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Jörg Homeyer, Feuerwehrmann und Wehrleiter der freiwilligen Feuerwehr Zehlendorf.

© Thilo Rückeis

Flüchtlinge in Berlin: Ihnen gilt der Dank: Die Geschichten der Berliner Helfer

Sie schenken Wissen, Kraft, Rat und viel Zeit. Hier sind Geschichten von Berlinern, die einfach anpackten.

JÖRG HOMEYER, Der Feuerwehrmann - In Charlottenburg war’s heftig. Eine dieser Aktionen, die Jörg Homeyer „Kamikaze-Einsätze“ nennt. Da schraubte er mit seinen Kollegen von der Freiwilligen Feuerwehr Zehlendorf in einer Turnhalle noch Betten zusammen, als draußen ein Bus mit Flüchtlingen anrollte. Andererseits macht so was ja auch Spaß. Und schwierige Aufgaben muss einer meistern, der bei der Freiwilligen Feuerwehr im Einsatz ist. Jörg Homeyer, 32 Jahre alt, ist seit 14 Jahren dabei, inzwischen aufgestiegen zum Wehrleiter, also Chef. Inzwischen hatte er an 40 Tagen einen Einsatz zugunsten der Flüchtlinge. „Wir sind in unserem Zug 50 Kameraden“, sagt er.

Und wenn es größere Einsätze gibt, dann werden mehrere Wehren zusammengezogen, dann arbeiten auch schon mal 100 Feuerwehrangehörige. Einsatzort sind meist Turnhallen, dort schrauben sie dann. Früher diese Doppelstockbetten, jetzt hauptsächlich Ikea-Betten. Drei Mann, sagt Homeyer, „brauchen dafür eine halbe Stunde“. Aber auch Transporte gehören zum Auftrag.

Sie liefern Bettgestelle, Matratzen oder Bettzeug aus dem Zentrallager der Feuerwehr in Selchow, einer früheren Messehalle, zu den Unterkünften. Homeyer arbeitet im Veranstaltungsbereich, er kann sich die Zeit für die Einsätze nehmen, in der Regel ist das kein Problem. Wenn er gerade mal nicht in Turnhallen unterwegs ist, unterstützt er die Arbeit der Task Force Flüchtlingshilfe, beim Stab der Feuerwehr.

Ina Krause, die Lehrerin.
Ina Krause, die Lehrerin.

© Thilo Rückeis

INA KRAUSE, Die Lehrerin - Zungenbrecher übt sie mit ihnen am liebsten: „Zwölf Zwiebel unter der Zunge.“ Natürlich geht erstmal alles schief, dann lachen sie alle, die Schüler und Ina Krause, ihre Lehrerin. Dieses Lachen, das ist für die 61-Jährige der Lohn, dann weiß sie, wie viel sie zurückbekommt für ihren Einsatz. Ina Krause, früher Gymnasiallehrerin für Deutsch und Geschichte, unterrichtet Flüchtlinge in Deutsch. Sie unterrichtete eine ganze Klasse in Friedrichshain, dann schulte sie eine junge Syrerin im Einzelunterricht, jetzt übt sie mit zwei jungen Syrern. Seit einem Jahr ist sie im Einsatz, getrieben vom Willen, zu helfen. Sie hatten diesen Wunsch, sie informierte sich, wo Bedarf besteht, dann traf sie auf einen Verein in Friedrichshain, der ihre eine Gruppe Syrer, Iraker und Afghanen anbot. Ina Krause sagte sofort zu. Sie unterrichtete mit großer Freude, allerdings störte es sie, dass ihren Schülern die Konstanz fehlte. Mal kamen sie, mal kamen sie nicht, es gab keine kontinuierliche Entwicklung. Dass sie 18 Monate lang in Istanbul in einem Gymnasium unterrichtete und türkisch spricht, hilft ihr enorm. Denn, das hat sie überraschend festgestellt, „irakisch und türkisch klingen ähnlich. Das hilft doch erheblich“.

MAX STADLER, Der Sportler - Die Musik ist wie ein Signal. Sobald Max Stadler im Kraftraum die Musik anmacht, wissen die Bewohner, dass es jetzt los geht. Sie schlafen neben dem Kraftraum in der Sporthalle der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Adlershof. Einmal in der Woche geht Stadler zu den Hanteln, dreht die Musik auf, weil das Krafttraining dann mehr Spaß macht und wartet. „Die wissen, dass ich dann da bin und komme rein“, sagt der 34-Jährige. Dann kommen sie zu einem durchtrainierten Mann, der eine Lizenz als Leichtathletik-Trainer besitzt und normalerweise Kinder der Neuköllner Sportfreunde trainiert. Aber in Adlershof kümmert sich Stadler um Erwachsene. Er zeigt ihnen, wie sie mit den Gewichten arbeiten müssen. Maximal 15 Personen sind im Kraftraum, nur Männer. Sie kommen in Jeans und in Hausschuhen, alles andere als optimale Kleidung, aber sie haben nichts anderes. Stadler sagt: „Es wäre toll, wenn man passende Sportschuhe und Sportkleidung spenden würde.“ Ein paar seiner Sportler haben schon Vorkenntnisse, sie haben in ihrer Heimat als Fitnesstrainer gearbeitet oder Sport getrieben. Einmal pro Woche geht Stadler mit Interessenten auch noch laufen. „Na ja, es ist eher joggen“, sagt er. Aber die Einheit kann bis zu 45 Minuten dauern, das hängt von der Kondition seiner Athleten ab. Und vom Schuhwerk. Auf jeden Fall aber, das freut ihn besonders, „sind alle sehr motiviert“.

Berlin sagt am Sonntag Danke.
Berlin sagt am Sonntag Danke.

© Tsp

KAJA GRABOWSKI, Die Vernetzte - Kaja Grabowski ist „traurig und erschrocken“. Denn mit Dirk V., der die Geschichte mit dem toten Flüchtling am Lageso erfunden hat, hat sie „sehr eng zusammengearbeitet“. Und sie schätzt diesen Dirk V. „seit Monaten sehr“. Offensichtlich sei er überfordert gewesen. Kaja Grabowski ist von diesem Punkt weit entfernt. „Ich habe mich eigentlich nie an der Grenze der Belastbarkeit gefühlt.“ Natürlich gebe es Momente, in denen „man sich fragt, wie lange es so weiter gehen kann, aber es hat sich immer eine Lösung gefunden.“ Dass diese Frage aufkommt, ist nur konsequent.

Seit 21. August 2015 ist Kaja Grabowski am Lageso im Einsatz. Sie engagiert sich, ist aber kein Mitglied von „Moabit hilft“. Auch Dirk V. gehört dieser Hilfsorganisation nicht an. Die 35-jährige Kaja Grabowski macht Nachtschichten, seit Monaten. Am Anfang versorgte sie jene Menschen, die am Lageso übernachteten. Sie verteilte Decken, sie besorgte Essen. Inzwischen hat sich die Schlafplatz-Situation erheblich gebessert, deshalb kümmert sich die Studentin der Ostheopathie um jede Art der Notfallversorgung. Mit anderen Helfern fährt sie Menschen in Notunterkünfte, sie berät Flüchtlinge oder verteilt Tee an die Menschen in der Warteschlange. „Wir sind jede Nacht da“, sagt sie. Sie hat enorme Glücksmomente erlebt, etwa als sie das Gedicht eines Flüchtlings las, der nachts übersetzen hilft. In dem Gedicht setzt er sich mit den Zuständen in den Bürgerkriegsgebieten auseinander und drückt zugleich doch Optimismus und Hoffnung aus. Sie hat aber auch traurige Momente erlebt, etwa als sie einen Afghanen traf, der in seine Heimat zurückkehrt, weil seine Mutter gestorben ist und dort jetzt sein zwölfjähriger Bruder allein lebt. Kaja bleibt am Lageso, „bis ich nicht mehr gebraucht werde“. Wann dieser Zeitpunkt ist, weiß niemand. Kaja Grabowski nimmt’s mit milder Ironie. „Scherzhaft verabreden wir uns immer 2018 im echten Leben.“

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es, Kaja Grabowski und Dirk V. seien Mitglieder von "Moabit hilft". Das stimmt nicht. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

Lesen Sie mehr im Tagesspiegel: Ein Rechtsanwalt hilft homosexuellen Flüchtlingen.

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