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Berlin: 1. Mai: Der Polizeieinsatz beschäftigt jetzt die Gerichte

Freiheitsberaubung und Körperverletzung - mit diesen Vorwürfen sieht sich das Land Berlin einen Monat nach dem Polizeieinsatz am Mariannenplatz konfrontiert. Am Abend des 1.

Freiheitsberaubung und Körperverletzung - mit diesen Vorwürfen sieht sich das Land Berlin einen Monat nach dem Polizeieinsatz am Mariannenplatz konfrontiert. Am Abend des 1. Mai waren 366 Menschen eingekesselt und später zum großen Teil festgenommen worden. Darunter Festbesucher, Anwohner und Schaulustige. Bei rund 180 Menschen soll dies ohne ausreichende Begründung geschehen sein. So befand sich der Immobilienhändler Klaus Dieterich auf dem Heimweg, als er um 20.30 Uhr am Mariannenplatz von zwei Polizisten ergriffen wurde, die ihn zu dem 100 Meter entfernten Kessel bringen wollten. Dabei sei er gewürgt worden und in Panik ausgebrochen, berichtet er. Daraufhin hätten vier Beamte versucht, ihn zu überwältigen. Dabei sei er bewusstlos geworden und ins Urban-Krankenhaus gebracht worden. Keineswegs sei er zum Steinewerfen nach Kreuzberg gekommen, sagt Dieterich. Gemeinsam mit seinen Partnern kauft und saniert er Mietshäuser in Kreuzberg, Friedrichshain und Pankow. Für die Beratung von Kaufinteressenten ist der 1. Mai nicht unwesentlich, insbesondere was den Versicherungsschutz angeht, meint Dieterich, der jetzt gegen die Beamten klagen wird.

Zum Thema Online Spezial: Die Mai-Krawalle in Kreuzberg Bilder des Tages: Kundgebungen am Tag, Randale in der Nacht Auch Michael Schwandt hat Beschwerde beim Amtsgericht Tiergarten eingereicht. Der Pädagoge wohnt in der Nähe des Mariannenplatzes und hatte am Nachmittag das Fest besucht. Als die Veranstaltung gegen 20 Uhr geräumt wurde, sei er vor einer Polizeikette hergetrieben und anschließend eingekesselt worden. Ohne Angaben habe man die Eingekesselten mehrere Stunden warten lassen. Um zwei Uhr morgens wurde Schwandt, der den Beamten immer wieder zu erklären versuchte, dass er Anwohner sei und gern nach Hause wollte, ins Polizeipräsidium am Tempelhofer Damm abtransportiert. Dort ließ man die Festgesetzten weitere zwei Stunden in dem im Keller geparkten Auto warten. "Um vier Uhr setzte sich der Wagen schließlich wieder in Bewegung und fuhr zum U-Bahnhof Mehringdamm, wo man uns ohne Feststellung der Personalien laufen ließ", berichtet er. Zur Begründung hieß es lediglich, der Grund der Festsetzung sei entfallen. Die Stadt sei wieder ruhig. Rechtswidrige Festnahmen habe es am 1. Mai nicht gegeben, betont die Polizei: Es waren "Ingewahrsamnahmen zur Gefahrenabwehr". Das Fest sei nach dem ersten Einsatz gegen 18 Uhr beendet worden. Damit sei genug Zeit gewesen, sich zu entfernen.

Vielen Festgehaltenen stellt sich die Situation anders dar. "Offiziell wurde die Veranstaltung zu keinem Zeitpunkt beendet", erklärt Jürgen Horn, der auf dem Fest einen Stand der Zeitung "Junge Welt" betreute. Als sich die Situation aufheizte, packte Horn den Stand zusammen. Zu seinem Auto wurde er jedoch nicht gelassen, sondern mit der Begründung, er habe sich auf einer verbotenen Veranstaltung befunden, festgehalten. Gegen 1 Uhr wurde er zum Polizeipräsidium gebracht und zweieinhalb Stunden später ohne Feststellung der Personalien am U-Bahnhof Tempelhof entlassen.

Seine Mitgefangenen beschreibt Horn als "bunten Haufen": vom betrunkenen 60-Jährigen bis zum 14-Jährigen. "Offenbar hat die Polizei jeden festgehalten, der am Mariannenplatz war", sagt er. Auch Horn hat geklagt. Er fühlte sich seiner Freiheit beraubt. Außerdem sei der Polizeieinsatz ein Eingriff in das Versammlungsrecht gewesen. Wie das Gericht die Situation einschätzt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

Annekatrin Looss

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