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1. Amtsgerichtsplatz

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13 Berliner Kiez-Zentren: Unser Platz soll schöner werden

Sie sollten Ruhezonen sein, Versammlungspunkte, Zentren für ihren Kiez und seine Menschen. Doch viele Plätze sind in miesem Zustand. 13 Orte, an denen sich Berlin neu erfinden könnte - mit einem Aufruf an Leser und Architekten.

1. Amtsgerichtsplatz

60 Schritte im Quadrat gefüllt mit Rasen, einem Dutzend Bäumen und je nach Jahreszeit ein paar Blumen: Das ist der Amtsgerichtsplatz in Charlottenburg. Dazu ein Trampelpfad, der den Haupteingang des Amtsgerichts mit der Bushaltestelle an der Kantstraße verbindet, ein paar halbzerstörte Sitzbänke, Hundekot, Brennnesseln und ein grün gestrichener Minizaun.

Wer jetzt den Eindruck gewonnen hat, dass am Amtsgerichtsplatz ein paar Ideen eines Landschaftsarchitekten sowie die ordnende Hand des Grünflächenamtes fehlen, könnte recht haben. Zunächst mal müsste das Ordnungsamt her und seine uniformierten Knöllchenschreiber auf Zack bringen. Die entspannen nämlich viel lieber beim Lauern auf Falschparker in der nahen Suarezstraße als beim Auffinden von schludrigen Hundebesitzern, die hinter ihren Tieren nichts wegräumen, sondern alles dem Amtsgerichtsrasen zumuten.

Man kann sich jetzt fragen: Wozu die Mühe für 60 Schritte im Quadrat? Weil hinter den Bäumen die märkisch-barocke Fassade des 114-jährigen Amtsgerichts bewundert werden will. Weil es eine Bronzeskulptur gibt, die an das Vernichtungslager Treblinka erinnert und die man mitsamt ihrer Erinnerungstafel übersieht, wenn man nur vorüberhastet. Weil es am Amtsgerichtsplatz Kneipen und Cafés gibt und sogar ein anmutiges, denkmalgeschütztes Holzhäuschen, das seit 1905 als Bedürfnisanstalt fungierte, aber längst ein ganz reizendes Bistro mit nordafrikanischer Küche geworden ist. Weil der Amtsgerichtsplatz das Eingangstor zur entzückenden Leonhardtstraße ist, die man nicht mit schlechter Laune und Hundekot am Fuß betreten will. Susanne Vieth-Entus

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Stuttgarter Platz
Stuttgarter Platz

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2. Stuttgarter Platz

Kurt-Schumacher-Platz
Kurt-Schumacher-Platz

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Ist der Stutti überhaupt zu verschönern? Und was, by the way, ist der Stutti genau? Es gibt zwei Stuttis, den guten und den bösen.

Der gute Stutti ist ein echter kleiner Platz, der wird begrenzt von der S-Bahn, der Windscheidstraße im Osten, der Rönnestraße im Westen und der Leonhardtstraße im Nordwesten. Er hat Ausblick auf die vorbeiziehenden Bahnen, ist also urban. Er hat einen Spielplatz und eine Gaslaterne, er hat viel Grün, inklusive eines Laubengangs, er hat eine Bausubstanz aus der Gründerzeit, er ist also auch kiezig. Und weil er viele Cafés hat, ist er auch weltläufig, ein bisschen Paris, New York, was man will. Der Stutti ist ein wunderschöner Platz, eine metropolitane Dorf-Idylle.

Der böse Stutti ist eine Straße, die Stuttgarter Platz heißt. Sie verläuft zwischen der Wilmersdorfer Straße und der Windscheidstraße. Um diesen Teil zu verschönern, oh weh, wo will man da anfangen? Jetzt wurden unterhalb der Zugtrasse zwei kleine Parks angelegt. Sie sind noch ein wenig licht, und wenn sie dichter sind, wird man sehen, ob sie nicht zum Erholungsort der Junkie-Szene von jenseits der Bahntrasse werden.

Auf der anderen Straßen-/Platzseite:Ein bisschen Rotlicht sowie alle Bausünden der Sechziger- und Siebzigerjahre. Hilft da nur abreißen? Dann würden vielleicht auch die hässlichen Import-Export-Läden verschwinden und das Waffengeschäft, an dessen Fensterscheibe sich die jungen Testosteronisten die Nase platt drücken. Die Gebäude einfach abzureißen, geht natürlich nicht. Schließlich wohnen da Menschen drin. Helmut Schümann

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Bayerischer Platz
Bayerischer Platz

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3. Kurt-Schumacher-Platz

Nollendorfplatz
Nollendorfplatz

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Wenn die Berliner Politik zwei große sozialdemokratische Politiker, die ehemaligen Parteivorsitzenden Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer, mit Verachtung strafen wollte – sie könnte es nicht deutlicher zeigen als durch die Geringschätzung, die sie dem nach Schumacher benannten Platz in Reinickendorf und der aus Richtung Norden in ihn einmündenden Ollenhauerstraße angedeihen lässt.

Vermutlich, weil die Bundesstraße 96 bereits in Wittenau Richtung Wedding abknickt, kümmert sich der Bund nicht mehr um die Verkehrsströme, die sich zum Kurt-Schumacher-Platz ergießen. Die richten sich eben nicht nach dem Bundesstraßenschild, sondern nach der Logik der kurzen Wege. Die führt die aus Oranienburg, Birkenwerder und dem Norden Berlins kommenden Autofahrer direkt auf den vor sich hin gammelnden Platz und über ihn hinaus Richtung Autobahn oder Zentrum.

Dieser Platz ist heute eine unübersichtliche, durch Dauerbaustellen verengte und schlecht geregelte Riesenkreuzung – so proper wie auf dem Foto sieht er leider nur selten aus. Aber man könnte was draus machen. Vielleicht ist die Schließung des Flughafens Tegel im Juni 2012 ein günstiger Zeitpunkt dafür. Dann wird das ganze Viertel, weil endlich fluglärmfrei, gewaltig aufgewertet. Viele Menschen kommen dort weiter hin, sie kommen ja auch jetzt schon, trotz, nicht wegen des Flughafens. Die Gegend könnte zum Einkaufen und zum Verweilen einladen. Ein Parkhaus und ein Einkaufscenter sind schon da. Dem Bezirk Reinickendorf sollte an einer substantiellen Verbesserung doch sehr gelegen sein... Gerd Appenzeller

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Platz am Nordbahnhof
Platz am Nordbahnhof

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4. Bayerischer Platz

Petriplatz
Petriplatz

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Neuerdings ist der U-Bahnhof Bayerischer Platz der Schöneberger Linie 4 mit historischen Großfotos geschmückt – gute Idee angesichts des müden Zehn-Minuten-Taktes auf der von der BVG ungeliebten Linie U4. Ungeliebt ist auch der Platz selbst. Ein paar hundert Meter weiter prunkt der Viktoria-Luise-Platz im restaurierten Kleid der Jahrhundertwende. Er wird gehegt und gepflegt, ist ein rechtes Schmuckstück und wird entsprechend frequentiert. Nicht so der Bayerische. Auch er war einst schön. Die Fotos im U-Bahnhof zeigen ihn inmitten der damaligen, stilvollen Neubauten im gemäßigten Klassizismus der Jahre nach 1900, mit Springbrunnen am südlichen Ende (wo heute die Grunewaldstraße drübergelegt ist, damit die Autos keine Kurven um den Platz fahren müssen) und von Pfeilerarkaden umstandenen U-Bahn-Zugängen. Und Blumenrabatten und geharkten Wegen sowieso. Doch im Rausch des Nachkriegs-Wiederaufbaus der 60er Jahre wurde der Platz simplifiziert, seiner Schmuckelemente beraubt, mit einem gefliesten Wassergraben abgespeist – und ansonsten seinen heutigen Hauptnutzern, den trinkfreudigen Bewohnern naher Wohnheime überlassen. Ab und an wird ein Baum gefällt und nicht etwa ersetzt, da sei das Grünflächenamt vor, dessen Betreuung sich weitgehend im Schutz parkender Fahrzeuge vor fallenden Zweigen erschöpft. Kurz, es ist ein Jammer. Dem Bayerischen Viertel fehlt die Mitte. Es ist ein wenig überaltert, ein wenig verschlafen. Ihm fehlt der Biss, der nötig wäre, sich gegen bezirksamtliche Vernachlässigung zu wehren. Ein Juwel schlummert unter dem pflegeleichten Rasen. Zeit zum Aufwecken! Bernhard Schulz

Lesen Sie auf Seite 5: Nollendorfplatz

Eine Straßenbahn der Linie M1 fährt über den Pastor-Niemöller-Platz.
M1 auf dem Pastor-Niemöller-Platz.

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5. Nollendorfplatz

Platz am Alexa
Platz am Alexa

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Über allem thront das große U der U-Bahn, doch der Nollendorfplatz huldigt dem Auto. Fußgänger sind unerwünscht. Dass für dieses Straßengewirr, das sich Platz nennt, einst Lenné’sche Planungen maßgeblich waren, ist nicht zu fassen. Grün gibt es, wenn überhaupt, nur umrandet von knie- bis hüfthohem Beton. Die wenigen Bäume: eingebunkert in mausgraue Tröge. Die Rabatten: ein ummauertes, durch Zäune zerrissenes Gestrüpp.

Als zusammenhängender Stadtraum wahrnehmbar ist am ehesten die Fläche vor dem alten, aber immer noch imposanten Theater – einst Spielort Piscators, dann im Zweiklang von „Metropol“ und „Loft“ immerhin noch glaubwürdige Pop-Location, heute nur noch Abspulstätte für Gelegenheitsevents. Dieser Stadtraum ist: ein

Parkplatz. Hier könnte ein Landschaftsarchitekt ansetzen, die Autos vertreiben und die Fläche begrünen. Parkgelegenheiten gibt es ein paar Meter weiter, am Winterfeldtplatz, wirklich genug.

Mitleid muss mit der Raserkundschaft hier ohnehin niemand haben. Bülow- und Kleiststraße sind Rennstrecken. Und aus der Einemstraße brettern sie ohne Rücksicht auf Verluste in die Maaßenstraße, in der angeblich Tempo 30 gilt. Fußgängern aber, die aus der Einem- in die Maaßenstraße wollen, ist der direkte Weg versperrt.

Nehmen Sie gefälligst den Umweg durch den Bahnhof! In der Maaßenstraße kabbeln sich Radfahrer und Flaneure um den Streifen, den Pizzabuden, Kneipen und Shisha- Bars übrig lassen. In ein Konzept für den Nollendorfplatz wäre die Maaßenstraße dringend einzubeziehen – am besten als Fußgängerzone. Markus Hesselmann

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Hermannplatz
Hermannplatz

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6. Platz am Nordbahnhof

Platz der Vereinten Nationen
Platz der Vereinten Nationen

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Fußgängerampel oder Zebrastreifen gibt es nicht, dafür umso mehr Autos, Busse, Straßenbahnen und Fahrräder, das ist die erste Hürde. Die zweite ist der Bürgersteig. Er ist so hoch, dass man sich fragt, ob man lieber noch schnell bei einem Alpinisten Ausrüstung leihen und sich anseilen sollte, bevor man ihn erklimmt. Ist man dann oben, muss man über einen kleinen Pfad gehen, der von Gestrüpp und Brennnesselpflanzen überwuchert wird.

Aber wenn eine Frau wie Desiree Nick das Dschungelcamp überlebt hat, dann wird man so ein paar Schwierigkeiten doch auf sich nehmen, um an einen schönen Ort zu gelangen, nicht wahr? Wenn er die Mühe wert wäre. Der Platz am Nordbahnhof zwischen Invalidenstraße und Romantikerkiez ist es nicht. Wie schlimm es um ihn steht, zeigt, dass er nicht einmal einen richtigen Namen hat, damit hat jeder Hund in dieser Stadt ihm etwas voraus. Weil in der Mitte eine riesige Plansche ist, sprechen freundliche Menschen vom Plansche-Park, aber das klingt erheblich schöner als es ist: Der Platz ist zwar groß, aber überhaupt nicht gestaltet, es sei denn, dem Abfall auf dem Boden liegt irgendein Farbkonzept zugrunde. Was die Plansche angeht: Zum einen passt sie nicht in eine Zeit, in der schon Kinder den korrekten Umgang mit der knappen Ressource Wasser lernen sollten. Zum anderen wird es in Berlin alle Jahre wieder bitterkalter Winter. Und in dieser Zeit ist so eine Plansche nichts anderes als eine spiegelglatte Fläche, die nur zu Knochenbrüchen taugt. Also weg mit der Plansche und her mit einem kleinen Spielplatz mit Pumpen und einem Zebrastreifen, damit man auch sicher ankommt. Verena Friederike Hasel

Lesen Sie auf Seite 7: Petriplatz

Antonplatz
Antonplatz

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7. Petriplatz

Don-Ugoletti-Platz
Don-Ugoletti-Platz

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Aus dem kollektiven Gedächtnis der Stadt war er fast schon ausgelöscht, der Petriplatz – doch mit Archäologen und Ausgrabungen kam die Erinnerung zurück, an die Geschichte dieses Ortes und die Geburtsstunde Berlins. Der Petriplatz war der „Marktplatz“ des mittelalterlichen Cölln, die eine Hälfte der Doppelstadt Berlin- Cölln. Der älteste Teil der Stadt? Der Streit darüber, ob das nicht eher das Nikolaiviertel ist, trugen Schüler der beiden Teilstädte schon vor Jahrhunderten handgreiflich aus. Und er hält bis heute an. Archäologen entdeckten am Petriplatz einen Holzbalken und datierten ihn auf das Jahr 1212 (plusminus 10 Jahre), erst 1244 wird Berlin erstmals urkundlich genannt, es ist also die älteste Spur der Stadt – bis zur nächsten Ausgrabung. Heute liegt der Petriplatz brach, vom tosenden Verkehr der Gertraudenstraße umspült. Und er ist ein Versprechen: Ein archäologisches Zentrum soll über den Grundmauern der dort ausgegrabenen Lateinschule entstehen, die evangelische Petri-Marien-Gemeinde will ein Gotteshaus für Christen, Juden und Muslime bauen. Das frühere Warenhaus Hertzog wird saniert, das einzige christliche Kaufhaus seiner Zeit. Auch die Ratswaage wird rekonstruiert. Auf die steuerten Händler ihre Fuhrwagen vor und nach Abschluss ihrer Geschäfte. Das so ermittelte Gewicht der Waren war Grundlage für deren Besteuerung. So könnte der Petriplatz zur ersten Anlaufstelle für Flaneure werden, die im Archäologischen Zentrum das Rüstzeug erhalten für Streifzüge durch das alte Berlin: über das Nikolaiviertel zum Marienviertel, am gotischen Rathaus vorbei, zum Schloss. Ralf Schönball

Lesen Sie auf Seite 8: Pastor-Niemöller-Platz

8. Pastor-Niemöller-Platz

Leben gibt es auf dem Pastor-Niemöller Platz in Pankow-Niederschönhausen eigentlich nur am Rande. Dort wo Grabbeallee, Hermann-Hesse-Straße und Friedrich-Engels-Straße aufeinandertreffen, ist eigentlich nichts. Auf dem Platz selbst stehen ein paar wuchtige Bäume, eine nahezu brachliegende Grünfläche, die von der Tramlinie M1 durchschnitten wird. Keine Parkbänke, keine Verweilmöglichkeit. Ihn zu betreten ist schon Herausforderung genug. Von der östlichen Seite, wo tausende Autos die Burenstraße 96a als Ein- und Ausfall Straße nutzen, ist es gar nicht möglich. Es macht auch keinen Sinn. Der Platz lebt nur am Rand – wenn überhaupt: Dort, wo ein paar Geschäfte auf Kunden warten, die eine Kneipe sehr früh morgens, die andere erst am späten Nachmittag öffnet und meistens weit vor Mitternacht schon wieder schließt.

Eine ehemalige Bankfiliale steht seit Monaten leer und zum Verkauf, Wohnungen suchen neue Mieter oder Käufer. Seit kurzem verkauft jemand in einem sehr kleinen Laden sehr schöne, gebrauchte Lampen. Ein Lichtblick, im doppelten Wortsinn. Es gibt am Pastor-Niemöller-Platz, wenn man es mal euphemistisch beschreiben möchte, noch jede Menge Entwicklungsmöglichkeiten nach oben. Und: Es wird unausweichlich so kommen. Aus dem überlaufenden Prenzlauer Berg schwappen schon heute immer mehr Menschen Richtung Norden. Sie finden dort preiswerten Wohnraum in wunderschön sanierten Häusern, Ruhe, Kiezleben, eine gute Anbindung ans Zentrum, alles, was man braucht. Berliner und die, die es werden wollen: Kommt nach Pankow-Niederschönhausen! Kommt an den Pastor-Niemöller-Platz! Lutz Haverkamp

Lesen Sie auf Seite 9: Platz am Alexa

9. Platz am Alexa

Alexa-Bashing, ja, das ist nicht besonders originell. Doch das Grauen ist weniger innerhalb als außerhalb des Einkaufszentrums zu Hause: am Hinterausgang des Bunkers, Ecke Dircksen- und Voltairestraße. Dort brennen Lampen, die aussehen, als hätte ein Riese brennende Zigaretten auf Betonplatten gestellt. Rosa Stein korrespondiert mit der Farbe der Mall, so dass sich der

windumtoste Fußgänger in Jaipur, Indiens „rosa Stadt“, wähnt. Und stammen die

abgerockten Lavendelpflänzchen nicht von Blume 2000? Als Höhepunkt schwebt über allem Woody-Allen-mäßig die riesige nackte Brust einer Frau. Fassadenmalerei des

21. Jahrhunderts.

Sicher, das Konzept des Platzes mag in sich stimmig sein: Die Planer haben mit voller Absicht die Umgebung ignoriert. Die S-Bahnbögen, anderswo genial genutzt, werden nicht mit einbezogen, dort herrscht Leerstand, nur ein Bushido-Shop und ein Tattoo-Studio warten auf Kunden. Sehr witzig, dass ein italienisches Restaurant ausgerechnet „Piazza del Alexa“ heißt. Die Piazza als zentrale gute Stube einer Stadt – weiter entfernt könnte die Alexa-Tristesse von diesem Ideal nicht sein. Hier soll das Verweilen gezielt verhindert werden, damit sich Zara, H&M und all die anderen als sichere Heimathäfen inszenieren können.

Die gute Nachricht: Der namenlose Platz wird in seiner Hässlichkeit (schon der Regierende nannte das Alexa „Ort der Hässlichkeit“) bald in den Hintergrund geraten. Im Advent geht es auf der gerade noch als Parkplatz genutzten Brache nebenan wieder endbesinnlich zu. Der „Weihnachtsmarkt“ wird eröffnet. Mit 2,5 Millionen Gästen rechnen die Veranstalter dieses Jahr. Ein Glück, dass Lavendel eine echte Berliner Pflanze ist: Er ist winterhart. Esther Kogelboom

Lesen Sie auf Seite 10: Hermannplatz

10. Hermannplatz

Mal ehrlich, wer weiß denn schon, dass mitten auf dem Hermannplatz in Neukölln die Bronzeplastik „Tanzendes Paar“ von Joachim Schmettau steht? Wohl kaum jemand. Denn wer sich am Hermannplatz befindet, und nicht gerade Drogendealer ist, der auf Kundschaft wartet, möchte in der Regel nur eines – bloß weg. Entweder zu Karstadt, in den nächstgelegenen U-Bahneingang oder Richtung Landwehrkanal, wo es ruhiger, kinderfreundlicher und vor allem etwas sauberer ist.

Der Hermannplatz fungiert nur als Durchlaufstation. Zum Verweilen lädt er nicht ein. Er ist grau, lärmbelastet, wegen der sechs Verkehrsadern, die auf ihn zulaufen. Der Platz und seine Fahrstühle stinken nach Urin. Und wenn die Polizei gerade keine Kapazitäten hat, „Präsenz zu zeigen“, wird er von Drogensüchtigen, Alkoholkranken und Bettlern bevölkert. Keine guten Voraussetzungen, um sich dort aufzuhalten oder sich gar der Kunst auf dem Platz zu widmen.

Warum also nicht endlich eine Fußgängerzone aus dem Gebiet um den Hermannplatz machen? So richtig schön spießig: Bunt bepflanzt, eine Spielecke für Kinder, ein paar nette Cafés statt Internet-Teleshops und Chinapfannen-/Currywurstwagen. Ein Wochenmarkt ohne Ramschstände. Dazu im Sommer ein paar Liegestühle an einer Beach-Bar ... Da geht noch was.

Doch das Ganze funktioniert wahrscheinlich nur, wenn man rund um die Uhr Wachleute aufstellt und einen großen Zaun um die Zone zieht: Hundefreunde, Drogis und Alkis müssen leider draußen bleiben – aber das wäre dann wohl wieder einen

Zacken zu scharf und keine wirkliche Lösung in Berlin. Tanja Buntrock

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11. Platz der Vereinten Nationen

Wer ein Mahnmal für eine große Koalition in Berlin sucht, wird am Platz der Vereinten Nationen fündig. Denn Ideen für das Areal hatte der von Eberhard Diepgen geführte schwarz-rote Senat nicht, als er vor fast 20 Jahren den Presslufthammer am nördlichen Teil des damaligen Leninplatzes ansetzen ließ. Hier stand das fast 20 Meter hohe Denkmal des Sowjetführers, für dessen Abriss sich die Friedrichshainer Bezirksverordneten gerade ausgesprochen hatten. Der Gedanke, dass das Ensemble aus Riesen-Lenin und Hochhäusern ein Stück deutscher Architekturgeschichte darstellt, ging in einem ideologisch aufgeheizten Streit unter. Lenin wurde flugs von der Denkmalliste gestrichen und nach der Demontage in einer Sandgrube an den Müggelbergen verbuddelt. Immerhin: Der Augenblick, als der vom Rumpf getrennte Kopf am Kranhaken hing, inspirierte die Macher von „Good Bye, Lenin“ zu einer der berühmtesten Szenen des deutschen Nachwende-Kinos. Was an die Vereinten Nationen erinnern soll, zu deren „Ehren“ das Areal umbenannt wurde, bleibt Geheimnis der Stadtpolitik. Der armselige Brunnen aus Findlingen, der das Fehlen des Denkmals kaschieren soll, und die struppigen Bäume dürften es kaum sein. Darüberhinaus hat die Fläche, die von der überdimensionierten Friedenstraße, der mehrspurigen Landsberger Allee und einem Anwohnerparkplatz begrenzt wird, keinen Nutzen (vom Zugang zu den Hochhäusern mal abgesehen). Vom Volkspark Friedrichshain verirrt sich nie ein Spaziergänger hierher, was vielleicht anders gewesen wäre, hätte man den Platz als eine Art DDR-Architekturmuseum erhalten. Also: Stellt Lenin wieder hin! Mit Kriegsdenkmälern wie der Siegessäule im Tiergarten hat man ja heute auch kein Problem mehr. Björn Seeling

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12. Antonplatz

In der Mitte eine Uhr, drumrum ein paar lieblos platzierte Bänke, windschiefe Bäumchen, jede Menge Straßenpoller und trostlos graue Gehwegplatten. Wer sich am Antonplatz in Weißensee länger aufhält als nötig, sich hier vielleicht sogar freiwillig niederlässt, der muss schon sehr erschöpft sein. Zu erschöpft, um es in den wenige hundert Meter entfernten Park am Weißen See zu schaffen, wo man so viel schöner sitzen kann. Unter mächtigen Kastanien und Linden zum Beispiel. Oder auf der Terrasse des Cafés Milchhäuschen, von wo aus man auf das gegenüberliegende Strandbad schaut. Einen schönen Ausblick könnte man am Antonplatz auch haben, wenn man mal von den Bausünden der vergangenen 20 Jahre absieht. Von dem gläsernen sechsstöckigen Ungetüm, das sich unverschämt an das elegante, denkmalgeschützte Kino Toni mit seinem berühmten roten Schriftzug drängelt. Oder von dem eigenwilligen Bürobau mit den grünen Fenstern an der Langhansstraße Ecke Berliner Allee und dem verlegen wirkenden Geschäftszentrum mit Supermarkt schräg gegenüber. Eine kleine, gepflegte Grünanlage, wie es sie auf dem nördlichen Teil des Platzes vor 100 Jahren schon einmal gegeben hat (inklusive Kaiser-Wilhelm-Denkmal), könnte dafür entschädigen. Man würde dann nicht direkt nach Hause eilen, etwa wenn man spätabends aus einer Filmvorstellung kommt. Stattdessen würde man noch kurz hier sitzen bleiben. Während die Straßenbahn vorbeirauscht, würde man die imposanten Bürgerhäuser bestaunen, die derzeit der Reihe nach saniert werden und in neuem Glanz erstrahlen. Es könnte alles so schön sein. Nana Heymann

Lesen Sie auf Seite 13: Don-Ugoletti-Platz

13. Don-Ugoletti-Platz

Der Don-Ugoletti-Platz im ansonsten völlig platzlosen Grünau ist nur das Ende einer gepflasterten Sackgasse vor der Friedenskirche. Und das namenlose Areal nebenan ist zwar grün, aber sonst nichts so recht. So wie Kartoffeln, Reis und Nudeln zusammen kein Gericht ergeben, wird aus Bäumen, Sträuchern und Gras nicht unbedingt ein Park. Selbst dann nicht, wenn wie in diesem Fall dreizehn intakte Bänke vorhanden sind. Sie schauen von den Rändern her auf das zentrale Rasenrechteck, das von nassen Wegen gerahmt und von einem diagonalen Trampelpfad geteilt wird.

Es ist grün hier und im Sommer schattig, aber kaum jemand lässt sich nieder. Vielleicht, weil man in Grünau lieber gleich ans Wasser oder in den Wald geht, wenn man’s draußen schön haben will. Aber es ist nicht nur das: Hinzu kommt ein diffuses Unbehagen, das wohl aus dem Dickicht der Knallerbsensträucher resultiert. Sie bilden eine optische Barriere zwischen der Grünfläche und den Wohnstraßen ringsum. Am Don- Ugoletti-Platz, benannt nach dem Pfarrer einer italienischen Partnergemeinde, ist man auf eine Art allein, die man nicht unbedingt mag. Vielleicht täte ein Großeinsatz der Heckenschere gut. Dazu frischer Belag auf die Wege, damit sie einem nicht mehr an den Sohlen kleben. Die Bäume sind in Ordnung, der Rasen – bis auf den Trampelpfad – auch.

Bleibt die Frage, was mit der mysteriösen betonierten Bühne am Rande des Gestrüpps zu tun ist. Die sieht aus, als hätten hier einst junge Pioniere die deutsch-sowjetische Freundschaft besungen. Vielleicht lässt sich ein Steingarten daraus machen. Stefan Jacobs

Lesen Sie auf Seite 14: Unser Aufruf an Leser und Architekten

Unser Aufruf an Leser und Architekten

Wir haben Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, nun 13 Berliner Plätze vor, die wir für verbesserungswürdig halten, vorgestellt. Nun bitten wir Sie, weitere Plätze der Stadt zu benennen, von denen Sie glauben, dass mehr architektonische und städtebauliche Gestaltung notwendig wäre. Sie können Ihre Vorschläge per Email schicken, an die Adresse: leserbriefe@ tagesspiegel.de, bitte mit der Betreffzeile: „Berliner Plätze“. Gern auch per Post an: Der Tagesspiegel, Leserbriefe, Kennwort: „Berliner Plätze“, 10876 Berlin. Natürlich – und darüber freuen wir uns besonders – können Sie auf unserer Internetseite mitdiskutieren sowie auch dort Ihre Vorschläge zu weiteren Plätzen machen. Auf Tagesspiegel.de werden wir unsere Leserinnen und Leser dann auch bitten, darüber abzustimmen, welche Plätze ihnen besonders am Herz liegen. Entsprechend wollen wir schließlich renommierte Berliner Landschaftsarchitekten um ihre gestalterischen Ideen und Konzepte für diese Plätze bitten. Die Experten werden sich Gedanken darüber machen, wie man dem jeweiligen Platz „aufhelfen“ kann – was man also tun muss, um die Attraktivität zu erhöhen. Die Konzepte der Landschaftsarchitekten stellen wir im Tagesspiegel vor. Darüberhinaus wollen wir sie den zuständigen Bezirkspolitikern präsentieren und fragen, ob der Bezirk bereit ist, sich mit den Konzepten auseinanderzusetzen. Außerdem haben wir vor, auf jedem dieser Plätze in einer Vor-Ort-Aktion mit den Anwohnern zu diskutieren. Tsp

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