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198 Datensätze: Rechte Terrorzelle sammelte Adressen von Brandenburgern

Neben Abgeordneten und Waffenhändlern stehen auch Minister auf der Liste. Doch wofür waren all die Daten gedacht? Die Sicherheitsbehörden rätseln.

Es ist ein gewaltiges Sammelsurium aus Namen und Adressen, das in Zwickau in der ausgebrannten Wohnung der rechtsextremen Terrorzelle um Uwe Mundlos zum Vorschein kam. Auf einer Liste haben die Mitglieder des selbsternannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ Daten von Politikern und Wahlkreis- oder Parteibüros gesammelt – auch in Brandenburg. So tauchen unter anderem auch die Namen und Adressen von Innenminister Dietmar Woidke und Bildungsministerin Martina Münch (beide SPD) auf.

Wie Ingo Decker, Sprecher des märkischen Innenministeriums bestätigte, wurden insgesamt 198 Datensätze aus Brandenburg von Bundes- und Landtagsabgeordneten, kirchlichen Institutionen, Einrichtungen der Bundeswehr, Asylbewerberheimen und Waffenhändlern auf der Liste entdeckt. „Die Adressen kommen aus ganz Brandenburg, von der Uckermark bis zur Spree-Neiße-Grenze“, sagte Decker. Eine Gefährdung für Personen und Objekte bestehe allerdings nicht, es seien keine Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden. Die Liste mit mehr als 10 100 Datensätzen aus ganz Deutschland sei Brandenburg vom Bundeskriminalamt bereits im November zur Verfügung gestellt worden. Das Landeskriminalamt habe die Liste ausgewertet. Dann seien alle in Brandenburg betroffenen Personen Anfang Dezember schriftlich informiert worden.

Bei den Betroffenen handele es sich hauptsächlich um Politiker oder Büros der drei großen Parteien in Brandenburg – SPD, Linke und CDU. Das Bundeskriminalamt gehe davon aus, dass die Liste bereits vor fünf oder sechs Jahren erstellt wurde. „Die Ermittlungen laufen noch“, sagte Decker. Auf der Liste seien Adressen zu finden, die aus öffentlich zugänglichen Quellen, wie dem Internet oder dem Telefonbuch stammen. „Es ist bis jetzt unklar, welchen Zweck die Liste hatte“, sagt Decker.

Die betroffenen Landtagsabgeordneten seien direkt vom Innenminister informiert worden, alle anderen vom Polizeipräsidium. Die Behörden seien sensibilisiert. Allen Betroffenen seien Telefonnummern mitgeteilt worden, an die sie sich im Zweifel sofort wenden könnten, falls ihnen nur der kleinste Hinweis auf eine mögliche Bedrohung vorliegt, erklärte der Sprecher.

Bildungsministerin Münch kündigte an, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „Ich habe mich seit 15 Jahren in Cottbus gegen Rechts engagiert“, so Münch, „ungeachtet von irgendwelchen Einträgen in Listen oder Drohungen werde ich diese Arbeit fortführen.“

Bekannt ist, dass auch der CDU-Landtagsabgeordnete Ingo Senftleben auf der Liste zu finden ist. Für Senftleben war das ein Schock. Um seine Familie nicht zu verunsichern, behielt er es zunächst für sich. „Es ist keine alltägliche Situation, dass man plötzlich in eine bundesweite Debatte um eine Nazi-Terrorzelle rutscht“, so Senftleben. Er könne nur spekulieren, warum. Er habe sich in den vergangenen Jahren gegen Rechts engagiert, „dass das dem einen oder anderen missfällt, kann ich mir lebhaft vorstellen.“

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