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Berlin: 158 Beamte verletzt: Berliner Polizei entsetzt über Gewalt Harte Kritik an der Einsatzleitung in Rostock

Vorfälle in der Hansestadt vor dem Innenausschuss

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158 verletzte Polizisten aus Berlin, davon 16 schwer – das ist die schockierende Bilanz des Einsatzes der 900 Beamten aus der Hauptstadt bei der G-8-Demonstration in Rostock. Am Tag danach gab es sowohl von der Polizeiführung als auch von Berliner Politikern heftige Kritik. „Wir sind verheizt worden“, kommentierte ein Bereitschaftspolizist und rügte die falsche Einsatzplanung in der Ostseestadt. Pikantes Detail: Als sich am Samstagabend das Versagen der Polizeitaktik abzeichnete, wurde der Polizeiführer des Einsatzes – ein Bayer – abgelöst , und zwar durch einen Berliner Polizeioffizier. Eine solche Ablösung bei einem fehlgeschlagenen Einsatz gilt als äußerst ungewöhnlich, fast einmalig, heißt es intern. Das Kommando übernahm der Chef der 2. Bereitschaftspolizeiabteilung (BPA), Marco Langner, erfahren durch ungezählte, auch gewalttätige Demonstrationen in Berlin. „Einzelne Abschnittsführer waren offenbar zu unerfahren mit solchen Situationen und brauchten viel zu lange, um zu entscheiden, was jetzt getan werden soll“, sagte ein ranghoher Beamter.

Die schwer verletzten Beamten sollten Sonntagabend mit einem Bus nach Berlin zurückgebracht werden; sie werden psychologisch betreut. Dabei gehören gerade die Beamten der 2. BPA zu den erfahrensten in Deutschland. „Eine derartige Brutalität habe ich an keinem 1. Mai erlebt“, sagte ein Beamter der 22. Einsatzhundertschaft. Es sei die „Champions League der Krawallmacher“ nach Rostock gereist, es seien Billardkugeln mit Stahlzwillen abgeschossen worden. „Das erklärt, wieso es offene Brüche gab“, sagte ein Beamter. Ein grober taktischer Fehler sei zum Beispiel gewesen, dass die Demoroute an einer Straßenbahnstrecke mit Schotter entlangführte – also für Randalierer unerschöpflichen Wurfvorrat bot. „Die Steine flogen dicht wie Nieselregen.“

Verärgert zeigten sich mehrere in Rostock eingesetzte Beamte, dass die Einsatzleitung dort die taktischen Pannen „kleinredet“, wie es hieß. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Innenausschusses, Peter Trapp, kündigte an, dass er den Einsatz heute im Ausschuss diskutieren werde. Trapp will die Polizei bitten, den Abgeordneten Videos der Polizei vorzuführen. „Was ARD und ZDF gezeigt haben, soll nur 20 Prozent des Krawalls gewesen sein“, sagte Trapp.

Dem Vernehmen nach gab es eine weitere Panne: Da andere Bundesländer die Berliner Polizei nicht über die mit Bussen nach Berlin fahrenden Neonazis informierten, konnten diese ungehindert von der Polizei am Sonnabend durchs Brandenburger Tor ziehen.

Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann war bei der Demonstration in Rostock und konnte den Polizeieinsatz beobachten. „Die Polizei hat versagt. Es gab kein Konzept, wie mit dem schwarzen Block umzugehen ist. Von einer Deeskalationsstrategie kann man nicht sprechen, eher von einer absurden Taktik, die offenbar nicht einheitlich unter den Abschnitten abgestimmt war.“

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wollte die Polizeitaktik nicht kommentieren, sagte aber: „Den verletzten Berliner Polizisten gilt meine ganze Fürsorge. Selbst die Veranstalter haben gesagt, dass die Gewalt von den Autonomen ausgegangen ist.“ Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch sagte: „Die Beamten sind mit einer Rücksichtslosigkeit und Brutalität angegriffen worden, von der Einsatzführer mit jahrzehntelanger Erfahrung sagen, dass ihnen etwas Vergleichbares noch nie begegnet ist.“ Es werde „alles mögliche getan, um die verletzten Beamten angemessen zu betreuen“.

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