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Brandenburg: Auf den Straßen ohne Hoffnung

Claus-Dieter Steyer

Bislang ließ der Niedergang der Brandenburger Randregionen die Berliner ziemlich kalt. Was interessierte sie schon die Schließung von Schulen, der massenhafte Wegzug junger Leute, das Verschwinden von Kneipen, Läden oder Sportvereinen? Mit den Abrissbaggern ganzer Wohnviertel kamen sie kaum in Berührung, verschlug sie doch selten ein Ausflug nach Schwedt, Forst, Guben oder Frankfurt (Oder). Wenn schon ein Landausflug geplant war, ging es auf kürzestem Weg zu den Thermalbädern, zu guten Hotels, an herrliche Seen, in Wälder oder auf den Golfplatz.

Doch schon bald nützt dieser Scheuklappenblick nichts mehr. Auf ziemlich unsanfte Weise werden die Ausflügler, Dienstreisenden oder Neugierigen auf das Elend aufmerksam gemacht: die Verkehrswege abseits der Autobahnen und Bundesstraßen stehen auf dem Prüfstand. Das Land will und muss sich wegen fehlenden Geldes von vielen Straßenkilometern trennen. Vor allem wenig befahrene oder in der Nähe von Naturschutzgebieten verlaufende Routen haben wenig Chancen auf einen Verbleib im insgesamt 5800 Kilometer langen Netz der Landesstraßen. Vor einer Aufgabe sollen sie den Kommunen und Landkreisen angeboten werden. Doch deren Kassen sind mindestens genauso klamm wie die Landesschatulle. 7000 Euro kostet im Schnitt die Instandhaltung eines Kilometers.

Schon jetzt weisen viele Ortsverbindungsstraßen einige Schäden auf. Das sieht zwar in Berlin um keinen Deut besser aus, aber wenigstens kommt hier die völlige Aufgabe von Straßen nicht in Betracht. In Brandenburgs Randregionen aber bleibt dazu oft keine Alternative. Statistiker rechnen hier bis zum Jahr 2020 mit einem Verlust von 240 000 Menschen. Abwanderung und eine erschreckend niedrige Geburtenrate lassen Städte und Dörfer schrumpfen. Nach der Wende aufgestellte Entwicklungspläne mit der Auflistung von wichtigen Zentren sind längst Makulatur. Bis zur Verödung ganzer Landstriche ist es mancherorts nur noch ein kurzer Schritt, falls nicht doch noch ein Wunder geschieht.

Das ist nicht zu erwarten, so dass Straßenkarten wohl korrigiert werden müssen. Spätestens dann merken auch die gelegentlichen Besucher Brandenburgs die dramatischen Veränderungen. Denn sind die Straßen erst einmal verschwunden, erlischt auch die kleinste Hoffnung auf bessere Zeiten. Vielleicht sind es die Sackgassenschilder, die die Kunde davon endlich auch bis nach Berlin tragen.

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