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Brandenburg: 14jährigen aus Langeweile gefoltert? Junge Frau sagt aus

EBERSWALDE .Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) wird voraussichtlich noch in dieser Woche die Klageschrift gegen die beiden Jugendlichen an das Amtsgericht Eberswalde übersenden, die am 30.

EBERSWALDE .Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) wird voraussichtlich noch in dieser Woche die Klageschrift gegen die beiden Jugendlichen an das Amtsgericht Eberswalde übersenden, die am 30.Juli dieses Jahres in Eberswalde einen ihnen unbekannten Jungen zwei Stunden lang äußerst schwer mißhandelt hatten.Die Anklage wird voraussichtlich auf schweren Raub und schwere Körperverletzung lauten.Wie berichtet, waren an der Tat auch zwei nicht strafmündige Kinder im Alter von zehn und dreizehn Jahren beteiligt.Als Grund für die Folterungen hatte die 18jährige "Langeweile" angegeben.Darüber hinaus läßt sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch nichts zu den Motiven sagen.

Gemeinsam hatten die Täter ihr Opfer an einen Baum gefesselt, es geschlagen und brennende Zigaretten auf seiner Haut ausgedrückt.Anhand des Fahrrades, das sie dem Kind entwendeten, konnten sie schon am Abend identifiziert und festgenommen werden.Die 18 Jahre alte Heidi W.und der 19 Jahre alte Sven W.befinden sich seitdem in Untersuchungshaft.Die Ermittlungen seien mit der Zeugenaussage des Opfers Ende der vergangenen Woche abgeschlossen, sagte der ermittelnde Staatsanwalt Michael Neff.Über die Motive ließe sich jedoch noch nichts sagen.Das Mädchen habe Langeweile als Grund für die Folterungen angegeben, die Neff im einzelnen nicht beschreiben wollte; in seiner Laufbahn sei ihm jedoch noch kein derartiger Fall von Brutalität vorgenommen."Ich kann mich nicht in deren Kopf hineinversetzten - und ich will es auch nicht".Als "unbegreiflich" bezeichnet auch Manfred Füger, Sprecher des Inneministeriums in Potsdam, den Vorfall."Da sinken Hemmschwellen, warum auch immer." Zwar sei das Eberswalder Vorkommnis ein besonderer Einzelfall, in der Brandenburger Kriminalstatistik sei jedoch der Anteil der bis 21jährigen an der Gesamtzahl aller Straftaten von 32,4 Prozent im Jahr 1996 auf 34,4 Prozent in 1997 gestiegen, ihr Anteil an den Gewalttaten erhöhte sich im gleichen Zeitraum sogar von 53,4 auf 55,8 Prozent.

Eine wachsende Gewaltakzeptanz unter brandenburgischen Jugendlichen stellte auch das Institut für Angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung der Universität Potsdam in einer Studie fest.Danach gaben 1993 28 Prozent der Befragten an, Gewalt zur Durchsetzung eigener Interessen zu akzeptieren, 1996 waren es schon 37 Prozent; im gleichen Zeitraum stieg die Bejahung für die Aussage "der Stärkere muß sich durchsetzen, sonst gibt es keinen Fortschritt" von 28 auf 49 Prozent.Auf diesem Nährboden könne es auch zu extremen Gewalttaten kommen, sagt Winfried Langner, Psychologe am Institut.

Als oberflächliche Motive für diese Fälle könne man Frust und Agressionsstau annehmen, psychologisch gesehen liege jedoch die Erfahrung der Wirksamkeit des eigenen Handelns zugrunde.Jemand anders zu quälen könne eine starke Erfahrung vermitteln.Daß in Eberswalde auch zwei Kinder unter den Tätern waren, deckt sich mit den Erkenntnissen des Instituts: Zunehmend beobachten die Forscher eine Vernachlässigung durch das Elternhaus und eine Abkoppelung der Jugendlichen hin zu einer eigenen Gruppe, der Clique.

Bernd Wagner, Kriminologe und Leiter das Zentrums Demokratische Kultur in Berlin, ist sogar der Ansicht, daß diese Fälle von exzessiven Gewalt nur aus einer Gruppe heraus passieren können.Die Täter hätten vielleicht eine gewisse psychische Prädisposition, die aus eigener Gewalterfahrung stammen könne, seien aber keine Psychopathen, ihre Taten kein reiner Ausdruck von Sadismus.Das Opfer trage immer ein Stigma, das spontan und ohne Anlaß konstruiert werde, und dieses Stigma sei dann ein Motiv für gewalttätigen Haß.Der Auslöser für die Tat könne Langeweile sein.

Die Fachleute warnen übereinstimend davor, aus Vorkommnisses wie in Eberswalde einen Trend zu extremen Gewalttaten abzulesen, oder sie gar als ostdeutsche Besonderheit zu verstehen."Wir reden über total seltene Fälle", sagt Werner Greve, Psychologe am Kriminologische Forschungsinstitut in Hannover.Dennoch zeichne sich ab, daß Gewalt unter Jugendlichen zunimmt.

ALEXANDER PAJEVIC

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