zum Hauptinhalt

Brandenburg: Attacke von Potsdam: Gericht lässt Verdächtigen frei

Haftbefehl gegen 29-Jährigen wegen geringer Fluchtgefahr ausgesetzt Staatsanwaltschaft legt Beschwerde ein. Ermittler sind verstimmt

Potsdam - Fast sieben Wochen nach dem brutalen Angriff auf den Deutsch- Äthiopier Ermyas M. in Potsdam ist seit Freitag auch der zweite Tatverdächtige wieder frei. Das Amtsgericht Potsdam setzte den Haftbefehl gegen den 29-jährigen Björn L. aus, wie die Staatsanwaltschaft Potsdam gestern mitteilte. Björn L., den die Ermittler für den Haupttäter halten, müsse sich allerdings jeden Tag bei der Polizei melden. Die Staatsanwaltschaft legte nach Angaben ihres Sprechers Benedikt Welfens Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichtes ein. Entschieden werde über diese aber erst nach Pfingsten.

In Sicherheitskreisen hieß es gestern, der Fall entwickle sich allmählich zu einer Justizposse. Ein Ermittler kommentierte die Aussetzung des Haftbefehls gegen Björn L. so: „Das ist wie beim preußischen Militär: Rein in die Tüffeln, raus aus die Tüffeln.“ Der Grund für die Verstimmung: Björn L. war am Dienstag vergangener Woche von einem Richter des Bundesgerichtshofes aus der Untersuchungshaft entlassen worden – nur um am nächsten Tag erneut verhaftet zu werden. Er soll im Gefängnis mit der Tat geprahlt haben. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof hatte einen Haftbefehl gegen Björn L. wegen des dringenden Tatverdachts der gefährlichen Körperverletzung und des einfachen Tatverdachts auf versuchten Mord erlassen.

Nach Angaben des Anwalts von Björn L. habe gestern die Ermittlungsrichterin des Amtsgerichtes bezweifelt, dass es sich bei dem Angriff vom Ostersonntag um eine ausländerfeindliche Tat gehandelt hat. „Sie setzte den Haftbefehl außer Vollzug, da die Straferwartung nicht so hoch sei, dass diese einen Fluchtanreiz bieten könnte“, sagte Anwalt Veikko Bartel. Sein Mandant bestreite nach wie vor jegliche Tatbeteiligung.

Die Staatsanwaltschaft bleibt dagegen bei ihrer bisherigen Auffassung, dass Fremdenfeindlichkeit bei dem Übergriff zumindest eine Rolle gespielt hat.

Direkt nach der Tat waren die Ermittler noch von versuchtem Mord ausgegangen. Das 37 Jahre alte Opfer war bei dem Übergriff lebensgefährlich am Kopf verletzt worden und musste von den Ärzten ins künstliche Koma versetzt worden.

Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte zunächst die Ermittlungen an sich gezogen, diese aber vor einer Woche wieder an die Staatsanwaltschaft Potsdam zurückgegeben. Die Umstände der Tat sind noch nicht in allen Details geklärt – auch, weil sich Ermyas M., der sich derzeit in der Rehabilitation befindet, nicht an die Tatnacht erinnern kann. Die Ermittler gehen bislang davon aus, dass Ermyas M. nach einem Disput mit den Tätern einen wuchtigen Faustschlag gegen den Kopf erhielt. Dabei splitterte ein Schädelknochen. Den Schlag könnte nach Ansicht der Ermittler Björn L. versetzt haben. Die hohe Stimme von Björn L., den seine Freunde „Piepsi“ nennen, ist nach Ansicht der Ermittler auch auf der Mobilbox des Telefons der Frau von Ermyas M. zu hören. Die Mobilbox hatte in der Tatnacht bei einem Anruf von Ermyas M. einen Wortwechsel zwischen ihm und zwei Männern aufgezeichnet. Zu hören sind rassistische Beleidigungen wie „Scheißnigger“.

Der zweite Tatverdächtige, der Potsdamer Thomas M., ist seit dem 23. Mai auf freiem Fuß. Beide Männer bestreiten eine Tatbeteiligung, haben aber nach Ansicht der Ermittler keine stichhaltigen Alibis.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false