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Eine abgelehnte Asylbewerberfamilie auf dem Weg zurück nach Kosovo.

© dpa

Abschiebung abgelehnter Asylbewerber: Peter Tauber zwischen Wunsch und Wirklichkeit

CDU-Generalsekretär Peter Tauber fordert von den Ländern täglich tausend Abschiebungen ausreisepflichtiger Ausländer. Das ist leicht gesagt - beißt sich aber mit der Realität.

Hat Peter Tauber sich verplappert? Oder meint er es ernst? Der CDU-Generalsekretär fordert von den Ländern, deutlich mehr abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. „Wenn nach den Erfahrungswerten im Schnitt jeder zweite Antrag negativ beschieden wird, dann stehen die Länder in der Pflicht, täglich tausend abgelehnte Asylbewerber abzuschieben“, sagte Tauber der „Rheinischen Post“ vom Mittwoch. Damit bewegt er die Debatte in ganz neue Gefilde – die der Unerfüllbarkeit. Nimmt man nur die Wochentage, zieht einige Feiertage ab, dann würde sich Taubers Forderung auf eine Zahl von gut und gerne 250 000 Abschiebungen im Jahr addieren. Selbst wenn Tauber in seiner Rechnung auch die freiwilligen Rückführungen eingeschlossen haben sollte, wäre das noch eine stolze Leistung. Denn im gesamten Jahr 2015 haben die Länder noch nicht einmal ein Zehntel dessen erfüllen können. Bis zum Jahresende waren es etwa 20 000 Abschiebungen. Dazu kamen geschätzt etwa 40 000 unterstützte freiwillige Ausreisen. Insofern herrschte in den Ländern am Mittwoch ein gewisses Staunen über Taubers Ansinnen.

Es ist ein Spiel, das Bund und Länder seit Monaten spielen. Während die Länder dem Bund vorwerfen, er schaffe es nicht, die Asylverfahren zu beschleunigen, halten Bundespolitiker wie Tauber den Ländern vor, sie seien zu lasch beim Abschieben und Rückführen. Konkret griff Tauber Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz an. Diese Länder müssten „deutlich nachlegen“. Verärgert reagierte daher die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Irene Alt (Grüne). „Rheinland-Pfalz belegt im Vergleich der Rückführungsquoten der Länder einen Spitzenplatz, so dass ich die Kritik von Herrn Tauber mit aller Deutlichkeit zurückweise“, sagte sie dem Tagesspiegel. Die Ausländerbehörden im Land hätten 2015 insgesamt 6577 Ausreisepflichtige zurückgeführt, davon seien 573 abgeschoben worden. Rheinland-Pfalz setze stärker auf Freiwilligkeit und setze damit EU-Recht um, das Abschiebung nur als letztes Mittel sehe. „Wir handeln damit humaner, effektiver und auch kostengünstiger“, sagt Alt.

Henkel: Mehr Abschiebungen richtig

Berlins Innensenator Frank Henkel fühlt sich immerhin angespornt: „Richtig ist, dass wir die Zahl der Abschiebungen weiter deutlich steigern wollen“, sagte er dem Tagesspiegel. Seit 2012 habe Berlin die Zahl der Abschiebungen jährlich um bis zu 35 Prozent erhöht. „Wer kein Bleiberecht hat, muss das Land auch wieder verlassen.“ In Berlin wurden im Vorjahr 806 Personen abgeschoben. Derzeit halten sich in der Hauptstadt 9465 Ausreisepflichtige auf. Nach einer Übersicht des Bundesinnenministeriums gibt es in ganz Deutschland (Stand Ende November) 201 402 ausreisepflichtige Personen. Von diesen sind jedoch drei Viertel Geduldete, sie können aus rechtlichen oder praktischen Gründen nicht abgeschoben werden. Dazu gehören Kranke, aber auch Personen ohne Papiere oder Ausländer, deren Staaten die Rückführung verweigern. Wer in seinem Heimatland mit Folter oder gar Tod rechnen muss, wird ohnehin nicht abgeschoben. Manche Ausreisepflichtige tauchen auch unter – oder gehen, ohne sich abzumelden.

Erst Westbalkan, jetzt Nordafrika

Die meisten Abschiebungen gingen bisher in Richtung Westbalkan. Wer von dort kommt, hat praktisch keine Chance auf den Asylstatus, und auch Duldungen werden immer seltener, weil die Balkanstaaten mittlerweile durchweg als sichere Herkunftsländer eingestuft sind. Aus Bayern etwa, das besonders hohe Rückführungszahlen meldet, flogen im vorigen Jahr jede Woche ein bis zwei Chartermaschinen Richtung Balkan. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) legt allen ausreisepflichtigen Flüchtlingen die freiwillige Rückkehr nahe. „Ansonsten wird er von der Ausländerbehörde abgeschoben, was mit einer Wiedereinreisesperre verbunden ist.“ Eine eventuell mögliche Einreise zum Zweck der Arbeitsaufnahme sei dann für mehrere Jahre ausgeschlossen. Allerdings ging die Zahl der Asylbewerber vom Balkan zuletzt deutlich zurück.

Dagegen kommen seit einigen Monaten immer mehr Nordafrikaner, aus Marokko, Algerien, Tunesien. Deren Chancen, anerkannt zu werden, sind ebenfalls äußerst gering. Gegenwärtig sind laut „Zeit“ rund 8000 Nordafrikaner ausreisepflichtig, darunter etwa 2300 Marokkaner und 1250 Tunesier. Im Gegensatz zu den Balkanländern gibt es mit den nordafrikanischen Staaten jedoch mehr Probleme bei der nötigen Ausstellung von Dokumenten zur Rückführung. Landespolitiker klagten schon länger über mangelnde Kooperation der Botschaften in Berlin und verlangten mehr Unterstützung des Bundes. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) haben nach Tagesspiegel-Informationen jetzt bei ihren marokkanischen und algerischen Amtskollegen brieflich auf „die Notwendigkeit der Verbesserung der Zusammenarbeit bei Rückführungen“ gedrungen und die Nutzung von Ersatzpapieren der EU eingefordert Zudem hat die Bundespolizei mittlerweile eine Stelle eingerichtet, welche die kommunalen Ausländerbehörden bei der Passersatzbeschaffung unterstützt.

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