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Asylbewerber beim Lageso in Berlin.

© Kay Nietfeld/dpa

Flüchtlingskompromiss: Asyl für die Vernunft

Das deutsche Asylpaket ist ein erster Schritt, um die unkontrollierte Zuwanderung zu stoppen. Doch das Problem kann nicht allein von Deutschland gelöst werden. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Heuchlerisch war der Streit um eine Obergrenze bei der Zahl der Asylbewerber. Denn was macht man mit dem Ersten, der oberhalb dieser Grenze anklopft? Aber ein Gutes hatte er: Deutlich zeigt sich, dass kein Land in der Lage ist, eine unbegrenzte Zahl von Zuwanderern aufzunehmen. Und vor diesem Hintergrund ist der Koalitionskompromiss zum Asylpaket II ehrlich. Auch wenn er nicht ohne Härten ist.

Das gilt beispielsweise für Flüchtlinge aus Ländern, in denen kein Krieg herrscht, aber sehr wohl Leid durch individuelle Verfolgung. Kann die nicht nachgewiesen werden, wird der Familiennachzug zwei Jahre ausgesetzt. Einerseits die Bereitschaft zur Integration fordern, andererseits eine wichtige Voraussetzung dafür, den familiären Zusammenhalt, zu verweigern – das verträgt sich schlecht miteinander. Positiv ist hingegen, dass der schon lange von der Wirtschaft vorgebrachte Wunsch erfüllt wird, Asylbewerber weder während der Berufsausbildung noch in den ersten beiden Jahren danach abzuschieben. Arbeit ist über kulturelle und ethnische Grenzen hinweg ein Bindeglied jeder Einwanderungsgesellschaft. Wie wir eine geworden sind.

Auch von der Türkei, Jordanien und dem Libanon hängt es ab

Alles weitere an denkbaren Fortschritten ist nur sehr bedingt deutschem Einfluss unterworfen. Ob künftig nur noch festgelegte Kontingente von Zufluchtsuchenden aus der Türkei, Jordanien oder dem Libanon kommen werden und damit die unkontrollierte Zuwanderung endet, hängt zuerst vom guten Willen der Regierungen dieser Länder ab. Noch mehr aber kommt es darauf an, dass die entsprechende Vereinbarung wirkt, die gerade die niederländische Regierung unter deutscher und schwedischer Beteiligung erarbeitet. Hier zeichnet sich ein Kerneuropa ab, dessen Staaten darauf hoffen, andere, wie Frankreich und Italien, mittelfristig als Partner gewinnen zu können.

Nicht direkt, aber bei der Gestaltung der politisch-klimatischen Bedingungen kommt es auf Deutschland an, wenn die Türkei und Griechenland beim Austausch von Flüchtlingen zusammenarbeiten sollen. Auch das sieht der niederländische Plan vor. Wie zwei von tiefer gegenseitiger Abneigung geprägte Nato-Staaten ihren Streit um territoriale Einflusssphären und Grenzen von Hoheitsgebieten wenn nicht beilegen, so doch zumindest zurückstellen können, weiß außer in Athen und Ankara niemand. Ohne das wird es allerdings nicht gehen.

Auch das zeigt, dass es keine deutsche Lösung des Flüchtlingsdramas gibt, aber sehr wohl massive deutsche Interessen daran. Ohne eine erfolgreiche Syrien- Konferenz und eine Waffenruhe wird die Massenflucht nicht aufhören. Mit welchen Zugeständnissen Saudi-Arabien und der Iran dazu gebracht werden können, den für sie teuren, nur nicht mit menschlichen Opfern verbundenen Stellvertreterkrieg in Syrien zu beenden, könnte sich am Rande einer solchen Konferenz abzeichnen – wenn sie denn zustande kommt. Schneller wirken könnte eine Beschäftigungs- und Investitionsoffensive in den Nachbarstaaten Syriens, für die der deutsche Entwicklungsminister gerade internationale Unterstützung und Geldgeber sucht.

Auch dazu sind bisher weder die islamischen Ölstaaten der Region noch die meisten EU-Länder bereit. Deutsche Alleingänge können die Krise nicht lösen. Hier finanziell in Vorleistung zu treten, dürfte aber humaner und auch billiger als jedes weitere deutsche Asylpaket sein.

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