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Brandenburg: Bereinigung des Lehrplans erinnert Kritiker an DDR Breite Empörung über Tilgung des Hinweises auf Genozid an Armeniern – doch Platzeck steht dazu

Potsdam - Dass aus dem Brandenburger Lehrplan ein Hinweis auf den Völkermord an den Armeniern entfernt worden ist, hat massive Kritik ausgelöst. Politiker von CDU, PDS, SPD, Grünen, FDP und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen forderten am Dienstag, diesen Schritt sofort rückgängig zu machen.

Potsdam - Dass aus dem Brandenburger Lehrplan ein Hinweis auf den Völkermord an den Armeniern entfernt worden ist, hat massive Kritik ausgelöst. Politiker von CDU, PDS, SPD, Grünen, FDP und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen forderten am Dienstag, diesen Schritt sofort rückgängig zu machen. Die Landesregierung lehnte dies jedoch ab. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) verteidigte die Entscheidung: Dass die Armenier – außer den Juden – im Lehrplan als einziges Beispiel für Völkermordopfer genannt wurden, sei der historischen Wahrheit nicht gerecht geworden, sagte Platzeck. „Wir hatten da eine Achillesferse.“

Auf die Frage, warum die Passage nicht um Beispiele wie den Mord an den Herero (durch die deutschen Kolonialtruppen in Namibia), den Tutsi (durch Hutu-Extremisten in Ruanda) oder den Kambodschanern (durch das Regime der Roten Khmer) ergänzt wurde, antwortete Platzeck: „Das wird sich die Landesregierung in den nächsten Monaten in aller Ruhe noch einmal anschauen – unabhängig von den tagesaktuellen Debatten.“

Der Hinweis auf den Völkermord an den Armeniern durch die Türken in den Jahren 1915/1916 war erst 2002 auf Initiative des damaligen Bildungsministers Steffen Reiche (SPD) in den Lehrplan für Geschichte aufgenommen worden. Seither hat die türkische Botschaft versucht, eine Rücknahme dieser – bundesweit einmaligen – Erwähnung durchzusetzen. So hatte der türkische Generalkonsul Aydin Durusoy sich nach unwiedersprochenen Berichten erst kürzlich in einem Schreiben an die Landesregierung gegen die Erwähnung dieses Genozids verwahrt und auf fremdenfeindliche Übergriffe gegen Türken in Brandenburg verwiesen. Vor allem Platzecks Staatskanzlei drängte das Bildungsministerium dann offenbar, die Passage aus dem Lehrplan zu streichen.

„Dieser Kotau vor der Türkei ist feige und pervers“, sagte Tilmann Zülch, Vorsitzender der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen. Der Genozid an den Armeniern eigne sich, um im Unterricht auch den Blick auf ethnische Säuberungen bis in die Gegenwart zu lenken. Zülch erinnerte daran, dass das Verbrechen der Türkei von den Parlamenten mehrerer Staaten offiziell verurteilt worden ist.

Die Brandenburger PDS nannte die Tilgung unverantwortlich. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sagte, er wolle sich innerhalb der Landesregierung Klarheit über die Hintergründe verschaffen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Deutsche die Hand reichen, um Völkermord zu verschweigen.“ CDU-Generalsekretär Sven Petke nannte den Eindruck „nicht hinnehmbar, dass der Lehrplan Geschichte für Brandenburgs Schüler in Ankara entsteht“. Als vorerst einziger SPD- Politiker äußerte sich auch der Bundestagsabgeordnete Markus Meckel – ebenfalls kritisch. „Das erinnert in erschreckender Weise an alte Zeiten im Osten Deutschlands, als politische und ideologische Positionen den Geschichtsunterricht bestimmten.“

Die türkische Botschaft nahm zu der Angelegenheit keine Stellung – ebenso wenig wie die armenische.

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