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Brandenburg: Ausgetrickst und abgehauen

Sonderkommission in Frankfurt (Oder) noch ohne Hinweis auf den flüchtigen Sexualstrafstäter

Von Claus-Dieter Steyer

Frankfurt (Oder)/Spremberg. Von Feiertagsruhe konnte im Frankfurter Polizeipräsidium keine Rede sein. Die Suche nach dem Sexualstraftäter, der am vergangenen Sonnabend bei einem Freigang seinen zwei Bewachern entkommen war, beschäftigte Dutzende Beamte. Doch trotz Aufstockung der Sonderkommission auf 40 Mitglieder und dem Einsatz weiterer Zielfahnder fehlte bis zum Abend jede Spur von dem 29-jährigen Gerd Uwe Förster. „Wir bitten deshalb die Bevölkerung um Mithilfe“, sagte Polizei-Pressesprecher Matthias Kühnel. Jeder Hinweis auf den 1,76 Meter großen und kräftig gebauten Mann mit kurzen hellblonden Haaren sei wichtig.

Justizministerin Barbara Richstein kündigte an, das Verhalten der beiden Bewacher, denen der Freigänger entwichen war, unter „dienstrechtlichen Gesichtspunkten“ überprüfen zu lassen.

Förster saß wegen Vergewaltigung und Körperverletzung in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg (Havel) eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten ab. Er wäre am 10. Februar 2004 entlassen worden. Ein weiteres Verfahren wegen Körperverletzung während einer Schlägerei im Knast ist jedoch noch nicht abgeschlossen. „Ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie der Landesklinik Brandenburg stellte am 8. März dieses Jahres dennoch eine negative Kriminalprognose für den Gefangenen aus“, sagte der Sprecher des Brandenburger Justizministeriums, Rolf Hellmert. „Er verwies auf ein günstiges familiäres Umfeld und regte eine langsame und vorsichtige Lockerung des Strafvollzuges an.“

Im April und Juni erhielt der in Hoyerswerda geborene Förster zwei bewachte Ausgänge zur Beerdigung eines Familienangehörigen und für einen Behördengang. Beim dritten Freigang am letzten Sonnabend trickste er seine unbewaffneten Begleiter aus.

Die Umstände der Flucht könnten einem schlichten Drehbuch entnommen sein: Zur Hochzeitsfeier seiner Schwester fahren Förster und seine beiden Bewacher mit einem Taxi ins 120 Kilometer von Brandenburg entfernte Spremberg. Die Kosten trägt der Gefangene. Vor Ort angekommen, steigt das Trio für die Fahrten zum Standesamt und zur anschließenden Feier in ein privates Auto um. Gegen 15 Uhr wird die Rückfahrt zum wartenden Taxi angetreten, das die drei Männer wieder nach Brandenburg bringen soll. Am vereinbarten Treffpunkt steigen zuerst die Bewacher aus, dann der Gefangene. Während die Justizangestellten schon in Richtung des Taxis laufen, holt Förster seine Jacke aus dem Kofferraum. In diesem Moment ergreift er die Flucht. Die zwei Meter entfernten Bewacher nehmen die Verfolgung auf, verlieren den Mann allerdings aus den Augen. So bleibt ihnen nur der Weg zur nächsten Polizeidienststelle, um die Fahndung auszulösen.

Der Chef der Brandenburger Polizeigewerkschaft, Andreas Schuster, spricht von einem „nicht erklärbaren Fall“. Es könne doch nicht sein, dass ein Vergewaltiger Ausgang erhalte. „Deshalb muss genau geprüft werden, warum der Mann solche Freiheiten genießen konnte“, sagte Schuster. Erneut habe sich offenbar ein Gutachter bei seiner Beurteilung geirrt. Insofern gebe es Parallelen zum Schwerverbrecher Schmökel, der seinen Bewachern vor zwei Jahren bei einem Besuch der Mutter entwischte. Auf seiner Flucht vor der Polizei quer durch Brandenburg und Sachsen hatte er nach eigenem Geständnis einen Rentner in Strausberg erschlagen. Schmökel erhielt Ausgang vom Maßregelvollzug, weil ihm Ärzte eine „positive Entwicklung“ bescheinigt hatten. „Genau wie damals muss jetzt die Polizei Fehler anderer ausbügeln“, kritisierte der Gewerkschafter.

Hinweise auf den Gesuchten werden vom Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) unter der Telefonnummer 0700-3333 0335 entgegengenommen.

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