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Brandenburg: Am Birnbaum hängen Plastikfrüchte

Bewohner von Ribbeck wehren sich gegen ihre Wurzeln / Ausstellung "Die letzten Tage der DDR"VON HANNE BAHRA RIBBECK.An der halbzerfallenen Hauswand klebt ein zerfetztes Plakat vom Neuen Forum, Schlangen vor dem Fleischerladen, leere Geschäftsregale; zwischen all dem Kanzler- und Malboro-Werbung.

Bewohner von Ribbeck wehren sich gegen ihre Wurzeln / Ausstellung "Die letzten Tage der DDR"VON HANNE BAHRA RIBBECK.An der halbzerfallenen Hauswand klebt ein zerfetztes Plakat vom Neuen Forum, Schlangen vor dem Fleischerladen, leere Geschäftsregale; zwischen all dem Kanzler- und Malboro-Werbung.Desillusion und Hoffnung aus den letzten Tagen der DDR, trabbitrist und betongrau.Die Bilder des Hamburger Fotografen Jürco Börner in der Ribbecker Dorfkirche waren 1995 schon einmal im Deutschen Bundestag ausgestellt.Gedächtnisstützen für das Volk.In Ribbeck finden sie ihr trostloses Passepartout.Der dank Fontane berühmteste Ort im Havelland ist eine trutzige DDR-Bastion. Vom "Schloß Havelland", dem Nachfolgebau des von Fontane besungenen "Doppeldachhauses", blättert Farbe.Apathisch kauern die Häuschen an der Dorfstraße.Standhaft wehren sich die Einwohner Ribbecks gegen die neue Zeit und gegen die ihr fremdem Wurzeln der eigenen Geschichte.Wer nach Ribbeck kommt, sucht den Birnbaum.1889 von Fontane bedichtet, steht sein Nachfahre neben dem Kirchturm über der alten Familiengruft, neuerdings mit Plastik-Birnen behängt.Das Fontanesche Urbild brach 1991 ein Sturm.Es soll im 18.Jahrhundert den Hosentaschen eines freigiebigen Schloßherren entwachsen sein, der stets Äpfel und Birnen für die Dorfkinder übrig hatte.Doch der größte Teil der 430 Dorfbewohner sehen der Rückkehr des Friedrich-Carl von Ribbeck mißmutig entgegen.Obwohl er auf die Rückgabe von Bodenreformflächen verzichtet, sowie die weitere Nutzung des Schlosses als Altenheim zugesagt hat.Der Rückgabeanspruch, begründet in der NS-Gegnerschaft, die dem letzten Schloßbesitzer 1945 im KZ Sachsenhausen den Tod brachte, wird vor Gericht verhandelt.Sturheit, geschürte Ängste vor den ostelbischen Junkern und Furcht vor Veränderung nennt Pfarrer Möhring die Gründe für die gemeinschaftliche Verweigerung. Im Gemeinderaum der Patronatskirche gib es Kaffee gegen eine Spende.Hier wirkt ein Trüpplein Unverdrossener.100 000 von insgesamt einer halben Million Mark für die Restaurierung der Kirche muß die Gemeinde selbst bezahlen.Von Ribbeck läßt Birnenschnaps brennen, ein Teil des Erlöses kommt der Kirche zugute."Egal wie der Schiedsspruch lautet, wir werden zurückkehren und Gutes tun", verkündet er gutgelaunt, da nun auch sein Sohn nach Ribbeck ziehen will.

HANNE BAHRA

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