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Brandenburg: Behörden bestreiten Reaktor-Risiken beim Hahn-Meitner-Institut RBB-Magazin „Klartext“ berichtet, dass Hülle des Forschungsreaktors nicht gegen Terrorangriffe gesichert ist

Potsdam / Berlin. Was tun, wenn nebenan ein Atomreaktor zerstört wird?

Von Sandra Dassler

Potsdam / Berlin. Was tun, wenn nebenan ein Atomreaktor zerstört wird? Die Einwohner der Potsdamer Ortsteile Stern, Sacrow und Berliner Vorstadt wissen Bescheid. Kürzlich erhielten sie vom Hahn-Meitner-Institut (HMI) in Berlin-Wannsee eine Notfallbroschüre, die ihnen erläutert, wie sie sich verhalten müssen, falls aus dem Forschungsreaktor des Instituts radioaktive Strahlung austritt. Empfohlen wird, Fenster abzudichten, Keller aufzusuchen und verseuchte Kleidung in Plastiktüten zu verstauen. Außerdem erfuhren die Einwohner im Umkreis von vier Kilometern, dass im Katastrophenfall vor ihren Haustüren Päckchen mit Tabletten abgelegt werden, die der Aufnahme des radioaktiven Jods durch den Körper entgegenwirken sollen.

Was auf den ersten Blick makaber anmutet, ist gesetzliche Vorgabe. „Wir müssen die Notfallbroschüre alle fünf Jahre aktualisieren“, sagt der Sprecher des Hahn-Meitner-Instituts, Thomas Robertson: „Das bedeutet nicht, dass es Hinweise auf eine Gefahr gibt. Aber die Sensibilität für solche Themen ist nach den Anschlägen von Madrid sehr hoch.“ Davon zeugt nach Robertsons Ansicht auch eine Sendung des RBB-Magazins „Klartext“ vom gestrigen Abend. Der RBB hatte schon vorab gemeldet, dass Experten wie der Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, Sebastian Pflugbeil, die sofortige Stilllegung des Reaktors fordern. Grund: „Im Fall eines Angriffs mit einem Passagierflugzeug besteht unmittelbar die Gefahr einer Kernschmelze und der Verseuchung der Umgebung, in der rund 200 000 Menschen wohnen.“ Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann, schloss sich den Stilllegungs-Forderungen gestern an.

Im brandenburgischen Umweltministerium kann das keiner nachvollziehen: „Das sind Diskussionen von vorgestern“, sagt Sprecher Jens-Uwe Schade: „Der Forschungsreaktor im HMI entspricht höchsten Sicherheitsstandards und arbeitet seit 30 Jahren störfrei. Aus unserer Sicht besteht keine Gefahr für die Bevölkerung.“ Der zuständige Abteilungsleiter in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Wolfgang Bergfelder, ist der gleichen Ansicht: „Der HMI-Reaktor hat eine Leistung von 10 Megawatt und ist technisch nicht mit einem Reaktor in einem Kernkraftwerk zu vergleichen, der über eine Leistung von 1300 Megawatt verfügt. Deshalb wurde über dem HMI-Reaktor auch keine Betonhülle errichtet, die Kernkraftwerke in erster Linie gegen Störfälle von innen abschirmen soll. Man hat bei der Inbetriebnahme Anfang der 70er Jahre natürlich die Möglichkeit erwogen, dass ein Flugzeug auf den Reaktor stürzen könnte. Aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. Und selbst wenn so etwas geschehen sollte, bliebe Zeit, um die wenigen Einwohner, die akut gefährdet wären, zu evakuieren.“ Bergfelder hält die Zahl von 200 000 Betroffenen für völlig überhöht. Auch der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Daniel Buchholz, sieht keinen Grund zur Panik: „Sollte es ein neues Gutachten geben, das eine unverhältnismäßige Erhöhung der Risiken feststellt, müsste das auch den Politikern vorgelegt werden. Davon ist mir nichts bekannt.“ Der Katastrophenschutzbeauftragte der Berliner Senatsverwaltung, Norbert Schmidt, hatte schon im Februar erklärt, angesichts der flachen Bauweise und der Lage des Instituts könne es als Ziel für Großflugzeuge ausgeschlossen werden. Dagegen hätten Selbstmordattentäter in kleinen Flugzeugen „eine, wenn auch kleine Chance“.

Mitarbeiter des Hahn-Meitner-Instituts äußerten sich in der RBB-Sendung nicht. „Wir hatten gehofft, dass das nicht gesendet wird“, sagt Sprecher Thomas Robertson: „Ich verstehe, dass man vermeintliche Sicherheitsrisiken thematisieren muss – aber irgendwie bringt man damit bestimmte Ziele erst ins Gespräch. Gerade Madrid hat doch gezeigt, dass Terroristen keine gut gesicherten und bewachten Objekte ins Visier nehmen müssen, um Angst und Schrecken zu verbreiten.“

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