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Der DRK-Adler auf dem Koffer eines Mannes, der am Sonntag in Colmnitz (Sachsen) bei einem historischen Festumzug zum "Schul- und Heimatfest" als Wehrmachtssoldat verkleidet mitläuft. Die Polizei ermittelt wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

© Marcus Fischer/dpa

Die "Wehrmacht" bei Dorffest in Colmnitz: Was ist da wieder in Sachsen los?

Während eines Dorffestes in Colmnitz, Sachsen, ist ein Hakenkreuz gesichtet worden. Die Verantwortlichen schieben sich selbst die Schuld zu und am Ende will es keiner gesehen haben. Nun ermittelt die Polizei.

Die Polizei in Sachsen sucht nach einem Mann, der in einer Wehrmachtsuniform an einem Dorffest in Colmnitz teilgenommen hat. "Er trug einen Koffer mit einem Hakenkreuz in der Hand", heißt es in einer Pressemitteilung. Es bestehe der Verdacht der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, sagte die Polizei dazu weiter. Da bei dem Festumzug keine Polizeibeamten vor Ort gewesen waren, sie der Vorfall erst später aufgrund verschiedener Medienberichte bekannt geworden. Die Polizei hat nun Ermittlungen gegen Unbekannt eingeleitet.

So titelte etwa bild.de: "Schon wieder Sachsen" - oder spiegel.de: "Mit Nazi-Symbolik zum Dorffest". Dort wird das Dorf Colmnitz mit dem ebenfalls sächsischen Clausnitz verglichen, wo im Februar mit einem Reisebus ankommende Asylbewerber angebrüllt wurden, um deren Einzug in eine Unterkunft zu verhindern. In Colmnitz pflege man "offenbar ähnliche Brauchtümer" schreibt der "Spiegel".

"Colmnitz ist kein braunes Dorf" sagt eine Verantwortliche des "Heimatverein Colmnitz e.V.", die namentlich nicht genannt werden will, dem Tagesspiegel am Montag. Der Verein war Veranstalter des Festzuges, über den nun von vielen Medien berichtet wird. "Wir sind stinksauer" sagt die Frau, dass Colmnitz jetzt so "braun" dargestellt werde. In Colmnitz gebe es ja immerhin auch ein Flüchtlingsheim mit mehr als 200 Flüchtlingen.

Ein Mann läuft am Sonntag in Colmnitz (Sachsen) bei einem historischen Festumzug als Wehrmachtssoldat verkleidet mit.
Ein Mann läuft am Sonntag in Colmnitz (Sachsen) bei einem historischen Festumzug als Wehrmachtssoldat verkleidet mit.

© Marcus Fischer/dpa

Der Heimatverein sei auch nicht verantwortlich für den Mann mit dem Hakenkreuz auf dem Koffer. Vielmehr habe sich der Verein "Militärfreunde-Sachsen" darum beworben, die Darstellung des "Zeitabschnitts Nationalsozialismus" zu übernehmen. Dann liest die Frau eine Erklärung dieses Vereins vor, demnach wurde dem Heimatverein versichert, keine verfassungswidrigen Symbole zu zeigen - und dass alle Darstellungen harmlos und problemlos seien.

Neben dem Hakenkreuz und der Wehrmachtsuniform hatten sich einige Teilnehmer in Fahrzeugen in Tarnfarben präsentiert, die mit Maschinengewehrattrappen ausstaffiert waren. Dass dabei ein Hakenkreuz gezeigt wurde, will der Heimatverein nicht gewusst haben.

Auch der Vereinsvorsitzende Eckhard Schmieder hatte dem "Spiegel" gegenüber gesagt, man habe sich auf einen Vertrag mit den "Militärfreunden Sachsen" verlassen. Sie hätten vor dem Umzug versichert, dass alles seine Richtigkeit habe. Er habe keine Hakenkreuze gesehen, betonte Schmieder, auch die Leute aus dem Dorf, mit denen er gesprochen habe, hätten nichts bemerkt. Zudem sei die Gruppe nur eine von vielen gewesen, eben nur ein kleiner Teil des langen Umzugs, der sich durch das ganze Dorf gezogen habe. Auch der Bürgermeister, Torsten Schreckenbach, ist bei dem Umzug mitgelaufen. Zu bild.de sagte er, die Hakenkreuze habe er nicht gesehen. "Beim nächsten Umzug gibt es definitiv keine Wehrmachtssoldaten.“

Der Fotograf Marcus Fischer hatte für die „Leipziger Internetzeitung“ von dem Umzug berichtet. "Irritierende Bilder: In Colmnitz ist die Wehrmacht zurück", heißt es in dem Bericht mit seinen Bildern. Umstehende Besucher des Festzugs seien kaum irritiert gewesen: „Manche der Schaulustigen haben die Militaria-Fans eher bejubelt und beklatscht“, sagte Fischer gegenüber spiegel.de. Ihn als Fotografen hätten einige halb spöttisch, halb verächtlich als Vertreter der „Lügenpresse“ beschimpft.

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„Weiterhin verfolgt unser Verein das Ziel Heimatpflege, Heimatkunde und Heimatgeschichte sowie das heimatliche Brauchtum zu fördern und zu pflegen." So steht es auf der Website des Heimatvereins. "Dabei wollen wir Überliefertes und Neues sinnvoll vereinen, pflegen und weiterentwickeln, damit die Kenntnis, die Verbundenheit und die Verantwortung für unsere Heimat in der Bevölkerung auf allen dafür in Betracht kommenden Gebieten geweckt, erhalten und gefördert werden.“

Die Verantwortliche des Heimatvereins sagte dem Tagesspiegel: "Es handelte sich um einen historischen Festumzug anlässlich der Ersterwähnung der Gemeinde im Jahre 1346." Es hätten über 600 Personen teilgenommen, darunter Schulklassen und Kindergärten. Der Zug sei fast vier Kilometer lang gewesen und beschwert habe sich zunächst niemand. Dargestellt wurde die Geschichte des Dorfes, von der Erstbesiedelung über die Pest und den 30jährigen Krieg bis zum heutigen Tage.

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Auf seiner Facebook-Seite zeigt der Heimatverein dazu passende Bilder - und kein Bild eines Mannes in Wehrmachtsuniforn. "Aber die Zeit des Nationalsozialismus ist halt ein Punkt in der Geschichte", sagt die Verantwortliche. Dargestellt wurden Sanitätssoldaten mit einem DRK-Koffer, auf dem ein DRK-Adler zu sehen war, dieser hat ein Hakenkreuz auf seiner Brust. Von diesen Details will die Verantwortliche des Vereins nichts gewusst haben. Man habe sich vollständig auf die Versprechen der "Militärfreunde Sachsen" verlassen, dass "nichts Schlimmes gezeigt" werde. Dann sagt sie noch: mit diesem Verein habe es ja schon einmal Ärger gegeben.

Mario Gebert von dem Verein "Militärtechnik-Freund Sachsen" sagte dem Tagesspiegel, es handele sich um "Trittbrettfahrer": "Jemand anderes hat sich für uns ausgegeben." Sein Verein, die "IG-Militärttechnik Sachsen" sei gar nicht bei dem Umzug in Colmnitz dabei gewesen. "Aber wir werden die Verantwortlichen schon bekommen." Diese hätten auch dilettantisch gearbeitet, meint Gebert: Das Hakenkreuz auf dem DRK-Adler hätte man selbstverständlich zukleben müssen. Vielleicht sei ein Überkleber von dem Holzkoffer abgefallen oder entfernt worden. Andererseits, so Gebert, sei ja nichts passiert: Niemand habe geschossen und niemand sei verletzt worden. - Welches Interesse die Personen verfolgen könnten, die seinen Verein unterwandert haben, kann er sich nicht erklären.

Es ist nicht das erste Mal, dass bei Festumzügen in Sachsen Symbole aus dem Dritten Reich auftauchen. Auch beim Tag der Sachsen in Freiberg 2012 sorgten Wehrmacht-Fans für einen Eklat. Die "Militärfreunde Sachsen" präsentierten sich in originalen Uniformen, Autos und Motorrädern der Wehrmacht und stellten unter anderem einen Wegweiser mit der Aufschrift "Moskau" auf.

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