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Brandenburg: Bedrohliche Kulisse bei Prozessbeginn gegen Neonazis Polizei musste Rechtsextremisten in Schach halten Sechs Kumpane wegen Mordversuchs vor Gericht

Potsdam – Das Szenario wirkte bedrohlich. Etwa 40 Neonazis machten sich gestern im Eingang des Potsdamer Landgerichts breit, um zu Beginn des Prozesses gegen sechs mutmaßlich äußerst gewalttätige „Kameraden“ eine milieutypische Kulisse zu bilden.

Von Frank Jansen

Potsdam – Das Szenario wirkte bedrohlich. Etwa 40 Neonazis machten sich gestern im Eingang des Potsdamer Landgerichts breit, um zu Beginn des Prozesses gegen sechs mutmaßlich äußerst gewalttätige „Kameraden“ eine milieutypische Kulisse zu bilden. Schon vor dem Gebäude wurden Polizeibeamte und Journalisten für spätere Steckbrief-Aktionen der Rechten fotografiert. Ein ehemals führendes Mitglied der verbotenen „Berliner Kameradschaft Tor“ tat sich dabei mit seiner Kamera hervor. Die Polizei, darunter szenekundige Beamte der Berliner Spezialeinheit PMS (Politisch Motivierte Straßengewalt), konnte mit massiver Präsenz die Rechtsextremisten einigermaßen in Schach halten. Dann startete im viel zu kleinen Saal 15 der Prozess – auch hier war die Stimmung gereizt.

Bevor Staatsanwalt Peter Petersen die Anklage verlesen konnte, stellten mehrere Verteidiger der sechs Angeklagten einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter der 1. Strafkammer, Frank Tiemann. Die Anwälte warfen dem Richter vor, er setze die Verhandlung fort, obwohl über zwei Anträge eines Verteidigers noch nicht entschieden sei. Tiemann ließ sich nicht beeindrucken und fragte die Personalien der kräftigen Kurzhaarmänner ab. Dann trug Petersen die Anklage vor – in der von einem der härtesten Verbrechen die Rede ist, das 2005 in Potsdam verübt wurde: In der Nacht zum 3. Juli sahen mehrere Berliner und Brandenburger Rechtsextremisten, die in der Straßenbahn unterwegs waren, einen ihnen bekannten Linken auf dem Bürgersteig. Was sich dann abspielte, schilderte Petersen so: Der Potsdamer Oliver K. zog die Notbremse, dann sprang die etwa 15-köpfige Meute heraus. Der junge Linke Tamas B. und sein Begleiter Christoph B. wurden umzingelt, dann schlugen und traten die Rechtsextremisten zu. Auf dem Kopf von Tamas B. zersplitterte eine halb volle Bierflasche. Das Opfer sank bewusstlos zu Boden. Der Angeklagte Oliver O. hat laut Petersen derart wuchtig zugetreten, dass der Kopf des Linken hin- und hergeschleudert wurde. Im Krankenhaus attestierten die Ärzte Tamas B. eine Gehirnerschütterung und mehrere Blutergüsse.

Die Rechtsextremisten attackierten dann, so die Anklage, Christoph B. mit Fausthieben und Tritten. Aus der Gruppe heraus sollen dem Opfer mindestens zwei Bierflaschen so kräftig ins Gesicht geschlagen worden sein, dass sie zerbrachen. Außerdem sei Christoph B. mit einer der abgebrochenen Flaschen ein Stoß in den Kopf nahe dem Hals versetzt worden. Christoph B., auch regungslos auf dem Boden liegend, erlitt mehrere Schnittwunden im Gesicht.

Die Staatsanwaltschaft wertet den doppelten Angriff als versuchten Mord. Die aus der Untersuchungshaft vorgeführten Angeklagten Oliver O., Michael G., Marcus Sch., Daniel K., Oliver K. und Marcell Sch., zwischen 22 und 32 Jahren alt, werden sich erst im neuen Jahr äußern. Dann beginnt auch der Prozess gegen fünf weitere mutmaßliche Mittäter.

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