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Brandenburg: 287 Arztkittel für die Ministerin

Rund 600 Praxen machten am Mittwoch aus Protest gegen die Gesundheitspolitik des Bundes dicht

Potsdam. Überall im Land standen Patienten gestern vor verschlossenen Türen: Rund 600 der 3200 Brandenburger Praxen waren zu. Ärzte und Schwestern waren bei einer Versammlung, um gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung im Potsdamer Dorint-Hotel. Das betraf alle Branchen – vor allem Fachärzte, Hausärzte und Zahnärzte – und alle Rechtsformen vom niedergelassenen Arzt bis zum Klinikangestellten.

Schwerpunkt des Streiks bildete Potsdam. Aber auch Mediziner und Schwestern aus Neuruppin, Frankfurt (Oder), Brandenburg/Havel und Königs Wusterhausen folgten dem Aufruf von Ärztekammern und Hartmannbund. Am Ende zählte die Veranstaltung rund 550 Teilnehmer, so dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) von einem „großen Erfolg“ sprach. Über ernsthafte Folgen der Aktion für Patienten war gestern nichts bekannt. Die KV hatte vorsorglich ein Service-Telefon für verunsicherte und akut erkrankte Patienten eingerichtet. Es gab aber kaum Nachfragen.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wird heute mehrere prall gefüllte Postsäcke aus Potsdam erhalten. Darin stecken 287 weiße Arztkittel, die die Mediziner demonstrativ am Ende der zweistündigen Veranstaltung auszogen. Vorher beschrifteten sie ihre Arbeitskleidung noch mit deutlichen Sprüchen. „Gesundheitsversorgung wird kaputtgespart“, „Gegen einen massiven Qualitätsabbau“, „Für eine Stärkung der Kassenärztlichen Vereinigung“, hieß es da. Neben der allgemeinen Kritik an der Sparpolitik der Bundesregierung machten mehrere Redner auf ein speziell Brandenburger Problem aufmerksam: Der Ärztemangel in den Randregionen. „Uns fehlen 190 Ärzte“, sagte Ralf Herre, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg. „130 Hausärzte und 60 Fachärzte“. Die Zahlen würden sich sich aus der jeweiligen Bevölkerung im Umkreis einer Praxis ergeben.

Vor allem in Regionen im Süden, im Osten und Norden des Landes reicht die ärztliche Versorgung schon lange nicht mehr aus. Die wenigen Hausärzte, deren Arbeitstag nicht selten zehn bis zwölf Stunden zählt, können beispielsweise im Spree-Neiße-Kreis und im Elbe-Elster-Kreis nur noch in Ausnahmefällen neue Patienten aufnehmen. Den Betroffenen bleibt nur der Notarzt oder das Krankenhaus. Dann ist es manchmal schon zu spät.

Altersbedingt geschlossene Landarztpraxen finden wegen des hohen Arbeitspensums und der offenbar nicht ausreichenden Bezahlung kaum Nachfolger. Junge Mediziner zieht es vor allem in die größeren Städte, an die Universitäten oder in artfremde Berufe. Von den Versprechungen der Politiker, mit einer Art „Buschzulage“ das Problem zu entschärfen, ist bislang nichts eingetreten. Vertreter der Politik hielten sich bei der gestrigen Protestkundgebung zurück: Allein der Landtagsabgeordnete Peter Wagner war da. Der CDU-Politiker ist gesundheitspolitischer Sprecher – und selbst Kinderarzt.

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