zum Hauptinhalt

Brandenburg: Abwasserstreit: Hungerstreik in Briesensee geht vorerst weiter

Montagnachmittag vor dem sonst friedlichen Agrar- und Umweltministerium: Eine große Abordnung aus dem Dorf Briesensee - darunter auch Bürgermeisterin Doris Groger, die sich mit drei weiteren Frauen im Hungerstreik befindet - versammelt sich in kämpferischer Stimmung vor dem Gebäude. Auf diversen T-Shirts und Plakaten kann man provokante Parolen lesen wie: "Freistaat Briesensee" und "Gegen Zwangsanschluss".

Montagnachmittag vor dem sonst friedlichen Agrar- und Umweltministerium: Eine große Abordnung aus dem Dorf Briesensee - darunter auch Bürgermeisterin Doris Groger, die sich mit drei weiteren Frauen im Hungerstreik befindet - versammelt sich in kämpferischer Stimmung vor dem Gebäude. Auf diversen T-Shirts und Plakaten kann man provokante Parolen lesen wie: "Freistaat Briesensee" und "Gegen Zwangsanschluss". Nein, es geht nicht um die Ausgliederung aus dem Land Brandenburg, obwohl den Briesenseeern inzwischen alles zugetraut wird. Die Revolte, die den Medien seit Wochen Schlagzeilen liefert, richtet sich gegen den Anschluss der Gemeinde ans zentrale Abwassernetz.

Was anderswo eher als Segen empfunden wird, ist den Briesenseeern Anlass für einen erbitterten Kampf, bei dem auch Anwälte und Gerichte bemüht werden. Gerade erst hat das Verfassungsgericht einen Antrag der Gemeinde auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen "die Kanalbaumaßnahmen des Amtes Oberspreewald" zurückgewiesen. Vor dem Verwaltungsgericht Cottbus bekamen die Briesenseeer am Freitag in einem anderen Punkt recht: Die Hauptsatzung des Amtes, gegen die sich der besondere Zorn der Gemeinde richtet, sei wegen formaler Fehler nicht rechtmäßig. Pech nur für die Aufständischen, dass die beanstandeten Punkte inzwischen korrigiert wurden. Dafür haben die klagefreudigen Briesenseeer jetzt den Europäischen Gerichtshof angerufen.

Hauptgrund für den Aufstand ist die durch den geplanten Anschluss ans Klärwerk Straupitz befürchtete Kostenexplosion. Die Dorfbewohner kennen die Berichte, wonach viele Gemeinden durch nach der Wende errichtete überdimensionierte Kläranlagen praktisch bankrott gegangen sind, die Bewohner sich fürs Abwasser "dumm und dämlich zahlen müssen", so eine Frau aus Briesensee. "Das machen wir nicht mit." Nach Angaben der Gemeinde würde der Anschluss an die Kanalisation mit 5000 Mark pro Einwohner fünf mal so teuer kommen wie eine dezentrale Anlage. Dies bestreitet das Amt zwar vehement, doch kann es die Briesenseeer nicht überzeugen. Nachdem sich der Konflikt durch den Hungerstreik zuspitzte, schaltete sich das Umweltministerium ein. Staatssekretär Friedhelm Schmitz-Jersch sieht sich als "unparteiischen Vermittler". Aus Sicht des Ministeriums ist die Rechtslage ziemlich eindeutig: 1997 hat die Gemeinde die Abwasserentsorgungspflicht auf das Amt Oberspreewald übertragen und einem Anschluss an das neue, nicht überdimensionierte Klärwerk zugestimmt. Die Kehrtwende kam erst 1998/99 mit der neuen Bürgermeisterin Doris Groger, die sich selbst eine Kleinkläranlage auf ihrem Grundstück baute und den alten Gemeindebeschluss aufheben ließ. Da das Amt Oberspreewald wegen längst geschlossener Verträge mit Baufirmen hart blieb, zweifelt Briesensee jetzt sogar seine Zugehörigkeit zum Amt an, die vom Innenministerium verfügt worden sei. Eine Gerichtsentscheidung steht noch aus.

Bürgermeisterin Groger forderte gestern von Schmitz-Jersch einen Baustopp in ihrem Ort, bis alle rechtlichen Fragen geklärt seien. Solange würden sie, so die vier Frauen, ihren Hungerstreik fortsetzen. Dass sich das Amt Oberspreewald mit einem Baustopp - die Arbeiten in Briesensee sind in vollem Gange - einverstanden erklären wird, galt gestern schon wegen der Kosten als unwahrscheinlich.

Staatssekretär Schmitz-Jersch strebt nun einen Kompromiss an. Er könnte so aussehen: Statt Baustopp Verlängerung der Anschlussfrist für die Grundstückseigentümer an die Kanalisation und das Recht zum Weiterbetreiben der dezentralen Kleinkläranlagen im Ort. Eventuell käme im Zuge eines Vergleichs auch die Förderung der zentralen Kläranlage in Straupitz in Frage, um die Kosten für die angeschlossenen Gemeinden zu senken. Das Amt klagt nämlich dagegen, dass lediglich der Bau der 12 Kilometer langen Abwasserleitung gefördert wird, nicht jedoch die Kläranlage selbst.

Michael Mara

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false