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Berlin: 12 500 Mark für einen Stapel Honecker-Akten

Erich Honecker hätte einen trefflichen Mediziner abgegeben, zumindest was seine Handschrift anbelangt. Kaum lesbar ist das Gekritzel, mit dem der ehemalige Staatschef die Akten versehen hat.

Erich Honecker hätte einen trefflichen Mediziner abgegeben, zumindest was seine Handschrift anbelangt. Kaum lesbar ist das Gekritzel, mit dem der ehemalige Staatschef die Akten versehen hat. Mit einem Filzstift schrieb er seine wütenden Kommentare während des "Politbüro-Prozesses" an den Rand. Beispielsweise neben einen Absatz, der sich mit Honeckers Benehmen im Gefängnis befasst: "Zu entnehmen ist, dass er nicht besonders aktiv war und sich wenig mit Mitgefangenen solidarisierte", steht da - und daneben: "Frechheit". Drei Absätze tiefer dann: "Hab ich nicht geschrieben!"

Gestern Nachmittag standen die sieben Ordner mit den persönlichen Prozessakten Honeckers zum Verkauf. Da war die Antiquariatsmesse "liber Berlin" zunächst nur für ein paar Ausgewählte zugänglich. Um 18 Uhr öffneten sich die Türen auch für das Publikum. Um 18.01 Uhr war der Aktenstapel verkauft, ganz so, wie es Antiquar Bernhard Blanke erwartet hatte. Die Echtheit der Einträge hätten ihm bereits mehrere Wissenschaftler bestätigt. Die Akte mit der Klageschrift gegen Honecker, Mielke und andere Politbüro-Mitglieder sei dem früheren Parteichef der SED nach Moskau geschickt worden. Dort hatte Honecker in der chilenischen Botschaft Asyl bekommen.

Honeckers Jagdwaffen wurden bereits vor einigen Jahren bei einer Waffenbörse zum Verkauf angeboten. Nun galten seine Akten als ein Höhepunkt der "liber Berlin". Die Ordner hat Blanke nach eigenen Angaben von einem Zwischenhändler in Berlin im vergangenen Jahr erworben. "Von wem, verrate ich aber nicht." 12 500 Mark hat er für den Papierstoß verlangt und prompt bekommen. Von einem Privatmann, der sich als "Honecker-Fan" bezeichnet - und die Akten in wenigen Monaten doch wieder weiterverkaufen will. Dann allerdings in einer Versteigerung.

Die Verkaufsmesse im Ludwig Erhard Haus zieht vor allem Experten, Händler und Sammler an. Schmökern können hier aber auch Laien. In großen Atlanten mit Ledereinband und vergilbten Seiten. In den Büchern von Wisssenschaftlern, die der Welt von ihren Expeditionen berichteten. Über Botanik, Vogelwelt und Sitten anderer Länder. In Büchern, Graphiken, Handschriften, Holzschnittbüchern. Die wirklichen Raritäten lagern in Vitrinen. "Bei bestimmten Büchern ist man etwas eigen", sagt Werner Greve, der an seinem Stand musische Werke bietet. Eine Taufordnung mit Noten von 1520 ist sein ältestes Werk.

Das wertvollste Stück der Messe ist eine "Cosmographia" von Ptolemäus aus dem Jahre 1482 (für 1 850 000 Mark). Laut Veranstalter kann auf einer der drei Etagen auch "der erste Weltatlas überhaupt" bewundert werden, 160 vor Christus vollendet und bis 16. Jahrhundert das maßgebliche Kartenwerk. Zwischen den Chroniken und Atlanten ist auch Kurioses zu finden. Wie das "New Kochbuch für die Krancken" (für 13 500 Mark), das "Zuckercandit", "Kürbisfrüchte" und "Süßholzsafft" zur Heilung empfiehlt. Interessant auch das Werk "Wie man sich nach einem verdächtigen Beischlafe zu verhalten hat" von 1792 (für 980 Mark). Oder die "Abhandlung von BarbierMessern...", die als deutsche Erstausgabe angeboten wird (für 1150 Mark).

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