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Brandenburg: Amtsleiterin erschossen: Führte Grundstücksstreit zur Bluttat?

Hinter dem tödlichen Drama im Rathaus von Wittenberge steht offenbar ein Streit über ein Grundstücksgeschäft. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft gestern in Neuruppin mitteilten, ist am Dienstagnachmittag ein 59-jähriger Mann in das Zimmer der Leiterin des städtischen Liegenschaftsamtes gestürmt, um die 39-jährige Amtsleiterin Evelyn Z.

Hinter dem tödlichen Drama im Rathaus von Wittenberge steht offenbar ein Streit über ein Grundstücksgeschäft. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft gestern in Neuruppin mitteilten, ist am Dienstagnachmittag ein 59-jähriger Mann in das Zimmer der Leiterin des städtischen Liegenschaftsamtes gestürmt, um die 39-jährige Amtsleiterin Evelyn Z. zu töten. Anschließend brachte er sich selbst um.

Die Frau erlag anderthalb Stunden nach der Tat ihren schweren Verletzungen. Dreimal hatte der Mann mit einem Revolver auf sie geschossen. Im Zimmer gefundene Papiere wiesen ihn als den in Hamburg wohnenden Ernst-Hubertus N. aus. Zweifelsfrei konnte allerdings die genaue Identität des Täters bis zum gestrigen Abend noch nicht geklärt werden. In der Tasche des Mannes fanden die Ermittler Auszüge aus einem Grundbuch. Diese betreffen ein Grundstück im Wittenberger Zentrum, das von den Eltern des vermeintlichen Todesschützen bis zu deren Wegzug aus Wittenberge in die Bundesrepublik 1953 genutzt wurde. Nach der Wende stellte der Sohn einen Rückübertragungsanspruch. "Er glaubte offensichtlich, dass dem Verkauf des elterlichen Grundstücks nichts mehr im Wege stehen könnte, und einigte sich mit einem Apotheker über den Preis", sagte Wittenberges Bürgermeister Klaus Petry. "Allerdings gab es mehrere Ansprüche auf das Grundstück, so dass das Geschäft nicht zustande kam." Der Kaufvertrag sei "schwebend unwirksam" gewesen, erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt Gert Schnittcher. Den gesamten Schriftverkehr habe eine Hamburger Rechtsanwaltskanzlei übernommen.

In seinem Ärger über die langen Amtswege muss der Hamburger am Dienstag nach Wittenberge gefahren sein. Falls er allerdings wirklich seine Grundstücksprobleme hatte klären wollen, war das Rathaus die falsche Adresse. Denn die Entscheidungen über Rückübertragungsansprüche fällt das entsprechende Amt in der Kreisverwaltung. Die sitzt allerdings im 14 Kilometer entfernten Perleberg.

Möglicherweise reagierte der Täter deshalb so brutal, weil die Amtsleiterin in Wittenberge ihm nicht helfen konnte. "Der genaue Tatablauf ist noch nicht bekannt", sagte Polizeisprecher Rudi Sonntag. Eine im Nachbarzimmer der getöteten Frau sitzende Kollegin sei von den vier Schüssen aufgeschreckt worden und habe sofort die Notrufnummer 110 gewählt, berichtete Sonntag. "Sie war gestern noch nicht ansprechbar, sondern stand unter Schock." Im Rathaus selbst konnte sich gestern niemand an eine lautstarke Auseinandersetzungen im Zimmer der Amtsleiterin vor den Schüssen erinnern.

Bei dem mutmaßlichen Täter soll es sich nach Auskunft einer Hamburger Mordkommission um einen "Waffennarr" handeln. In seinem Besitz seien 15 Schusswaffen gewesen, die alle rechtmäßig für Sport- und Jagdzwecke erworben worden waren. Nach Wittenberge war Neumann am Dienstag mit zwei Revolvern gereist.

Den ganzen Tag über äußerten Einwohner gestern rund ums Rathaus verschiedene Mutmaßungen und Gerüchte. Sie drehten sich besonders um die Schüsse auf das Gebäude zwischen dem 20. Dezember vergangenen Jahres und dem 2. Januar. Dabei wurden zwei Zimmer im Erdgeschoss und im ersten Stock getroffen. Polizeisprecher Sonntag bestätigte die beiden Anschläge, wollte aber keinen Zusammenhang mit der Tat vom Dienstag herstellen. "Beide Schüsse wurden aus mehreren Hundert Meter Entfernung auf das Rathaus abgegeben. Ein Geschoss traf das Zimmer des Bürgermeisters." Die Hintergründe der beiden Schüsse seien noch nicht ermittelt worden. Gegen Bürgermeister Petry läuft ein Abwahlbegehren, über das die Stadtverordnetenversammlung ursprünglich am heutigen Donnerstag entscheiden sollte. Dieser Punkt ist nach den tödlichen Schüssen natürlich von der Tagesordnung gestrichen worden. Statt dessen gedenkt das Stadtparlament in einer Trauerfeier der ums Leben gekommenen Mitarbeiterin.

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