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Brandenburg: Auch die Gewinner haben verloren

Der beste Wahlhelfer für CDU und PDS war die Stimmenthaltung der SPD-Anhänger. Für Platzeck wird es jetzt sehr schwer

Potsdam. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die bürgerlichen Parteien für die Landtagswahl in elf Monaten die besseren Aussichten haben – während es für die SPD sehr schwierig wird. Diese These vertritt der renommierte Berliner Parteienforscher Richard Stöss nach den Brandenburger Kommunalwahlen vom Sonntag. Für die Kreistage und Stadtverordnetenversammlungen liegt das amtliche Endergebnis jetzt vor: Danach ist die Union um 6,4 auf 27,81 Prozent geklettert, während die bisher die Kreisebene beherrschende SPD um 15,4 auf 23,55 Punkte absackte und die PDS mit 21,3 Punkten gegenüber der letzten Kommunalwahl praktisch stagnierte. Die 1994 aus dem Landtag geflogene FDP verbesserte sich auf 6,33 Prozent, liegt also über der 5-Prozent- Hürde, die unabhängigen Wählergruppen kletterten sogar auf knapp 17 Prozent und damit um fast das Doppelte.

Stöss erklärte die Niederlage der SPD vor allem damit, dass sie ihr Wählerpotenzial aufgrund der extrem schlechten Stimmungslage „nicht mobilisieren konnte“. Zwar hätten alle etablierten Parteien wegen der Politikverdrossenheit Schwierigkeiten, die Wähler an die Urnen zu holen, erst recht bei Kommunalwahlen. „Die Leute sind sauer und schieben das auf die Demokratie.“

Doch bei den Sozialdemokraten sind die Stimmenverluste dramatisch. Gegenüber der letzten Kommunalwahl verloren sie nach offiziellen Angaben des Landeswahlleiters 1,063 Millionen Stimmen (für die Kreistage konnten maximal drei abgegeben werden). Nennenswerte Verluste gab es auch bei der PDS mit 365 000 und selbst beim Wahlsieger CDU mit 178 000 Stimmen, wobei freilich berücksichtigt werden muss, dass die Beteiligung an der Kommunalwahl 1998 wegen der parallelen Bundestagswahl mit 77,89 Prozent gegenüber jetzt 45,9 wesentlich höher war.

Zwar gibt es bisher keine Untersuchungen über Wählerwanderungen, doch glaubt der Forscher nicht, dass SPD-Wähler in größeren Mengen zur CDU gewechselt sind. „Die SPD-Wähler sind einfach zu Hause geblieben.“ Ähnlich sehen es die beiden Parteien selbst: „Die Wanderungen zur CDU sind nicht relevant“, so SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness. „Es sind zwar SPD-Wähler zur CDU gewechselt", sagt zwar deren Generalsekretär Thomas Lunacek, räumt aber auch ein: „Leider nicht in der erhofften Zahl.“

Da sich das allgemeine Stimmungsbild bis zur Landtagswahl nicht grundsätzlich ändern werde, rechnet Stöss damit, dass vor allem die SPD dann erneut große Mobilisierungsschwierigkeiten haben wird: „Sie wird ihren Anhängern nicht sagen können, schaut her, unsere harte Sparpolitik zahlt sich aus.“ Die rot-grünen Reformen könnten in so kurzer Zeit nicht greifen. Auch SPD-Landeschef und Ministerpräsident Matthias Platzeck selbst spricht von einer mehrjährigen Konsolidierungsphase.

Zugleich muss laut Stöss damit gerechnet werden, dass die Stimmen der unabhängigen Wählergruppen bei der Landtagswahl eher der CDU und FDP zugute kommen werden als der SPD. Denn bei ihnen handele sich nach den Erfahrungen eher um bürgerliche Wähler. Stöss ist sich auch nicht sicher, ob das „Personenduell Platzeck – Schönbohm“ so greifen wird, wie es sich die SPD erhofft.

Zwar bekommt Platzeck in allen Umfragen deutlich bessere Noten als sein Herausforderer, CDU-Landeschef Jörg Schönbohm. Auch würde er – jedenfalls nach den letzten Umfragen – aus einer Direktwahl als klarer Sieger hervorgehen. Doch inzwischen ist die Unzufriedenheit mit der rot-grünen Reformpolitik so groß, dass sie alles überschattet. Für Stöss steht fest: „Die SPD muss sich etwas einfallen lassen.“

Überraschend ist für den Parteienforscher, dass die Rechtsextremen von „dem großen Frust im Land“ zumindest bei den Kommunalwahlen nicht profitieren. NPD und DVU hätten im Wahlkampf aktive Werbung betrieben, und dennoch nur vereinzelt Sitze gewonnen. Auch dies zeige: „Der große Frust hat sich in der Wahlenthaltung niedergeschlagen.“ Dennoch, so Stöss, sei der rechtsextreme Bodensatz da und dürfe auch mit Blick auf die Landtagswahlen nicht unterschätzt werden.

Michael Mara

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