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Die Lehrerin Engela Witte unterrichtet in Vechta (Niedersachsen) an der Universität Deutsch für Flüchtlinge.

© dpa

Flüchtlinge: Integration lässt sich nicht per Gesetz verordnen

Thomas de Maizière erzeugt falsche Erwartungen. Integration ist ein schwieriger, langwieriger Prozess. Der Staat kann Anreize schaffen. Mehr aber auch nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia Keller

Innenminister Thomas de Maizière will den Druck auf Flüchtlinge erhöhen. Per Gesetz möchte er festlegen, dass es künftig einen Zusammenhang gibt „zwischen dem erfolgreichen Absolvieren von Integration und der Erlaubnis, wie lange man in Deutschland bleiben darf“. Doch lässt sich Integration absolvieren wie eine Schlosserlehre oder das Abitur? Woran bemisst sich erfolgreiche Integration? Am Einkommen? An einem Papier, auf dem der Einwanderer bekundet, dass er Frauenrechte achtet und Israels Existenzrecht?

Integration ist keine Unterrichtseinheit, in die man einen Afghanen hineinsteckt und nach einem Jahr kommt ein Deutscher heraus. Integration ist nichts Statisches, sondern ein schwieriger Prozess, der sich über viele Jahre und mehrere Generationen erstreckt. Währenddessen werden sich die Einwanderer verändern und die Gesellschaft, die sie aufnimmt. Wer etwas anderes suggeriert, wird auf beiden Seiten Enttäuschungen produzieren.

Der Staat kann die Gesinnung nicht vorschreiben

Der Staat kann Anreize zur Integration schaffen. Nicht mehr, nicht weniger. Es wäre wünschenswert, jeder Neuankömmling würde einen Deutschkurs und einen Integrationskurs besuchen, schon aus eigenem Interesse heraus. Denn ohne zu wissen, wie ein Land tickt, ist es schwer, Fuß zu fassen. Das gilt für Flüchtlinge, die nur zwei Jahre bleiben, wie für die, die sich auf 20 Jahre einstellen.

Die Integrationskurse sollten auch das Menschenbild und die Werte vermitteln, die unseren Gesetzen und unserer demokratischen Verfassung zugrunde liegen. Dazu gehört, dass jeder Mensch dieselbe Würde und die gleichen Rechte besitzt, egal ob er Mann oder Frau ist, schwul oder heterosexuell, Christ, Muslim oder Atheist.

Die deutsche Debatte ist überpädagogisiert

Wer die Kurse schwänzt, kann auch jetzt schon mit einem Bußgeld bestraft werden. Wer sich nicht an die Gesetze hält, landet schlimmstenfalls im Gefängnis. Welche Sanktionen der Innenminister darüber hinaus im Sinn hat, bleibt nebulös. Wer sich weigere, Deutsch zu lernen oder Arbeitsangebote ablehne, könne nach drei Jahren keine unbefristete Niederlassungserlaubnis erhalten, sagt de Maizière.

Will er Syrer in Assads Folterkeller zurückschicken, weil sie noch nicht im Deutschunterricht waren? Wer vor Krieg und Verfolgung hierher geflüchtet ist, dessen Leben müssen wir schützen, egal ob er sich auf Deutsch verständigen kann oder die Homo- Ehe für eine gute Sache hält. Echte Einwanderungsländer wissen, dass man Neubürgern die Gesinnung nicht vorschreiben kann. Sie pädagogisieren die Debatte nicht unnötig, wie es die Deutschen gerne tun.

Es gibt kein Patentrezept

Denn selbst die Kenntnis der Landessprache führt nicht automatisch zur Inkulturation. In London leben viele Pakistani in ihrer eigenen Welt, obwohl sie gut Englisch können. Die Salafisten breiten sich in Deutschland aus, seitdem sie den hier aufgewachsenen Jugendlichen auf Deutsch predigen.

Es gibt kein Patentrezept für Integration. Die wiederholte Androhung von Sanktionen und die Unterstellung, die Flüchtlinge seien faul und unwillig, untergräbt das gegenseitige Vertrauen von Einwanderern und Mehrheitsgesellschaft, ohne das der Integrationsprozess noch schwieriger wird.

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