Stadt vorgeschlagen haben?

Ja. Wir wollen aber keine Hochhäuser bauen, sondern sechs- bis siebengeschossige Gebäude.

Auf dem ehemaligen Flughafengelände in Tempelhof will der Senat aber weitere Unterkünfte für Flüchtlinge schaffen. Der Widerstand gegen eine Bebauung ist enorm.

Ich gehe davon aus, dass das Abgeordnetenhaus im nächsten Frühjahr die erforderliche Änderung des Tempelhof-Gesetzes beschließen wird, mit dem der erfolgreiche Volksentscheid nicht ausgehebelt wird. Ziel ist es, temporäre Unterkünfte für die Zeit bis 2019 zu schaffen, um die Notunterkünfte schnell aufgeben zu können. Eine Traglufthalle kann drei bis vier Turnhallen ersetzen.

Wann können diese dann wieder für den Sport genutzt werden?

Ich denke, dass die ersten Hallen im Sommer 2016 freigegeben werden können.

Und die letzte?

Wer kann schon die Zukunft voraussagen? Das hängt doch auch davon ab, wie viele Flüchtlinge noch zu uns kommen werden. Sporthallen als Notunterkunft zu nutzen, ist immer die letzte Option. Und die erste, die wir aufgeben, wenn wir eine Alternative haben.

Flüchtlinge leben jetzt auch im ehemaligen Rathaus Wilmersdorf, in das Ihre Verwaltung ziehen will, wenn deren  Hochhaus an der Württembergischen Straße saniert wird. Müssen Sie Ihre Pläne ändern?

Ja. Wir verschieben die umfänglichen Bauarbeiten um zwei Jahre, führen aber die notwendigsten Reparaturen schon jetzt aus.

Widerstand gegen Wohnungsbau gibt es auch bei der Elisabeth-Aue in Pankow. Ändern Sie dort Ihre Pläne?

Nein. Wir reden mit den Kritikern und wollen sie überzeugen, dass der Wohnungsbau nötig ist. Ich habe auch den Eindruck, dass das Verständnis für solche Projekte bei den Menschen wächst. Wenn wir die steigenden Mieten in den Griff bekommen wollen, ist Wohnungsneubau notwendig. Die Forderung, alles soll besser werden, aber nichts darf sich ändern, ist nicht erfüllbar.

Nun zum Verkehrssenator. Gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit vor einem Jahr haben Sie angekündigt, den Stadtautobahn-Ring schließen zu wollen. Und heute?

Das ist nach wie vor eine der Aufgaben, die in den nächsten Jahrzehnten vor uns steht. Heute stellt sich die Frage nicht.

Haben Sie schon konkrete Vorstellungen?

Nein; so weit sind wir noch nicht. Völlig klar ist, dass der Verkehr in der wachsenden Stadt nicht über den Straßenausbau erfolgen kann, sondern über den Öffentlichen Nah- und den Radverkehr sowie über bessere Bedingungen für Fußgänger. Aber wenn wir sinnvoll und wirkungsvoll die Mitte der Stadt vom Autoverkehr entlasten wollen, was unser Ziel ist, brauchen wir Umfahrungsmöglichkeiten. Und dazu gehört der Ringschluss, der aber nicht komplett als Autobahnring erfolgen muss, gut ausgebaute Stadtstraßen tun es auch. Aber wie gesagt: Aktuell steht das nicht auf der Tagesordnung.

Wie sieht es dann beim 17. Abschnitt aus, dem Weiterbau vom künftigen Endpunkt am Treptower Park bis zur Frankfurter Allee/Storkower Straße?

Wir haben den Bau für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Dazu gibt es hier im Haus aber nur die groben Pläne, die es schon seit Jahrzehnten dazu gibt. Erst wenn der Bund dem Projekt zustimmt, gehen wir in die Feinplanung.

Um in den Plan aufgenommen zu werden, muss man aber doch wissen, was das Bauen ungefähr kosten würde.

Grobe Schätzungen liegen ja vor. Wir gehen derzeit von Kosten zwischen 800 Millionen Euro und einer Milliarde Euro aus. Denn es gibt Überlegungen, bis zur Storkower Straße zu kommen, weil an der Frankfurter Allee kein vernünftiger Verkehrsabfluss gewährleistet wäre. Es gibt aber keine Zeitvorstellung zum 17. Abschnitt. Wir bauen jetzt den 16. und das dauert bis 2022.

Und wie steht’s um das zweite große Vorhaben: Die Tangentiale Verbindung Ost (TVG), die Marzahn mit Köpenick verbinden soll? Als damaliger Bürgermeister von Lichtenberg haben Sie sich für eine andere Trasse eingesetzt als die Senatsplaner, deren Chef Sie heute sind.

Wir befinden uns  im Moment in der Planfeststellung, bei der die Varianten überprüft werden. Kernproblem ist, dass die TVO zweispurig geplant war. Aufgrund neuer Verkehrsprognosen wollen wir jetzt vierspurig bauen. Um das rechtssicher planen zu können, brauchen wir Zeit. Mit Klagen muss man bei so einem Projekt auch immer rechnen. Das führt dazu, dass wir wahrscheinlich erst 2018 anfangen können zu bauen.

Geht’s beim Straßenbahn-Ausbau schneller, den sie ja forcieren wollen?

Leider hat sich das Verlegen der Linie 21 zum Bahnhof Ostkreuz wegen geänderter Pläne der BVG etwas verzögert. Das Planfeststellungsverfahren kommt nun wohl erst im nächsten Frühjahr. 2019 soll die Straßenbahn an das Ostkreuz angeschlossen sein. Ich will keine acht Jahre warten wie am Hauptbahnhof.

Auch die seit Jahren diskutierte Verlängerung vom Alexanderplatz zum Potsdamer Platz kommt nicht voran.

Wir hatten bisher im Haus nur eine Stelle für die Planung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Das war vollkommen unzureichend. Der neue Haushalt sieht nun insgesamt drei Stellen vor. Nun können wir wirklich Tempo machen.

Auch bei der umstrittenen Strecke über die Leipziger Straße?

Auch hier werden wir noch Trassenvarianten prüfen. Die Leipziger Straße ist durch den Autoverkehr stark belastet. Die Straßenbahn in den Stau fahren zu lassen, wäre nicht sinnvoll. Man kann dies durch eine intelligente Ampelschaltung wie auf der Invalidenstraße lösen. Oder die Straßenbahn durch die Französische Straße führen.

Mehr Personal und einen neuen Leiter gibt es auch bei der Verkehrslenkung, die Bauanträge im Straßenbereich genehmigen muss. Geht das inzwischen schneller?

Wir sind in einer schwierigen Situation, die sich nicht morgen schon beseitigen lässt. Die Leistungsfähigkeit der Verkehrslenkung hat aber bereits zugenommen, der Antragsstau nimmt ab, gleichwohl ist er aber immer noch da. Wir werden auch deshalb 2016 zehn weitere Stellen besetzen. Die Lage verbessert sich ständig.

Apropos Verbesserung: Denken Sie hier auch an die Fußgänger?

Selbstverständlich. Wir haben in der Maaßenstraße eine Begegnungszone eröffnet. Im nächsten Jahr folgt die Bergmannstraße. Das sind quasi zwei Versuchsprojekte. Wenn sie klappen, kommt das gleichberechtigte Verhalten im Verkehr künftig auch am Checkpoint Charlie. Das ist Teil unserer Fußverkehrsstrategie. Über allem steht die Forderung nach Rücksicht. Fußgänger leiden zum Beispiel auch unter Radfahrern, die rücksichtslos auf Gehwegen fahren.

Welche Chancen haben Schnellwege für Radfahrer, etwa auf der Trasse der Stammbahn zwischen Zehlendorf und dem Potsdamer Platz oder unter der Hochbahn der U 1 in Kreuzberg?

Das sind interessante Vorschläge, aber nicht immer bis zum Ende gedacht. Bei der Hochbahn stehen die Pfeiler zum Teil nur 2,5 Meter auseinander. Das ist viel zu eng, um dort einen Radschnellweg für beide Richtungen anzulegen. Aber wir prüfen diese Idee jetzt mit einer Machbarkeitsstudie.

Und bei der Stammbahn?

Wir dürfen uns die Chance nicht nehmen, dort wieder Züge fahren  zu lassen. Der Verkehr zwischen Berlin und Potsdam wird zunehmen. Und dann brauchen wir die Stammbahn. Aber eine Zwischennutzung als Radschnellweg ist denkbar – wenn die Kosten nicht zu hoch sind.

Und worüber freut sich der Umweltsenator?

Darüber, dass wir das Energie- und Klimaschutzprogramm auf den Weg gebracht haben. Und dass wir in unserem Mischwaldprogramm seit 2012 insgesamt eine Million Bäume neu gepflanzt haben. Das geht in der Diskussion über Straßenbäume leider meist unter.

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