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Baumblütenfest: Werder und die Angst vorm Ballermann

Am Sonnabend beginnt das traditionelle Baumblütenfest. Doch viele Bürger sind in Sorge, denn das Niveau der Veranstaltung ist gesunken. Eine Bürgerinitiative fordert die "Abkehr von der Ballermannmeile".

Auf die Natur kann sich die Havelstadt Werder zum Baumblütenfest immer verlassen. Dank des Kälteeinbruchs in der Vorwoche und des jetzigen Sonnenscheins zeigen sich die meisten Obstbäume pünktlich zur Eröffnung der 129. Auflage am kommenden Sonnabend im schönsten Weiß. Doch während also die Kulisse für das feucht-fröhliche Treiben auf den Karussells, an den zahlreichen Bühnen und den rund 500 Ständen stimmt, hat es um das Fest zuletzt einigen Streit gegeben. Eine Bürgerinitiative von der Altstadtinsel, wo sich die Besucher stets durch die engen Gassen drängeln, forderte in offenen Briefen und auf mehreren Versammlungen ein höheres Niveau des Festes und die „Abkehr von der Ballermannmeile“: Karussells, Losbuden und lautstarke Konzerte sollten aus der historischen Innenstadt verbannt werden.

„Wir wünschen uns wieder mehr gesittete Veranstaltungen für Familien mit Kindern“, verlangte die Sprecherin der „Initiative 2008“, Uta Klotz, die auf der Insel eines der schönsten Häuser renovieren ließ und Zimmer vermietet. In seiner bisherigen Form bringe das Fest „unerträgliche Belastungen und Zerstörungen“.

Allerdings gehen die Meinungen über die Form des Treibens mit alljährlich einer halben Million Besuchern auch in Werder auseinander. Als Reaktion auf die „Initiative 2008“ organisierte sich gleich eine Gruppe, die alles beim Alten belassen will. Sie verweist auf die vielen Debatten in den vergangenen 100 Jahren. So gab es schon 1894 Proteste gegen zu lautes Leierkastenspiel, 1925 folgte ein Verbot des Handelns mit Pfeif-, Blas- und Lärminstrumenten. Ein Jahr später vermerkte der Polizeibericht „52 sinnlos Betrunkene“, und zu DDR-Zeiten trug das Fest wegen der vielen uniformierten Polizisten sogar den Beinamen „Grüne Wochen“.

Werders Bürgermeister Werner Große (CDU) hält das Baumblütenfest trotz der Kritik nach wie vor für „entspannt, locker und gemütlich“. Deshalb steht auch weiterhin seine Einladung an den Berliner Polizeipräsidenten Dieter Glietsch, der im Vorjahr die Krawalle am 1. Mai in Kreuzberg mit Hinweisen auf das Baumblütenfest relativieren wollte. Auch da gebe es solche Auseinandersetzungen, sagte Glietsch damals, worauf sich Bürgermeister Große sehr erbost zeigte.

Wie Große nun sagte, werden die Karussells und Bühnen auf der Insel bleiben, wobei ihr Betrieb um 22 Uhr enden soll. Außerdem wurde die Zahl der kostenlosen Toiletten verdoppelt. Wer dennoch beim wilden Urinieren erwischt wird, muss 59 Euro Strafe zahlen. Außerdem sollen die ausgeschenkten Obstweine kontrolliert werden. Im Vorjahr stammte die Hälfte von ihnen entgegen der Etiketten nicht aus Werder. Doch auch dieser Betrug ist beim Baumblütenfest nicht ganz neu. 1896 wurden Werderaner Obstbauern im Hamburger Hafen erwischt, als sie chilenische Äpfel heimlich in eigene Obstfässer umluden.

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