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Wolken über der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main (Hessen).

© Arne Dedert/dpa

Update

Europäische Zentralbank (EZB): Ist die Kritik an der EZB berechtigt? Ein Faktencheck

Die Finanzkrise hat Europas Währungshüter kreativ werden lassen. Die EZB bleibt vorerst bei ihrer Nullzinspolitik. Kritik kommt aus unterschiedlichen Richtungen. Ein Faktencheck.

Vor der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahl bleibt die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrer Nullzinspolitik. Sie beließ den Leitzins der Eurozone unverändert bei null Prozent, wie ein Sprecher der EZB am Donnerstag in Frankfurt am Main mitteilte. Die EZB hatte den zentralen Zinssatz vor einem Jahr auf den historisch niedrigen Wert von 0,0 Prozent gesenkt, um mit günstigem Kapital Konjunktur und Inflation anzukurbeln.

Nachdem die Inflation in der Eurozone im Februar den höchsten Stand seit vier Jahren erreicht hatte, war die EZB unter Druck geraten, von ihrer Politik abzurücken. Im März ließen günstige Verbraucherpreise die Teuerungsrate wieder sinken. In Frankreich wird am 7. Mai ein neuer Präsident gewählt. In der Stichwahl können sich die Franzosen zwischen dem pro-europäischen Emmanuel Macron und der EU-Gegnerin Marine Le Pen entscheiden.

Die EZB im Faktencheck

Nullzins, Strafzins, Anleihekäufe - mit ihrem expansiven geldpolitischen Kurs hat sich die Europäische Zentralbank (EZB) in den vergangenen Jahren nicht nur Freunde gemacht. Kritik an den Währungshütern kommt aus den unterschiedlichsten Richtungen.

Aussage: Die EZB-hält den Euro-Kurs künstlich niedrig, davon profitiert vor allem der deutsche Export (Quelle: US-Regierung).

Bewertung: Falsch.

Fakten: Der Wechselkurs ist ausdrücklich kein Ziel der EZB-Politik. „Wir sind keine Währungsmanipulatoren“, betont EZB-Präsident Mario Draghi. Getrieben wird die Entwicklung an den Devisenmärkten unter anderem von der unterschiedlichen Zinsentwicklung in den USA und im Euroraum. Angesichts steigender Zinsen in den Vereinigten Staaten ist es für Investoren lukrativer, Geld in Dollar anzulegen als in Euro. Das stärkt den Greenback und schwächt die europäische Gemeinschaftswährung. Zudem hoffen viele Anleger, dass US-Präsident Donald Trump wie angekündigt Steuern senken und Milliarden in die Infrastruktur stecken wird. Die Aussicht auf neuen Schwung für die US-Wirtschaft stärkte seit Trumps Wahl den Dollar. Trump räumte zuletzt ein, er sei teilweise selbst Schuld an der Dollar-Stärke, die Leute hätten Vertrauen in ihn. Direkt am Devisenmarkt hatte die EZB zuletzt gemeinsam mit anderen großen Notenbanken im März 2011 interveniert, um den Höhenflug des japanischen Yen zu bremsen.

Aussage: Mit dem Zinstief enteignet die EZB die Sparer (Quelle: u.a. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU)).

Bewertung: Teilweise richtig.

Fakten: Sparbuch und Co. werfen wegen der Niedrigzinsen kaum noch etwas ab. Solange die Teuerungsrate nahe der Nulllinie dümpelte, glich sich das in etwa aus. Doch zuletzt zog die Inflation wieder an, sodass Sparer sogar Geld verlieren können. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann macht sich dennoch für eine ausgewogene Sicht stark: „Wir alle sind nicht nur Sparer, sondern auch Arbeitnehmer, Häuslebauer, Steuerzahler und Unternehmer - und aus dieser Perspektive erscheinen die niedrigen Zinsen nicht nur negativ.“

Aussage: Die EZB wird von den südeuropäischen Staaten dominiert (Quelle: AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel).

Bewertung: Falsch.

Fakten: Im obersten Entscheidungsgremium der Notenbank, dem EZB-Rat, haben alle 19 Euroländer eine gleichwertige Stimme - unabhängig vom Gewicht der jeweiligen Volkswirtschaften. Insgesamt hat das Gremium 25 Mitglieder: Die 19 Chefs der nationalen Notenbanken plus die 6 Mitglieder des Direktoriums um EZB-Präsident Draghi. 8 der 25 Mitglieder im EZB-Rat kommen aus Südeuropa. Entscheidungen trifft das Gremium in der Regel mit einfacher Mehrheit. Die EZB ist nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank politisch unabhängig. Ihr vorrangiges Ziel ist es, Preisstabilität im gemeinsamen Währungsraum zu gewährleisten - das bedeutet nach ihrem eigenen Verständnis eine jährliche Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent.

Aussage: Mit ihren milliardenschweren Anleihekäufen finanziert die EZB verbotenerweise klamme Staaten (Quelle: deutsche Volkswirte).

Bewertung: Unklar.

Fakten: Die EZB darf nach ihren Statuten bereits im Umlauf befindliche Staatsanleihen erwerben - also etwa von Banken oder anderen Investoren wie Versicherungen oder Hedgefonds. Seit März 2015 kauft die Notenbank im Kampf gegen Konjunkturschwäche und geringe Inflation jeden Monat für Milliarden solche Wertpapiere. Um nicht in den Verdacht der Staatsfinanzierung zu geraten, hat sich die EZB auferlegt, höchstens 33 Prozent der Staatsanleihen eines Eurolandes bzw. eines einzelnen Wertpapiers zu kaufen. Das besänftigt die Kritiker jedoch nicht. Die Notenbanken der Eurostaaten, über die die EZB-Käufe abgewickelt werden, seien durch die laufenden Anleihekäufe zum größten Gläubiger der Staaten des Eurosystems geworden, warnte Bundesbank-Präsident Weidmann schon Anfang 2016. Das mindere den Reformdruck in den Regierungszentralen. „Notenbankhandeln wird als Lösung für alle möglichen Probleme gesehen, die weit über die Geldpolitik hinausgehen“, sagte Weidmann in einem Interview.

Aussage: Mit ihre ultralockeren Geldpolitik gräbt die EZB den Banken das Wasser ab (Quelle: diverse Banken).

Bewertung: Teilweise richtig.

Fakten: Lange verdienten Banken gut daran, dass sie mehr Zinsen für Kredite kassierten, als sie Sparkunden zahlten. Doch die Differenz aus beidem, der Zinsüberschuss, schrumpft wegen der Zinsflaute. Die Folge: Banken und Sparkassen brechen die Erträge weg. Zudem müssen sie Strafzinsen von 0,4 Prozent zahlen, wenn sie Geld über Nacht bei der EZB parken. Zugleich unterstützt die EZB allerdings Banken mit Langfristkrediten zu Mini-Zinsen. Von Juni 2016 bis März 2017 legte die Notenbank ein neues Programm mit vierjährigen Krediten auf. „Niedrige oder negative Zinssätze können nicht per se für niedrige Profitabilität verantwortlich gemacht werden“, argumentiert EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio. Europas Banken müssten ihre Geschäftsmodelle anpassen, um ihre Geschäftsaussichten zu verbessern. (dpa)

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