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Berlin: 20 Jahre für ein Schlachtschiff aus 300 000 Streichhölzern. Bastler und Sammler können noch bis zum Sonntag fachsimpeln

Das Kind im Manne zeigt sich in den Hallen von eher schwerem Gemüt. Während die Mini-Autos lustig um die Kurven flitzen, regt sich bei den Kandidaten mit der Fernbedienung keine Miene.

Das Kind im Manne zeigt sich in den Hallen von eher schwerem Gemüt. Während die Mini-Autos lustig um die Kurven flitzen, regt sich bei den Kandidaten mit der Fernbedienung keine Miene. Bei den Modelleisenbahnen wird der Verkehr mit noch ernsteren Gesichtern geregelt. Derweil besteigt in Halle 12 ein Mann den Anhänger seines Mini-Trucks und lässt sich auf dem Modell samt Fernsteuerung durch die Menge fahren. Er selbst sagt nichts, doch sein Gesichtsausdruck spricht Bände: "Ihr staunt, aber auch das ist mit meinem Truck möglich."

Uneingeweihte können unter dem Funkturm bei der "Hobbyland Berlin 99" in diesen Tagen leicht in Schwierigkeiten geraten. "Bastler? Ich soll ein Bastler sein? Ich bastel doch keine Plastikschiffchen!" schimpft beispielsweise Klaus Helmich am Wasserbassin in Halle 15. Also ganz korrekt: Der Rettungsschwimmer baut U-Boote aus glasfaserverstärktem Kunststoff, 1,70 Meter bis 2,25 Meter lang, 17 Kilogramm bis 50 Kilogramm schwer. Sieben U-Boote und sechs Überwasser-Boote hat der Nicht-Bastler in den letzten 15 Jahren vom Modellstapel gelassen. Seit eineinhalb Jahren tüftelt er an einem Modell der schwedischen Marine namens Västergötland, Typ A 17, Maßstab 1:30, 1,70 Meter lang. Wenn Klaus Helmich seinen Keller am Wochenende dann doch einmal verlässt, zieht es ihn meist an einen Badesee in Mahlow, wo er seine Freunde von der "Interessengemeinschaft Schiffsmodellbau" trifft. "Da sitzen wir dann bis in den Abend rein und lassen unsere Boote fahren." Derweil fachsimpelt nebenan Ludwig Talaga mit einem Messebesucher. Der Hamburger ist den Umgang mit der Presse gewöhnt. "Sieben Jahre keinen Urlaub", steht über einem Artikel, der neben seinem Schiffsmodell steht. Talaga schmunzelt. "Eigentlich war es viel länger." Fast 20 Jahre brauchte der Fliesenleger, um das Schlachtschiff "Bismarck" detailgetreu aus über 300 000 Streichhölzern, Unmengen Schleifpapier und etlichen Litern Kleber zusammenzubauen. Sicher, sagt Talaga, seine Frau und seine Tochter haben "ganz schön zurückstecken" müssen in dieser Zeit. Und was empfand er, als nach zwei Jahrzehnten jede Kanone und auch das letzte Rettungsschiff an ihren Plätzen standen? "Das war schlimm", sagt Talaga mit tiefer Stimme. "Schlimmer, als wenn man sich scheiden lässt!"

Graf E. Ullrich von Balluseck in Halle 17 zürnt nicht, wenn man ihn einen Bastler nennt. Sein Hobby bezeichnet der Rentner im Gegensatz zu dem Bootsbauer als durchaus "ehefreundlich". Schließlich mache er mit seinen Flugzeugmodellen aus Papier weder Lärm und Dreck, und werde deshalb von seiner Frau nicht in den Keller verbannt. Sie sei selbst dann noch glücklich, wenn er seinen "Rappel" kriege und rund um die Uhr an seinen Militärmaschinen sitze. "Ihr ist das lieb: Ich gehe ja nie weg."

Noch bis zum Sonntag wird auf der "Hobbyland" in den Hallen 12 bis 17 gespielt, gefahren und gebastelt (von 10 bis 18 Uhr). Abgesehen von der Playmobil-Abteilung und einigen Bastelständen scheinen auf der Messe allerdings eher die Erwachsenen auf ihre Kosten zu kommen. Dafür kann man in den Hallen zuweilen Männeraugen leuchten sehen. Beispielsweise, wenn am Stand der Firma "Unimat 1" Maschinen für Bastler vorgestellt werden. "Wenn man schräge Bohrungen zu setzen hat...", lockt die Verkäuferin, und die Herren rücken gespannt zusammen. Mit jeder Minute wird die Traube dichter ("bei exakten Lochabständen oder für Sacklöcher"), Köpfe neigen sich prüfend zur Seite ("dadurch, dass das Blatt freiläuft"), um schließlich zustimmend zu nicken. "Funktioniert das auch mit dünnen Aluminiumblechen?" fragt einer. "Nein, leider nicht", antwortet die Frau am Stabfräser.

Eigentlich gibt es auf der "Hobbyland" all das zu sehen, was uns auch im täglichen Leben umgibt - nur eben viel kleiner: Hubschrauber, Autos, Lastwagen, Eisenbahnen, Raketen... In Halle 17 lehnen sich die Besucher beim "Carrera Autorennen" über das Geländer. Einer der Fahrer ("vom Verein MSV 06, Abteilung RC-Car-Racing") putzt am Fuße der Tribüne das Innenleben seines ferngesteuerten Modells. Ein anderer prüft derweil, welche Reifen auf dem Hallenteppich am besten laufen. Eben die typische Rennvorbereitung, sagt der RC-Car-Racer. "Bisschen basteln muss sein."

Bei den Herren aus der Modelleisenbahn-Halle geht es nicht um Schnelligkeit, sondern um Detailtreue, Alter und Tradition. Zu den Attraktionen zählt hier die fast 100 Jahre alte, echte Dampflokomotive von Karl-Heinz Müller. Über seiner Spur-0-Anlage hängt ein altes Foto, daneben die "Legende". "Mein Vater August befasste sich bereits vor meiner Geburt mit der Blecheisenbahn, er baute Lokomotiven und Weichen mit einfachen Mitteln selbst", lässt der Hannoveraner Interessierte wissen. Wer weiter liest, erfährt auch noch etwas über die alte Familientradition des Sammlers. "Die Anlage, wie sie hier vor Ihnen steht, wurde von meinem Vater zu Weihnachten im Wohnzimmer aufgebaut und blieb den ganzen Januar stehen." Bis zur ersten Messe vermutlich.

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