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Der Prozess um das Busunglück am Schönefelder Kreuz hat begonnen.

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Update

Busunglück am Schönefelder Kreuz: Autofahrerin bestreitet Schuld an Busunglück

Eineinhalb Jahre nach einem der schwersten Busunglücke in Deutschland steht eine 38-jährige Autofahrerin vor Gericht. Am ersten Prozesstag kam die Angeklagte, Beatrice D., ihre beiden Beifahrer und der polnische Busfahrer zu Wort.

Von Sandra Dassler

Weil der erste Zeuge, der polnische Reiseveranstalter, nicht vor dem Potsdamer Landgericht erschien, wurde die Zeugenaussage des Busfahrers vorgezogen. Der 41-jährige Grzegorz Jarosz schilderte seine Erinnerungen an den Unfall, bei dem sein Bus im September 2010 von der Fahrbahn abkam und gegen einen Brückenpfeiler raste. 14 der 49 Insassen starben, 37 wurden verletzt. Am Morgen wurde eine 38-jährige Frau vom Gericht verhört. Sie soll für den schweren Unfall verantwortlich sein, weil sie ihr Auto bei der Auffahrt auf den Berliner Ring auf nasser Fahrbahn zu stark beschleunigt und dabei die Kontrolle über das Fahrzeug verloren haben soll. Jarosz wollte ihrem Wagen einem Gutachten zufolge ausweichen.

Der polnische Busfahrer war vor dem Gerichtstermin sehr aufgeregt, sprach dann aber mit ruhiger Stimme und berichtete, dass er bei dem Unfall am Auge verletzt worden sei. Bis vor zwei Wochen konnte er seinen Beruf nicht weiter ausüben. Mehrere Operationen, unter anderem an einem Berliner Klinikum, und eine Spezialbrille sorgten dafür, dass er heute wieder fahren kann.

Sehen Sie hier, was sich damals am Schönefelder Kreuz ereignete:

Der 41-Jährige schilderte, wie er an jenem Sonntagmorgen auf der Autobahn unterwegs war und einen Mercedes bemerkte, der auf der Beschleunigungsspur der Autobahnauffahrt ins Schleudern geriet. Der Wagen sei auf seine Spur geraten und habe den Bus touchiert. Nach Jaroszs Aussage habe er versucht, dem Mercedes auszuweichen. Auch den Brückenpfeilern, die er auf der linken Seite bemerkte, habe er noch ausweichen wollen. Ob ihm das gelungen sei, könne er aber aufgrund einer Gedächtnislücke nicht mehr sagen. "Meine Erinnerung setzt erst wieder ein, als der Bus stand", sagte Jarosz. Er erzählte, wie er anschließend den Notruf gewählt habe und mit dem zweiten Busfahrer versucht habe, die Türen zu öffnen, um Verletzte zu bergen. Erst, als die Rettungskräfte eintrafen, habe er das ganze Ausmaß der Katastrophe und seine eigene Verletzung realisiert.

Der 38-jährigen Fahrerin des Mercedes, Beatrice D., wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Ganz in schwarz gekleidet, mit einer dunklen Sonnenbrille erschien sie am Freitagmorgen vor dem Potsdamer Landgericht. Erst als das Blitzlichtgewitter der Fotografen vorbei war und das Fotografieren im Gerichtssaal untersagt worden war, nahm die Frau ihre Brille ab und trug mehrere Stellungnahmen vor.

Die Angeklagte schilderte ihren beruflichen Werdegang und auch, wie sie selbst durch den Unfall psychisch und physisch verletzt wurde. Zweimal musste eine Pause eingelegt werden, weil die Angeklagte ihre Tränen nicht zurückhalten konnte. Ihr Verteidiger, Carsten R. Hoenig, hatte zuvor erklärt, seine Mandantin befinde sich seit dem Unfall in psychotherapeutischer Behandlung. Nur mit Hilfe ihrer Betreuer habe sie es geschafft, überhaupt am Prozess teilzunehmen. An den Unfallhergang kann sich die 38-Jährige Angestellte der Berliner Polizeiverwaltung nach eigenen Angaben nicht erinnern.

Sie schilderte, dass sie am Tag des Unfalls mit einer Freundin und einem Bekannten nach Polen fahren wollte, um Zigaretten zu kaufen. Ihre Erinnerung ende, als sie mit ihrer Freundin zu diesem Bekannten in Berlin gefahren sei. Klar wurde am ersten Prozesstag, dass der Angeklagten nach dem Unfall nicht die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Sie habe aber große Schwierigkeiten, sich im Straßenverkehr zu bewegen und meide Autobahnen, gab die Frau an.

Prozessbeobachter zeigten sich erstaunt darüber, dass die Angeklagte kein Wort des Bedauerns für die Opfer fand. Der Anwalt des Busfahrers Radoslaw Niecko sagte: "Für die Überlebenden und die Angehörigen der Toten wäre das sicher angemessen gewesen." Dafür schilderte die Angeklagte ausführlich ihre Traumatisierung nach dem Unfall. Sie hatte sich monatelang in stationärer Behandlung befunden, oft habe sie Suizidgedanken gehabt.

Für den Prozess sind fünf Tage angesetzt. Am heutigen Freitag sagten noch die beiden Beifahrer im Mercedes aus. Die Freundin der Angeklagten bestätigte dabei im Prinzip die Version des Busfahrers: "Der Wagen ist beim Beschleunigen ausgebrochen, wir sind ins Schleudern geraten und über die ganze Autobahn geschlittert". Der Halter des Mercedes behauptete hingegen, sein Auto habe mit dem Busunfall nichts zu tun. "Wir standen nach dem Schleudern mindestens zwei bis drei Minuten bis der Bus kam", sagte er. Er räumte allerdings ein, unter starken Medikamenten gestanden zu haben, deshalb sei auch Beatrice D. gefahren und nicht er. Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt.

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