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20 Jahre Mauerfall: Auf schmalem Grat

Die Polizei wurde vom Mauerfall völlig überrascht. Eine Schau zeichnet die chaotische Nacht nach.

Lachende Menschen, die sich gegenseitig auf die Mauer ziehen oder die Trabbis mit einem Streicheln im Westen begrüßen. Das sind die bekannten Bilder von der Nacht des 9. November 1989.

Aber für die Berliner Polizei war diese Nacht zunächst einmal nicht nur das friedliche Fest der Wiedervereinigung, an das man sich heute erinnert. Für sie war sie vor allem chaotisch und ihr Ausgang ungewiss. Wie die gestern eröffnete Ausstellung „Besondere Lage: Mauerfall“ im Polizeipräsidium zeigt, waren die Behören beiderseits der Mauer nicht auf die Ereignisse vorbereitet. Auch einer der wenigen Besucher bestätigt das: „Wir waren vollkommen überrascht“, sagt der ehemalige Polizist, der damals am Grenzübergang Invalidenstraße arbeitete.

Die Beamten mussten in der Nacht vom 9. auf den 10. November eine Gratwanderung zwischen Zurückhaltung und Eingreifen vollführen. Umso mehr, weil niemand wusste, was die Behörde der anderen Stadthälfte eigentlich plante: „Keine Anwendung von Schusswaffen!!!“ notierte ein Oberst des Grenzkommandos Mitte in Ost-Berlin. Derweil mahnte in West-Berlin eine Dienstanweisung die Polizisten, „ein hohes Maß an Engagement und Fingerspitzengefühl“ einzuhalten. „Tausende Menschen standen am 10. November abends auf der Mauerkrone am Brandenburger Tor“, erinnert sich der damalige Polizeipräsident von West-Berlin Georg Schertz. Hätten die auf der Ostseite versammelten Sicherheitskräfte den vollen Strahl ihrer Wasserwerfer auf diese Menschen gerichtet, hätte es laut Schertz Tote geben und die Lage eskalieren können. Doch es blieb friedlich.

Mit Fotos, Schautafeln und Dokumenten spiegelt die Ausstellung die Ereignisse vom 9. bis 11. November 1989 aus Sicht der Polizei in Ost und West wider. Neben dem akribisch abgebildeten Verlauf der Nacht des Mauerfalls wird auch an Menschliches erinnert: Am Morgen des 10. November mussten sich viele Soldaten erst einmal die Lippenstiftreste vom Gesicht wischen. Daniel Stender

Die Ausstellung „Besondere Lage: Mauerfall“ im Polizeipräsidium, Platz der Luftbrücke 6, in Tempelhof ist bis 28. November täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Daniel StenderD

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