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Brandenburg: Auf dem Papierberg

Michael Mara

Man muss sich das einmal vorstellen: Damit eine Gaststätte Tische, Stühle und Sonnenschirme auf die Straße stellen darf, muss sie in Brandenburg bis zu 47 Unterlagen bei Ämtern und Behörden einreichen. Die groteske Regelungswut, für die nicht nur die Bauvorlagenverordnung ein Beispiel ist, lähmt nicht nur. Sie kostet Bürger, Unternehmen und letztlich auch den Staat Millionen. Schlimmer ist, dass die Bürokratie Innovation und Fortschritt hemmt, was dieses Land besonders hart trifft. Schließlich ist Brandenburg in allen Ländervergleichen zu Wirtschaftswachstum und Wirtschaftsfortschritt unter den deutschen, auch ostdeutschen Schlusslichtern zu finden.

Insofern ist es allerhöchste Zeit, dass die SPDCDU-Koalition – sie regiert immerhin sechs Jahre – nun endlich ernst machen will mit dem Bürokratieabbau. Allerdings sind Zweifel an der Wirksamkeit angebracht. So geht der vor zwei Monaten im Landtag gebildete Sonderausschuss für den Bürokratieabbau, der sich selbst als beispielgebende Neuerung in Deutschland preist, erst einmal auf ausgedehnte Reisen: In Österreich und Holland war man schon. Die wichtigste neue Erkenntnis verkündete die Ausschussvorsitzende Tina Fischer in der vergangenen Woche: Die durch Verwaltungsbürokratie entstehenden Kosten neuer Gesetze sollen künftig ermittelt werden – von einem extra dafür geplanten wissenschaftlichen Dienst. „Das gibt es bisher nirgendwo in Deutschland“, lautete ihr stolzer Kommentar.

Der Bürger, der sich wegen einer läppischen Genehmigung wochen- oder monatelang mit der Bauvorlagenverordnung herumschlagen muss, wird sich bedanken. Er erwartet etwas ganz anderes: Dass nämlich hemmende oder überflüssige Gesetze und Verordnungen in kürzester Zeit entschlackt oder abgeschafft werden. Dass Regierung und Parlament sich auf ganz konkrete Zahlen und Fristen verständigen und nicht in vagen Andeutungen ergehen. Dass er seine Erfahrungen und Vorschläge in eine breite öffentliche Debatte einbringen kann.

Aber was passiert stattdessen? Der reisefreudige Parlaments-Sonderausschuss lädt diverse Verwaltungsexperten in den Landtag ein, die hinter verschlossenen Türen ihre Vorstellungen zum Besten geben. Öffentlichkeit ist nicht zugelassen, warum auch? Die Abgeordneten müssten sich dann ja vielleicht die Frage gefallen lassen, warum sie so viele bürokratische Gesetze erst beschlossen haben.

Die Regierung ist da nicht besser. In der Staatskanzlei werkelt die so genannte Leitstelle für Bürokratieabbau seit Monaten still vor sich hin: Zwar kann der bürokratiegeschädigte Bürger dort inzwischen über einen ins Internet gestellten Fragebogen seine Sorgen online loswerden. Doch vom versprochenen „Dialog“ keine Spur. Eine Diskussionsplattform, auf der sich jeder äußern und mit jedem debattieren kann, existiert bisher ebenso wenig wie die angekündigte Telefon-Hotline. Dafür versäumt es kein Politiker, Bürokratieabbau zu fordern. Aber statt zu reisen und zu reden, sollte man es endlich tun.

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