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Brandenburg: Alle vier Tage eine rechte Gewalttat

Die Brandenburger Sicherheitsbehörden haben im letzten Jahr mindestens 86 rechte Gewalttaten registriert. Die Zahl könnte nach Ansicht von Experten auf 87 steigen - der Fall des in Dahlewitz erschlagenen Obdachlosen Dieter Manzke taucht bislang nicht in der Bilanz auf, da der im Februar beginnende Prozess gegen die Täter abgewartet wird.

Von Frank Jansen

Die Brandenburger Sicherheitsbehörden haben im letzten Jahr mindestens 86 rechte Gewalttaten registriert. Die Zahl könnte nach Ansicht von Experten auf 87 steigen - der Fall des in Dahlewitz erschlagenen Obdachlosen Dieter Manzke taucht bislang nicht in der Bilanz auf, da der im Februar beginnende Prozess gegen die Täter abgewartet wird. Die meisten rechten Gewalttaten, insgesamt 49, waren fremdenfeindlich motiviert. Als Summe aller rechten Delikte ist eine Zahl von 1900 Taten zu vermuten. Demgegenüber werden der linken Szene nur etwa 100 Delikte zugeordnet, darunter 21 Gewalttaten. Die Statistiken sind mit denen des Jahres 2000 kaum zu vergleichen, da bundesweit seit 2001 eine neue, erheblich ausgeweitete Zählweise gilt.

Im vorletzten Jahr hatte das Landeskriminalamt "nur" 365 rechte Straftaten festgestellt. 77 davon waren Gewaltdelikte. Hinzu kamen 47 linke Taten, darunter 18 gewaltsame Übergriffe. Für die Bilanz des Jahres 2000 galt noch die alte Erfassungsmethode. Straftaten wurden nur dann als politisch gewertet, wenn ein extremistischer Angriff auf Staat und Demokratie zu erkennen war. Experten wie der Hannoveraner Kriminologe und jetzige niedersächische Justizminister Christian Pfeiffer (SPD) kritisierten die alte Zählweise, weil viele politisch motivierte Delikte unterhalb der Schwelle zum Angriff auf Staat und Demokratie als unpolitisch eingestuft und damit verharmlost wurden.

Die Innenminister von Bund und Ländern führten dann 2001 das neue Begriffssystem "Politisch motivierte Kriminalität" ein. Seitdem werden alle Straftaten erfasst, die als "rechts" (oder "links") gelten, auch wenn das Motiv eines Täters unklar ist. Somit registriert die Polizei jetzt jede Hakenkreuz-Schmiererei als politisches Delikt, wie es auch das Strafgesetzbuch vorsieht. Die neue Praxis ist allerdings umstritten.

Vor allem unter Polizisten ist die Ansicht zu hören, wenn Schüler Hakenkreuze malen, sei dies meistens nur eine Jugendsünde, aber kein politisch motiviertes Delikt. So hieß es früher auch in Polizeipräsidien, "wir lassen in den Meldungen manchmal ein Hakenkreuz weg". Die neue Zählweise werde allerdings in Brandenburg penibel angewandt, sagen Sicherheitsexperten. Deshalb sei nun eine sehr hohe Zahl aller im weitesten Sinne rechten Delikte zu erwarten. Die Behörden befürchten unangenehme Folgen für den Ruf des Landes - da andere Bundesländer die neue Zählweise offenbar nur halbherzig anwenden, werde Brandenburg automatisch noch stärker als "braune Hochburg" stigmatisiert.

Als einen Gegenbeweis nennen Sicherheitsexperten die niedrige Zahl der rechtsextremen Skinhead-Konzerte. Es habe nur etwa fünf kleine Veranstaltungen gegeben, meist getarnt als "Geburtstagsfeiern". Jedes Mal seien deutlich weniger als 100 Besucher gekommen. In sieben Fällen seien Konzerte verboten oder gleich zu Beginn unterbunden worden. Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten - es handelt sich im Wesentlichen um Skinheads - blieb allerdings mit rund 600 stabil. Schon deshalb sei bei rechten Gewalttaten keine Trendwende zu erwarten. Einen leichten Mitgliederschwund mussten die drei rechtsextremen Parteien NPD, "Republikaner" und die im Landtag vertretene DVU hinnehmen.

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