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Berlin: 10 Jahre Berliner Umweltpolitik: Die Giftpyramide der VEB Kali-Chemie verhüllt nur eine Schutzfolie

Wenn Fahrradfahrer Norbert Rheinländer, seit 25 Jahren Umwelt-Aktivist, im winterlichen West-Berlin unterwegs war, bemerkte er auf den Autodächern oft einen merkwürdigen braunen Puder. Bei Ostwind machte sich zudem der süßlich-herbe Geruch verbrannter Braunkohle auf seiner Nasenschleimhaut bemerkbar.

Wenn Fahrradfahrer Norbert Rheinländer, seit 25 Jahren Umwelt-Aktivist, im winterlichen West-Berlin unterwegs war, bemerkte er auf den Autodächern oft einen merkwürdigen braunen Puder. Bei Ostwind machte sich zudem der süßlich-herbe Geruch verbrannter Braunkohle auf seiner Nasenschleimhaut bemerkbar. Reminiszenzen an den Berliner Wintersmog der 80er Jahre. Die entsprechende Verordnung wurde mangels Smog 1995 abgeschafft.

Dass Industrieschlote, Ofenheizungen und Trabi-Auspuffrohre nicht länger unschuldige Passanten vergiften, ist der deutschen Einheit und milliardenschweren Modernisierungsprogrammen zu danken. Vor 10 Jahren trat der Berliner Senat das Erbe von 40 Jahren DDR-Wirtschaft im Ostteil der Stadt an. Bald wurde klar, dass die SED-Wirtschaftslenker in einigen Stadtteilen ökologische Todeszonen hinterlassen hatten - auf nüchtern-amtsdeutsch heißen diese Flächen Altlasten.

Über 7900 "Verdachtsflächen" wurden nach dem Mauerfall ermittelt, vor allem auf Industriearealen in Köpenick, Treptow oder Schöneweide, auf denen mehr als 100 Jahre lang der Takt der Maschinen den Ton angegeben hatte. Bisher konnte nur ein Bruchteil dieser Flächen gesichert oder gar saniert werden. Es fehlt dem Land Berlin schlicht das Geld.

Der giftige Stachel bleibt ein Menetekel für die Zukunft

Die Bilanz der Zahlen macht deutlich, dass die Sanierung von Böden und Gewässern eine Aufgabe von Jahrzehnten ist. Das selbstgesteckte Ziel des sozialdemokratischen Umweltsenator Peter Strieder liegt bei 20 Jahren. Dabei geht es vorwiegend um die "Sicherung" von Flächen. Was das bedeutet, kann in Niederschöneweide, an der Mündung des Britzer Zweigkanals in die Spree begutachtet werden: eine 11 Meter hohe Pyramide, die todbringende Überreste des ehemaligen VEB Kali-Chemie in sich birgt: Arsen, Cyanid und diverse Schwermetalle. Da man solche Umweltgifte eigentlich gar nicht beseitigen, sondern nur in eine Sondermülldeponie umlagern kann, entschied man sich bei der Umweltverwaltung für eine simple Entschärfung des Problems: Folie drüber, damit das Regenwasser keine Stoffe ausschwemmen kann. Der giftige Stachel im Herzen der Stadt trocknet langsam aus, aber er bleibt ein Menetekel für die Zukunft.

Gegen die Belastung der Luft vorzugehen, war wesentlich einfacher. Viele "Dreckschleudern" wurden stillgelegt oder mit Hilfe von Fördermitteln modernisiert. Zwischen 1990 und 1997 sank der Ausstoß von Kohlendioxid immerhin um 17 Prozent. Senator Peter Strieder sieht denn auch überwiegend Erfolge in der Umweltpolitik der vergangenen Jahre - von der Asbestsanierung in Kitas und Schulen bis hin zum Abfallrecycling.

Hartmut Berger, Umweltexperte der Bündnisgrünen, vergleicht das in den vergangenen zehn Jahren Geleistete dagegen mit einem Wirbelsturm: Im Kern der Umweltpolitik herrscht Totenstille, dafür tobt sich das Orkantief Strieder in Randzonen aus, kümmert sich um saubere Bürgersteige, wohlschmeckende Luft und adrettes Straßengrün.

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