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© Uwe Steinert

115: Heiße Nummer gegen Behördenkummer

Seit 115 Tagen ist die Behörden-Hotline "115" geschaltet. Erste Bilanz: Die Anrufer sind zufrieden – weil sie mit echten Menschen sprechen.

Blubelubelub. Ein gedämpfter Klingelton zeigt an, dass wieder jemand stirnrunzelnd im Verwaltungsdickicht herumirrt. Es ist Frau Müller aus Tempelhof. Dagmar Wehlert, Verwaltungsfachangestellte, drückt auf die Enter-Taste, und los geht’s: „Meine Tante ist 89 und gehbehindert und braucht jetzt einen neuen Personalausweis. Kann das nicht der Kob, der Kontaktbereichsbeamte, für uns erledigen?“ Gute Frage. Eine, die Dagmar Wehler „vom D-115 Service-Center“ sofort beantworten kann.

115, das ist seit 115 Tagen die zentrale Behördennummer, zuständig für (fast) alle Fragen, die sich so stellen, wenn man in Berlin lebt und ein Anliegen hat. Die Nummer wird in verschiedenen Pilotregionen der Republik zwei Jahre lang getestet. Ab 2014 soll sie dann bundesweit gültig sein.

Die erste Bilanz fällt positiv aus. „80 Prozent der Anfragen konnten im Service-Center direkt beantwortet werden“, sagt Konrad Kandziora, Vorstand des IT-Dienstleistungszentrums des Landes (ITDZ). Bei ihm ist die Berliner 115 zu Hause. 20 Mitarbeiter aus dem zentralen Callcenter der Senats- und Bezirksverwaltungen beantworten Fragen zu allen Verwaltungsthemen, von der Heiratsurkunde bis zur Hundesteuer.

Joachim Wolff, Rentner, hat heute Morgen vergessen, sein Gartentor aufzuschließen. Die BSR konnte die Mülltonne nicht abholen. Wolff ruft die 115 an, ist froh, dass nicht besetzt ist und keine Maschine mit ihm spricht, sondern ein Mensch. Dagmar Wehlert – blonde Haare, grüner Pulli, sanfte Stimme – vermittelt ihm einen Kontakt zur Stadtreinigung.

Die Top-Themen der Hotline: Der Pass ist abgelaufen, der Führerschein ist weg oder eine Ummeldung steht an. Spaßanfragen gebe es kaum noch, sagt Wehlert. Die Servicenummer war mit dem Slogan „Wir lieben Fragen“ beworben worden, das wollten einige genauer untersuchen: „Ich möchte heiraten. Wo kriege ich jetzt eine Frau her?“ Eine Dame fragte, ob sie Lebensmittel aus dem Gefrierfach, die angetaut sind, wieder einfrieren dürfe.

Anfangs gingen pro Tag bis zu 4000 Anrufe auf der 115 ein, inzwischen hat sich die Zahl auf 500 bis 1000 eingepegelt. „Das Arbeiten ist relaxed“, sagt Wehlert. Morgens um 8 rufen viele an, nach dem Mittagessen gibt es eine größere Welle und dann wieder nach 16 Uhr. Die meisten Anrufer verbringen laut ITDZ maximal 30 Sekunden in der Warteschleife.

Dagmar Wehlert findet, dass die 115-Anrufer im Durchschnitt netter sind als die normalen Kunden in der zentralen Telefonvermittlung. „Es gibt keine Stinkstiefel“, also Leute, die einfach mal ihren aufgestauten Behördenfrust loswerden möchten. Deshalb arbeitet sie gerne als 115-Expertin. Über alle Sachgebiete Auskunft geben zu können, erfüllt sie durchaus mit Stolz.

Ärgerlich ist allerdings, dass einige Service-Hotlines von Computer- und Mobilfunkfirmen offenbar mit der Zahlenreihe 115 beginnen. Im Service-Center laufen deshalb immer wieder Fragen nach einer neuen SIM-Karte auf.

Bislang nehmen die üblichen Behördenanrufe im Callcenter des Landes noch nicht ab. Etwa 20 000 Mal am Tag werden die zentralen Nummern der Bezirks- und Senatsverwaltungen angewählt. Künftig soll die 115 den Sachbearbeitern in den Verwaltungen aber die typischen Routineanfragen nach Formularen und Sprechzeiten vom Hals halten. IT-Experte Kandziora stellt sich das Prozedere in einigen Jahren so vor, dass der 115-Fragesteller zusätzlich zur Antwort einen Link zugeschickt bekommt, wo er im Internet einen Antrag ausfüllen kann. Das geht bislang noch nicht. Was schon funktioniert, ist das „E-Appointment“ im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Wer die 115 anruft, kann einen Termin mit einem Sachbearbeiter des Bezirksamts ausmachen.

Die 115 ist täglich von 8 bis 18 Uhr erreichbar. Auch schwierige Fragen sind willkommen, verspricht Dagmar Wehlert. „Wenn es sein muss, recherchieren wir und rufen dann zurück.“ Tipps, wo das beste Restaurant oder der beste Schönheitschirurg zu finden ist, kann sie zwar nicht geben, aber sie weiß, dass bei der Erstellung eines „biometrischen Passbilds“ für den neuen Ausweis auf keinen Fall gelächelt werden darf.

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