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Berlin: 100 Luftballons erinnern an die verschwundenen Kinder

Die Kripo fahndet ständig nach Minderjährigen. Dienstag ist Tag der Vermissten

In den Schulferien des Sommers 1993 packt der damals zwölfjährige Manuel Schadwald seinen Rucksack mit der Aufschrift „Miami Vice“. Der Junge aus Tempelhof wollte mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Freizeit- und Erholungszentrum Wuhlheide fahren. Dort spielte er häufig an Computern. Er kam dort nie an. Manuel Schadwald ist bis heute verschwunden.

Der Verein „Elterninitiative Vermisste Kinder“ nimmt den kommenden Dienstag, dem „Tag der vermissten Kinder“, zum Anlass, auf dieses und andere Schicksale aufmerksam zu machen. Bundesweit stellen Vereinsmitglieder Info-Stände zu diesem Thema auf, in Berlin von 15 bis 18 Uhr am Potsdamer Platz. 100 Luftballons mit Kärtchen von vermissten Kindern und Jugendlichen sollen in den Berliner Himmel steigen. „Wir bieten betroffenen Eltern und anderen Menschen Hilfe, verteilen Broschüren zum Thema und stellen Kontakte zu anderen Betroffenen her. Oder aber wir vermitteln Ansprechpartner in Ämtern und Behörden, wenn es um Fälle von Kindesentzug durch ein Elternteil geht“, sagt Monika Bruhns vom Verein „Elterninitiative vermisste Kinder“. Der 25. Mai wurde deshalb zum Gedenktag gewählt, weil an diesem Tag im Jahr 1989 der damals sechsjährige Etan Platz in New York verschwunden ist. Die amerikanischen Behörden starteten eine große Suchaktion, doch auch dieser Fall konnte bislang nicht aufgeklärt werden.

Die „Elterninitiative vermisster Kinder“ mit Hauptsitz in Hamburg kümmert sich auch um die Familie von Sandra Wißmann aus Kreuzberg. Die damals 12-Jährige ist seit dem 28. November 2000 verschwunden. Sie hatte sich zuvor noch von ihrer Mutter verabschiedet, weil sie alleine ein Geburtstagsgeschenk für sie kaufen wollte. Das war das letzte Mal, dass Sandras Mutter sie gesehen hat. Die Mordkommission geht von einem Kapitalverbrechen aus. Zeugen sollen beobachtet haben, wie das Mädchen von einem Mann in Handwerkerkleidung angesprochen worden ist.

Wird ein Kind oder ein Jugendlicher vermisst, müsse innerhalb der Ermittlungen bald eine „Weiche gestellt“ werden, sagt der zuständige Kommissariatsleiter beim Landeskriminalamtes, Matthias Tkotsch. Das heißt: Entweder geht die Polizei von einem Unglücksfall aus oder von einer Straftat.

Jeder Fall werde „individuell behandelt“, sagt Tkotsch. Bei Sandra Wißmann sei aufgrund der Aussagen von Beginn an klar gewesen, dass sie wahrscheinlich Opfer eines Verbrechens geworden ist. Doch es gibt auch andere Fälle. So wie bei dem damals zwölfjährigen Samir Beganovic: Er verließ am 12. Februar 1994 gegen 22 Uhr die Wohnung seiner Eltern in Wilmersdorf. Doch hier vermutet die Polizei, dass der Junge mittlerweile unter anderen Personalien lebt. Der Junge wird als „Ausreißer“ eingestuft. Er soll nach seinem Verschwinden von Zeugen in Neukölln gesehen worden sein. Ähnlich sieht es in einem aktuelleren Fall aus. Seit dem 8. September 2003 wird die damals 13-jährige Jurema de Andrade Seabra aus einem Kinderheim in Wilmersdorf vermisst. „Hier gehen wir nach unseren Ermittlungen davon aus, dass das Mädchen sich unter anderem Namen bei Verwandten aufhält“, sagt Tkotsch. Allerdings habe das niemand der Polizei gemeldet. Der Grund: „Oftmals halten sich diese Verwandten oder Bekannten illegal in Deutschland auf“, erklärt der Kommissariatsleiter.

Die Erfahrung der Polizei zeigt: In 99 Prozent der Vermisstenfälle verschwinden Kinder oder Jugendliche freiwillig. Die Gründe sind vielfältig. „Liebeskummer, Streit mit den Eltern, psychische Probleme“, nennt Tkotsch. Die meisten kehren glücklicherweise bald wieder zurück, sagt er.

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