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Brandenburg: Aus Gewalt-Spiel wurde tödliche Realität 19-Jähriger erschlug einen Obdachlosen –

nach einem langen Abend an der Playstation

Von Sandra Dassler

Cottbus – Steffen G. ist voll geständig: „Ich hab’ einfach drauflos getreten“, sagt der 19-Jährige, der im dicken Rollkragenpullover auf der Anklagebank des Cottbuser Landgerichts sitzt: „Erst als es zu spät war – als der tot war – hab’ ich gedacht: Jetzt haste Mist gemacht.“

Getötet hat Steffen G. laut Anklageschrift den 51-jährigen Jürgen G., der einmal als selbstständiger Versicherungsvertreter arbeitete, aber dann ins Cottbuser Obdachlosenmilieu abrutschte. In der Nacht zum 10. Juli dieses Jahres waren sich Opfer und Täter in der Cottbuser Plattenbausiedlung Schmellwitz zufällig begegnet: Jürgen G. auf der Suche nach einer Schlafgelegenheit, Steffen G. nach eigenen Aussagen auf der Suche nach etwas oder jemanden, an dem er seine Aggressionen auslassen konnte. Die habe er gehabt, weil er zuvor stundenlang mit einem Freund auf dessen Playstation ein gewalttätiges Computerspiel gespielt – und dabei ständig verloren habe. Dabei soll es sich um das Wrestling-Spiel „Smack Down vs. Raw 2006“ gehandelt haben, bei dem virtuelle Catcher gegeneinander kämpfen und dabei auch auf ihre Körper eintreten.

Genauso wie in dem Videospiel habe er dann auch auf sein Opfer eingetreten, sagte der nun wegen Mordes aus niederen Beweggründen und Heimtücke angeklagte Steffen G. vor Gericht: „Ich wollte einfach nur sehen, was ich so drauf habe und wie toll ich jemanden verletzen kann.“ Einen Streit mit dem Opfer habe es zuvor nicht gegeben, im Gegenteil: Er habe dem Mann eigentlich eine Übernachtung bei seinem Freund besorgen wollen, dieser habe aber nicht gewollt und die beiden nach Hause begleitet. Auf dem Weg habe Steffen G. den Obdachlosen dann an einer 15 Meter hohen Treppe so in den Rücken getreten, dass dieser hinuntergestürzt sei. „Und als er da so dalag, ist es mit mir durchgegangen.“ Mit Faustschlägen und Tritten zertrümmerte Steffen G. dem Mann das Gesicht. Sein Kumpel stand daneben und griff nicht ein. Der 51-jährige Jürgen G., den Zeugen gestern als zwar gescheiterten, aber liebevollen Menschen schilderten, der „keiner Fliege was zuleide tun konnte“, verstarb wenig später an den schweren Verletzungen. Steffen G. stellte sich der Polizei von selbst.

Natürlich habe auch der zuvor reichlich genossene Alkohol eine Rolle als Tatauslöser gespielt, behauptet der Angeklagte, der auch früher schon manchmal zugeschlagen hat und in der Untersuchungshaft Nazi- Symbole an Zellenwände schmierte. Außerdem habe er sich kurz vor dem Vorfall über eine Auseinandersetzung mit einer Polizeistreife geärgert. Aber der Hauptauslöser sei doch das Computerspiel gewesen.

Angesichts der aktuellen Diskussion um jugendliche Gewalttäter und das in diesem Zusammenhang geforderte Verbot von Gewaltvideos und brutalen Computerspielen, ist das Interesse an dem Cottbuser Prozess sehr groß. Mit Spannung wird für den kommenden Verhandlungstag ein Gutachten des Ulmer Hirnforschers Manfred Spitzer erwartet, in dem es darum gehen soll, ob intensives Spielen von brutalen Szenen am Computer Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit haben kann.

Ein Urteil wird erst für Anfang Januar erwartet.

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