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Mercedes

© Daimler-Archiv

100 Jahre Mercedes in Berlin: Luxus und Limousine

Mercedes und Berlin, das gehört zusammen wie Silberpfeil und Avus. 1909 und 1913 eröffnete das Unternehmen seine ersten "Auto-Paläste" am Pariser Platz und Unter den Linden. Der Kraftwagen wurde salonfähig und Mercedes nicht nur zum Renommee-Gefährt der Prominenz.

Sie war jung, schön und kam im eleganten weißen Mercedes-Cabrio. So verdrehte die Schauspielerin Lilian Harvey als Unternehmertochter Lilian Cossmann den „Drei von der Tankstelle“ im gleichnamigen Film den Kopf. „Autofahren, Autofahren, ist die größte Schwäche jeder kleinen Frau“, sang sie 1930. Gedreht wurde der erfolgreiche Musikfilm in den Ufa-Studios Babelsberg und in Zehlendorf. Das Chanson des Ufa-Komponisten Werner Richard Heymann mit dem Titel „Halloh! Du süße Frau!“ wurde ein Hit, der Streifen ein Kassenschlager, und die Harvey galt fortan als „süßestes Mädel der Welt“. Schließlich heiratete sie im Film ihren Willy, alias Willy Fritsch, obwohl ihr auch die Schauspieler Heinz Rühmann und Oskar Karlweis an der Tanke den Hof machten – und Mercedes-Benz hatte die beste Promotion, die sich eine Firma wünschen konnte.

Zumal sich die damals 24 Jahre junge „Traumfrau des deutschen Kinos“ nach einer steilen Karriere auch privat sportliche Mercedes-Modelle leistete und darauf bestanden hatte, dass sie in ihrem eigenen Cabriolet vom Typ „Supersport“, kurz „SS“, an der legendären Filmtankstelle an der Ecke Potsdamer Chaussee/Lindenthaler Allee in Zehlendorf vorfuhr. Das förderte den Absatz der Daimler-Benz AG, und die Firma hatte das bitter nötig. Denn infolge der Weltwirtschaftskrise verkaufte man auch in Berlin weniger Autos. Erstmals wurde Mercedes wirtschaftlich ausgebremst – nach einer mehr als 20-jährigen Erfolgsgeschichte seit den Anfängen des Automobils.

BERLINS ERSTES AUTOMOBIL

So richtig in Fahrt gekommen waren die Geschäfte mit dem ersten firmeneigenen Verkaufssalon der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) an der Ecke Unter den Linden/Pariser Platz, der am 1. Januar 1909 eröffnet wurde. Dieses Datum markiert den Beginn der inzwischen 100-jährigen Niederlassungsgeschichte.

Doch auch zuvor waren die Autobauer mit dem silbernen Stern, den sie 1909 als Markenzeichen schützen ließen, ein aussichtsreiches Unternehmen. Damals blitzte der Dreizack allerdings nur für die 1890 von Gottlieb Daimler gegründete DMG. Die Firma „Benz & Co.“ von Carl Benz war noch der schärfste Konkurrent. Erst die Fusion beider Unternehmen 1926 zur Daimler-Benz AG beendete das Wettrennen.

Die ersten erfolgreichen Motorkutschen konstruierten Benz und Daimler 1886/87 in Mannheim und Stuttgart, 1898 wurde dann das erste Automobil in der Hauptstadt zugelassen – ein Daimler-Wagen mit dem Kennzeichen „IA-1“, die römische Eins stand für Preußen, das A für Berlin, gefolgt von der laufenden Nummer.

DIE TAUFE

Vier Jahre später festigte die in Cannstatt gegründete Daimler-Gesellschaft ihre Position in Berlin, indem sie in Marienfelde eine eigene Fahrzeugfabrikation in Gang brachte. Bis heute werden in diesem ältesten Mercedeswerk an der Daimlerstraße Motoren hergestellt. 1903 brachte man zudem den Verkauf in Schwung. Die „Mercedes-Palast GmbH“, ein Zusammenschluss von Händlern, eröffnete am Pariser Platz einen Autosalon und feierte zugleich ihre Namenspremiere. Der größte Handelspartner von Daimler, Emil Jellinek, hatte zuvor einen neuen Motorwagen nach seiner Tochter benannt: Mercedes. Die Autotaufe erwies sich als werbewirksam. Und Daimler ließ den Titel sofort patentieren.

Das Auto hatte seine Pionierjahre hinter sich, war aber noch immer ein Luxusobjekt für Begüterte, die mehr als 20 000 Reichsmark dafür ausgeben konnten, während ein Facharbeiter 200 Mark im Monat verdiente. 2700 Personenwagen, dazu 800 Busse und Laster, kurvten 1909 als Konkurrenz zum „Hafermotor“ der Droschken über die Berliner Straßen, seit zwei Jahren wurden Kfz-Steuern erhoben, es gab immer mehr Verkehrsunfälle, Führerschein- und Versicherungspflicht wurden eingeführt, Verkehrsregeln erlassen und die Stadtplanung im Hinblick auf künftige Straßen umgekrempelt.

ERSTE STRASSE NUR FÜR AUTOS

Der Kavalierstart des „selbstbeweglichen Gefährts“ war nicht zu stoppen, obwohl Kaiser Wilhelm II. noch 1902 gewettert hatte, er besteige „einen solchen Stinkkarren“ nicht. Zehntausende strömten seit 1908 zu den Automobil-Messen am Zoo, im kaiserlichen Fuhrpark wuchs die Zahl der Daimler-Wagen, zugleich wurde eine GmbH zur Förderung des Automobils gegründet: Sie baute ab 1913 die erste nur für Motorisierte zugelassene Straße von Charlottenburg nach Nikolassee – die „Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße“ und spätere Rennstrecke „Avus“, auf der Mercedes viele Siege errang.

PALAST UNTER DEN LINDEN

Im Gegensatz zur wachsenden Popularität des Autos waren allerdings die Bedingungen, unter denen man einen Daimler erwarb, ärgerlich. Denn damals bekam man in der Regel noch keinen startklaren Wagen, sondern nur das nackte Fahrgestell. Das Drumherum wurde danach aus Blech und Holz von Karosseriebaubetrieben angefertigt. Es dauerte also lange, bis man losfahren konnte. Hinzu kamen die hochgetriebenen Preise, weil sich wenige Großhändler den Vertrieb vertraglich gesichert hatten. Daimler durfte nur ein Fünftel der Produktion selbst verkaufen. Ab 1909 baute das Unternehmen deshalb schnellstens ein eigenes Vertriebsnetz auf mit repräsentativen Läden in der Mitte Berlins.

Dem ersten dieser Vorzeigesalons an der Ecke Unter den Linden / Pariser Platz folgte bald ein Projekt mit topmodernem Konzept: Der „Mercedes-Palast“ im dafür neugebauten „Mercedes-Haus“ Unter den Linden 26–30. Im Parterre des neoklassizistischen Prachtbaus konnte man ab 1913 zwischen griechischen Statuen „fertig karossierte“ Wagen bewundern. Motto: „Sehen, kaufen – fahren.“ Ein Kundenservice, der noch dazu als Erlebnis inszeniert wurde. Der Auto-Salon entwickelte sich zum Gesellschaftstreffpunkt mit Ausstellungen und Konzerten. Als Clou zog das exklusive Weinhaus Dressler ins verbleibende Erdgeschoss ein.

Auch Wilhelm II., inzwischen zum Daimler-Fan geworden, verkehrte hier häufig. Als das einstige Mercedes-Haus 2006/08 gemeinsam mit dem historischen Bankgebäude in der Nachbarschaft saniert wurde, bekam das Ensemble deshalb den Namen „Kaiserhöfe“. Inzwischen ist der Buchladen von „Berlin Story“ dort im Parterre eingezogen.

Bis 1926 unterhielt auch der Konkurrent „Benz & Co.“ Unter den Linden einen Autosalon, doch als beide Firmen in jenem Jahr fusionierten, suchte das Duo eine neue Zentrale mit mehr Platz. Man entschied sich 1927 fürs Salzufer am Landwehrkanal, wo Benz schon eine Niederlassung betrieb. Das Mercedes-Haus in Mitte wurde Anfang der Dreißiger aufgegeben, dafür gab es neue Salons am Ku’damm, aber auch wieder Unter den Linden. Ums Renommee musste man sich nicht sorgen. Am 11. Juli 1926 gewann Rudolf Caracciola auf der Avus mit einem Mercedes-Rennwagen den ersten Großen Preis von Deutschland.

Bald brachen die Geschäfte während der Wirtschaftskrise ein, in Marienfelde gab es Kurzarbeit – erst in der NS-Zeit wurden wieder mehr Autos verkauft, weil die Nazis die „Motorisierung“ vorantrieben. Zugleich feierten Mercedes-Rennfahrer auf der Avus weitere Triumphe: 1937 donnerte Hermann Lang in seinem legendären „Silberpfeil“ mit 400 Sachen „kraftvoll dem Sieg zu“, so ein Radioreporter.

DER STERN AM EUROPA-CENTER

Doch dem Aufschwung folgten die Kriegszerstörungen – und danach der Neubeginn „mit einem Treuebekenntnis von Daimler-Benz zu Berlin“, sagt der heutige Direktor der Mercedes-Niederlassung, Walter Müller. Das Salzufer wurde in den Fünfzigern wieder auf- und ausgebaut, während der Autoschau 1950 unterm Funkturm symbolisierten die neuen Modelle 170 S und 170 D das beginnende Wirtschaftswunder, sie waren die Stars im Schaufenster zum Osten. Vier Jahre nach dem Mauerbau ließ Daimler-Benz auf dem Europa-Center den bis heute mit zehn Metern Durchmesser weltweit größten Mercedes-Stern montieren.

Nach der Wende engagierte sich der Konzern nicht nur im Auto-, sondern auch im Städtebau. Daimler-Benz erwarb den südlichen Teil des Potsdamer Platzes, beauftragte Stararchitekten, die Brache zwischen dem West- und Ostteil neu zu gestalten – und feierte 1993 den ersten Spatenstich an „Europas größter Baustelle“. 1997/98 war das neue Stadtquartier fertiggestellt, aber Mercedes gönnte sich keine Pause. Am Salzufer begann man den Bau einer gewaltigen Stahl- und Glaskonstruktion: die neue „Mercedes-Welt“.

Wie einst der Mercedes-Palast Unter den Linden ist auch der neue Glaspalast zugleich Caféhaus und Gesellschaftstreff. Als Hommage an Hildegard Knef gibt es dort ein 300 SEL-Modell. Die Knef war, wie Lilian Harvey, Mercedes-Fan. Als sie 1968 in 44 Tagen 38 Konzerte gab, fuhr sie in ihrem 300 SEL zu allen Auftritten.

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