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Weniger attraktiv? Die Zahl der privat Krankenversicherten sinkt.

© picture alliance / Sven Simon

Private Krankenversicherung: Wege aus der Beitragsfalle

Viele Privatpatienten können ihre Versicherungsbeiträge nicht mehr zahlen. Profis helfen beim Sparen.

Neulich hatte Harald Leissl wieder einen dieser Fälle. Monika Schmidt (Name geändert) aus Leipzig, 61 Jahre alt, bis 1990 Bauingenieurin in einem DDR-Betrieb, nach der Wende arbeitslos. Bis heute schlägt sie sich als Kleinselbstständige durch. Was sie verdient, reicht gerade so zum Leben. Ihr Rentenanspruch: 300 Euro. Von zusätzlichem Altersvermögen keine Spur. Dafür ist Frau Schmidt privat krankenversichert. Das kostet sie im Monat 575,10 Euro. Plus 1250 Euro Selbstbeteiligung im Jahr. Das ist schon jetzt fast doppelt so viel wie ihre zu erwartende Rente. Eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung ist nicht möglich. Und von der rührigen Versicherungsvertreterin, die sie vor 20 Jahren zur Signal Iduna geholt hat, gab es auch keine Hilfe. Von der bekam Frau Schmidt nur zu hören, dass da leider nichts zu machen sei.

Harald Leissl hört ständig von solchen Schicksalen. Sie sind sein Geschäft: Krankenversicherte, die einst dachten, mit ihrem Wechsel zu den Privaten besser dazustehen – und nun nicht mehr wissen, wie sie die ständig steigenden Beiträge bezahlen sollen. Gegen Gebühr hilft ihnen der langjährige Honorar- und Versicherungsberater, in günstigere Tarife mit vergleichbarem Leistungsangebot zu wechseln. Dass es solche Alternativen fast immer gibt, wird den Kunden nämlich gern verschwiegen. Und dann hilft ihnen auch Paragraf 204 des Versicherungsvertragsgesetzes wenig, der jedem das Recht zum Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Schutz garantiert. Unter Mitnahme aller bisher erworbenen Rechte.

Was Wechselwillige im Regelfall zu hören bekommen, klingt anders: Dass es günstigere Tarife nur mit geringerem Leistungsspektrum gibt. Dass Gesundheitsprüfung und Risikoaufschläge fällig würden. Oder dass das alles sowieso nur für Neukunden oder bestimmte Jahrgänge zu haben sei. So kommen am Ende oft nur höherpreisige Angebote. Was aus Leissl Sicht wenig verwunderlich ist. Schließlich handle jeder Vermittler, der seinem Kunden Günstigeres empfiehlt, gegen seine eigenen Interessen. Niedrigere Beiträge bedeuteten für ihn ja auch weniger Bestandsprovision.

Wie systematisch das Wechselrecht von manchen Versicherern hintertrieben wird, macht ein internes Papier der Gothaer Krankenversicherung deutlich, das der „Spiegel“ dieser Tage veröffentlichte. Darin wird den Mitarbeitern nahegelegt, den Kunden mit Risikoaufschlägen zu drohen und sie von kostensparenden Leistungsausschlüssen in höherwertigen Tarifen abzuhalten. Der PKV-Verband distanzierte sich notgedrungen von solchem Gebaren. Doch gleichzeitig warnte Verbandsdirektor Volker Leienbach vor kommerziellen Wechselhelfern. Da sie allein an der Beitragsersparnis verdienten, manövrierten sie ihre Kunden oft in Billigtarife mit erheblicher Leistungsverschlechterung.

Tatsächlich schießen solche Wechsel- Agenturen wie Pilze aus dem Boden. Neben den vielen kurzlebigen gibt es inzwischen ein halbes Dutzend Anbieter, die von der Renitenz der Versicherer prächtig leben können. Die Nachfrage belegt die Not der Kunden. Wobei nicht alle Wechselhelfer so arbeiten, wie vom PKV-Verband behauptet. Leissls Firma „Beitragsoptimierung 24. de“ etwa kassiert von den Beratenen im Erfolgsfall zwar auch eine Jahresersparnis. Doch sie offeriert nur Tarife mit vergleichbarem Leistungsspektrum – wohl wissend, dass eine spätere Leistungsaufstockung teuer erkauft werden muss oder gar unmöglich ist. Im Schnitt spare jeder, der sich von ihm helfen lasse, 2500 Euro jährlich, behauptet der 55-Jährige. Bei der Bayerischen Beamtenkrankenversicherung sogar 4000 Euro. Wenn Leissl aus dem Nähkästchen plaudert, wird es interessant. Er hat einen guten Überblick. Über die Guten in der Branche. Und über die Problemfälle.

Mit dem Branchenführer Debeka etwa muss er sich kaum beschäftigen. Dort nämlich gibt es für alle Versicherten nur ein einziges Tarifkollektiv. Das hat den Vorteil, dass keiner durch unbeeinflussbare Wanderungsbewegungen irgendwann bei den schlechten Risiken landet. Wenn ihm die Beiträge dennoch zu hoch werden, kann er im Grunde nur zweierlei tun: eine höhere Selbstbeteiligung wählen oder sich von bestimmten Leistungen verabschieden. Bei anderen ist das Tarifgestrüpp dagegen kaum zu durchdringen. Es gibt Lockangebote für Neukunden, von denen langjährig Versicherte nichts erfahren. Manche Tarife waren einst günstig, sind inzwischen aber überteuert. Allianz und DKV etwa haben so viele Alternativen im Portfolio, dass der Tarifwechsel bei ihnen eine echte Herausforderung darstellte. Um es nicht böser zu sagen, nennt sie Leissl „organisatorisch überfordert“.

Eine Erfahrung, die auch DKV-Kunde Robert Selzer (Name ebenfalls geändert) machen musste. Nach einer 25-prozentigen Beitragserhöhung wurden dem 51-Jährigen nur auf mehrfache Mahnung hin einige wenige Tarifalternativen offeriert, mit denen sich auch nichts sparen ließ. Und dass es für die Tochter sehr wohl einen weit günstigeren Tarif mit nur geringen Leistungseinbußen gibt, erfuhr Selzer nicht von dem Unternehmen, sondern zufällig durch eine Nachbarin.

Was darf eine private Krankenversicherung kosten? Und was muss sie kosten, damit die Leistungen stimmen? Ein Mittvierziger, der seit zehn Jahren dabei ist, müsse mit 400 bis 450 Euro im Monat rechnen, sagt Leissl. Das Problem aber sei, dass selbst gute Tarife nicht zukunftsfest kalkuliert würden. Die Altersrückstellungen, die spätere Kostensprünge vermeiden sollen, basierten samt und sonders auf heutigen Preisen. Inflation und medizinischer Fortschritt seien nicht eingerechnet.

Entsprechend negativ fällt Leissls Gesamtschau aus. Aus seiner Sicht stecken viel zu viele bei den Privatversicherern, obwohl sie dort gar nicht hingehören, weil sie finanziell nicht unabhängig sind. Anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung werde die individuelle Leistungsfähigkeit bei den Privaten nun mal nicht berücksichtigt. „Die Beiträge steigen – egal, ob man wirtschaftlich Schiffbruch erleidet oder im Alter verarmt.“ Frau Schmidt immerhin konnte geholfen werden. Durch einen Tarifwechsel zahlt sie nun nur noch 308,94 Euro plus 960 Selbstbehalt. Das ist fast die Hälfte weniger als bisher. Aber es ist immer noch deutlich mehr als ihre erwartete Rente.

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