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Brandenburg: Auch bei der SPD Zweifel an Bräutigams Version

POTSDAM .Justizminister Hans Otto Bräutigam gerät wegen des jüngsten Gefängnis-Ausbruchs zunehmend unter Druck.

POTSDAM .Justizminister Hans Otto Bräutigam gerät wegen des jüngsten Gefängnis-Ausbruchs zunehmend unter Druck.Nach Angaben des innenpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Dierk Homeyer, sollen "verantwortliche Stellen" über Fluchtabsichten der beiden in Brandenburg (Havel) ausgebrochenen rumänischen Häftlinge informiert gewesen sein.Homeyer verlangte einen lückenlosen Bericht über die Umstände ihrer Flucht aus der JVA.Hingegen bekräftigte Bräutigam, daß im Zusammenhang mit dem Ausbruch keine Versäumnisse festzustellen seien.Diese Version wird inzwischen jedoch selbst in SPD-Kreisen angezweifelt.

"Wenn es stimmt, daß genügend Personal in der Anstalt vorhanden war, muß man sich fragen, warum der Ausbruch trotzdem nicht bemerkt worden ist", hieß es.Möglicherweise sei das administrative Management unzureichend.Auch in Stolpes Staatskanzlei wird der jüngste Ausbruch offenbar sehr ernst genommen.Vor nicht einmal einem Vierteljahr sorgte die Flucht des Hintze-Entführers Serow für Schlagzeilen.Bräutigam hatte damals seinen Rücktritt angeboten, der aber von Ministerpräsident Manfred Stolpe abgelehnt worden war.In Regierungskreisen reagierte man gestern mit Kopfschütteln auf den neuen Ausbruch.

Wie berichtet hatten die beiden Rumänen mit einem Sägeblatt die Gitter ihres Zellenfensters durchsägt.Die Gefängnismauer überwanden sie mit Hilfe einer selbstgebauten Leiter.Angeblich sollen sie wegen Schneefalls von den Wachen nicht bemerkt worden sein.Auch in SPD-Kreisen zeigte man sich über diese Erklärung verwundert, weil sie den Schluß zulasse, daß Brandenburgs Haftanstalten nur bei schönem Wetter sicher seien, sagte ein SPD-Politiker.Die Opposition glaubt, daß die Flucht durch eine personelle Unterbesetzung möglich wurde.Bräutigam hat das zwar bestritten, jedoch bisher keine Zahlen vorgelegt.

Offenbar um den Schaden zu begrenzen, hat Ministerpräsident Manfred Stolpe jetzt selbst die Initiative ergriffen.Er wird am morgigen Donnerstag zusammen mit Bräutigam die JVA in Brandenburg besuchen und Gespräche mit Bediensteten führen.Ein Grund für Stolpes Einschreiten könnte auch sein, daß gestern neue Vorwürfe gegen Bräutigam laut geworden sind.Sie beziehen sich auf das Gefängnis Oranienburg, wo es unter den Gefangenen zu Alkohol-Ekzessen gekommen sein und ein schwunghafter Handel mit Waffen und Ausbruchswerkzeug stattgefunden haben soll.Allerdings ist ein Ermittlungsverfahren gegen den Anstaltsleiter Wolf-Dieter Voigt wegen Strafvereitelung mangels Beweisen eingestellt worden.Pikant daran: Voigt war bis zur Flucht des Hintze-Entführers Serow auch für die JVA Potsdam zuständig.

Vom Justizministerium war zunächst keine Stellungnahme zu den neuen Vorwürfen zu erhalten.Am Abend hieß es, die dienstaufsichtsrechtliche Überprüfung habe die schweren Vorwürfe nicht bestätigt.Bräutigam kündigte gestern eine Verschärfung der geltenden Sicherheitsbestimmungen an.Aus Gründen der Geheimhaltung wollte er diese jedoch nicht näher erläutern.

Gitter galten als "absolut sicher"

Acht Hinweise zu flüchtigen Häftlingen, aber keine heiße Spur

POTSDAM (Tsp).Zu den in der Nacht zum Sonntag aus der Justizvollzugsanstalt Brandenburg (Havel) geflüchteten Häftlingen sind beim Landeskriminalamt in Basdorf bis gestern nachmittag acht Hinweise eingegangen.Anrufer wollen die 26 und 27 Jahre alten Männer erkannt haben.Man verfolge aber noch keine heiße Spur, sagte gestern LKA-Sprecher Peter Salender.Das mehrköpfige Team von Zielfahndern sei gestern aufgestockt worden.Sie suchten deutschlandweit, die Fahndung laufe international.

Den flüchtigen rumänischen Untersuchungshäftlingen wird schwerer Raub und Erpressung vorgeworfen.Nach Angaben des Justizministeriums gelang es ihnen, die Gitterstäbe ihrer im Parterre liegenden Zelle mit einem Sägeblatt zu durchtrennen.Mit einer selbstgebauten Strickleiter aus Bettgestellteilen und Tüchern überwanden sie anschließend die 5,40 Meter hohe Gefängnismauer.Ein Signaldraht löste zu dieser Zeit Alarm aus.An den Fluchtort geeilte Vollzugsbeamte kamen jedoch zu spät.Eine den Angaben zufolge sofort eingeleitete Fahndung war erfolglos.

Wie die Häftlinge an das Werkzeug kamen, war auch gestern noch unklar.Zugang zu Werkstätten sollen sie nicht gehabt haben.Die durchsägten Gitterstäbe stammen nach Angaben von Justizminister Hans Otto Bräutigam (parteilos) aus den 30er Jahren.Sie hätten als "absolut sicher" gegolten", sagte er.

MICHAEL MARA

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