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Brandenburg: Aufschwung auf dem Wasser

Eswerdenwieder viel mehr Güter perSchiff transportiert – wegensteigenderBenzinpreiseundLkw-Maut

Niederfinow - Die Binnenschifffahrt erlebt in Brandenburg einen unerwarteten Aufschwung. Im ersten Halbjahr nahm die Menge der transportierten Güter auf dem Oder-Havel-Kanal zwischen Berlin und Stettin um fast ein Viertel gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. Im Bundesdurchschnitt betrug die Zuwachsrate nur zwischen zehn und 15 Prozent. Die Einführung der Lkw-Maut am Jahresanfang und die steigenden Diesel- und Benzinpreise machen einen Transport auf dem Wasser offenbar wieder lukrativ.

Dadurch sehen sich nun diejenigen in ihren Argumenten gestärkt, die schon seit Jahren ein neues Schiffshebewerk am Oder-Havel-Kanal bei Niederfinow errichten wollen und für den Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße bei Schwedt sind. Die Kritiker dieser Pläne, vor allem Umweltschützer, hatten die Ausgaben bisher immer mit dem Hinweis auf die zurückgehenden Gütermengen abgelehnt: Jede Veränderung am gegenwärtigen Zustand sei eine Verschwendung und ein unnötiger Eingriff in die Natur, hieß es.

In erster Linie profitieren polnische Reedereien von dem Aufschwung auf den Wasserstraßen. „Auf sie entfallen am Schiffshebewerk Niederfinow 80 bis 90 Prozent aller Passagen“, sagt Rolf Dietrich, Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Eberswalde. „Polnische Reeder beherrschen den Verkehr auf den Binnenwasserstraßen im Osten Deutschland.“ Das Geschäft im Westen dagegen machten vorwiegend niederländische und belgische Reedereien.

Güter mit dem Schiff zu transportieren, sei um das Siebenfache billiger als der Transport der gleichen Menge mit dem Lastwagen, sagt Dietrich. Künftig werde es noch billiger werden. Am Schiffshebewerk Niederfinow wurden zwischen Januar und Ende Juni 4834 Schiffe geschleust – vier Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Dabei musste der riesige Schiffsfahrstuhl an 72 Tagen geschlossen bleiben, weil das Wasser vereist war und Reparaturen vorgenommen werden mussten.

Fast eine Million Tonnen Waren wurden in diesem Zeitraum transportiert. Mit 35 Prozent entfiel der größte Teil davon auf Steinkohle. Die Kraftwerke ersetzen damit mehr und mehr die teurer gewordenen Mineralölprodukte. Außer Kohle wurden Eisen, Erze und Schrott, Düngemittel und Holz transportiert. Viele Schiffe laden ihre Waren jedoch längst nicht mehr in Berlin oder im Umland ab, sondern fahren gleich auf der Havel in Richtung Westen weiter. Das neue Wasserstraßenkreuz bei Magdeburg erlaubt eine zügige Fahrt über die Elbe.

Container werden auf der Oder-Havel-Wasserstraße zwischen Berlin und Stettin kaum befördert. Lediglich 25 stählerne Kisten wurden im ersten Halbjahr verladen. Das Schiffshebewerk lässt eine Beladung der Kähne nur in einer Etage zu. Das macht einen Transport nicht rentabel. Bei der Konstruktion des 1934 fertig gestellten Stahlkolosses dachte noch niemand an Containertransporte.

Deshalb wird ab dem nächsten Jahr ein neues Hebewerk in der Nachbarschaft der bestehenden Anlage gebaut. Es lässt längere Schiffe und einen größeren Tiefgang zu. Allerdings dauert die Bauzeit fünf Jahre.

„Die Zukunft der Schifffahrt liegt eindeutig bei den Containern“, sagt Rolf Dietrich. „Gerade ist im Ostseehafen Swinemünde ein neues Terminal in Betrieb gegangen. Auch große Schiffe aus Amerika oder China könnten durch die Ostsee fahren und ihre Container jetzt hier günstig abladen.“ Von Swinemünde würden kleinere Küstenmotorschiffe die Container über Stettin und Oder-Havel-Kanal direkt nach Berlin und weiter ins Binnenland befördern. Allerdings lohne sich das erst, wenn das neue Schiffshebewerk fertig ist. Heute entladen die meisten Tanker aus Übersee ihre Fracht in den Nordseehäfen. Lastwagen oder Binnenschiffe übernehmen den weiteren Transport.

Das kam bisher immer noch billiger als die zwei Tage länger dauernde Weiterfahrt in die Ostsee nach Rostock, Stralsund, Swinemünde oder ins Baltikum. Die Häfen in Antwerpen und Rotterdam sind bereits ausgelastet, was den Umschlag der Güter auf kleinere Schiffe, Züge oder Lkw angeht. „Das ist die Chance für die Ostseehäfen“, sagt Rolf Dietrich. „Steigende Spritpreise machen den Lkw-Verkehr ohnehin immer teurer.“

Einen kleinen Rückgang gab es am Schiffshebewerk bei den Sportbooten. 1178 Privatkapitäne passierten zwischen Januar und Juni mit ihren Yachten das Nadelöhr. Das bedeutet gegenüber dem ersten Halbjahr 2004 ein Minus von lediglich fünf Prozent. Erfahrungsgemäß hängt dieser Wert sehr vom Wetter ab, das dieses Jahr im April und Mai nicht sonderlich gut war. Überschaut man die vergangenen fünf Jahre, zeigt sich auch bei den Sportbooten eine starke Zunahme. Für eine Fahrt mit dem Hausboot von Berlin nach Stettin benötigt der Kapitän jedoch noch immer einen gültigen Bootsführerschein. Ein Papier, das der Schiffsführer nach einer kurzen Einweisung vom Bootsverleiher erhält, genügt nicht. Das gilt zwar auf vielen anderen Brandenburger Wasserstraßen, aber bei dem wachsenden Güterverkehr gerade auf dieser Strecke liegen die Vorteile einer umfassenden Ausbildung auch für Hobbykapitäne auf der Hand.

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