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US-Präsident Barack Obama hatte im Juni mit der Hitze zu kämpfen.

© dpa

2013 von A bis Z: Berliner Schmierenkomödien

Das Jahr ist fast vorbei und wieder einmal war viel los in Berlin. Es gab prominenten Besuch aus Washington, Streit um Bäckereiprodukte und die Rückkehr von David Hasselhoff an die Mauer - oder was davon noch übrig ist. Unser Jahresrückblick von A bis Z.

Es soll Menschen geben, die sich auch nach 30 Jahren Berlin nicht dazu entschließen können, ihre Brötchen Schrippen zu nennen. Die morgens beim Bäcker weiterhin „Zwei Mohnbrötchen, ein normales“ bestellen, und niemand hat je daran Anstoß genommen. Bei Wecken sähe das wohl anders aus. Diese zu verlangen, könnte gestandene Berliner schon nerven, und so einer ist Wolfgang Thierse zweifellos. „In Berlin sagt man Schrippen, daran könnten sich selbst Schwaben gewöhnen“, murrte der damalige Bundestagsvize vor ziemlich genau einem Jahr – und brach damit eine erbitterte Debatte über die vermeintliche schwäbische Überfremdung der Stadt los, die gar in einer Spätzleattacke auf das Bildnis der armen, völlig unschuldigen Käthe Kollwitz auf dem nach ihr benannten Platz gipfelte.

Das war die Krönung. Im leidenschaftlich diskutierten Schwaben-Streit flogen Spätzle auf Käthe Kollwitz. Berliner setzten ihr daraufhin trotzig eine Krone auf.
Das war die Krönung. Im leidenschaftlich diskutierten Schwaben-Streit flogen Spätzle auf Käthe Kollwitz. Berliner setzten ihr daraufhin trotzig eine Krone auf.

© dpa

Von Wecken bis Bushido

Das Jahr 2013 begann also – man muss es so sagen – als Schmierenkomödie um das Brötchen, um in der Wortwahl neutral zu bleiben. Und es endete mit einer schrägen Farce um den Brand im Dachstuhl von Bushidos neuem Wohnhaus in Kleinmachnow Anfang Dezember. Denn wenngleich solch eine Brandstiftung nun alles andere als komisch ist – mit seinem gegen den Ort geäußerten Generalverdacht lag der Rapper wie wiederholt in diesem Jahr ziemlich daneben. Das war übrigens kurz nachdem das Hotel Bogota in der Schlüterstraße endgültig seine letzten Gäste verabschiedet hatte – jenes traditionsreiche Haus, das mit den Namen der Fotografin Yva und ihres Schülers Helmut Newton und zahlreicher anderer Prominenter verbunden, doch nun nicht länger zu halten war.

Brötchen, Bushido, Bogota – der Buchstabe B scheint im ablaufenden Jahr für das kulturell-gesellschaftliche Leben Berlins eine besondere Rolle gespielt zu haben, das Schicksal schlägt bisweilen solche Kapriolen. Denn sucht man weiter, findet man sogar noch mehr B-Namen, die in den vergangenen Monaten von Bedeutung waren, auch die Berlinale. Die Berliner Straße etwa, jene verdiente, kürzlich abgewrackte Filmkulisse in Babelsberg, weiter die gertenschlanke Barbie, die von Mai bis September nahe dem Alexanderplatz ihr „Dreamhouse“ bewohnte, und nicht zuletzt der gewichtige Bernhard Blaszkiewitz, seit langem umstrittener Chef von Zoo und Tierpark, der nun in Kürze doch seinen Posten räumen muss.

Ende mit Legende. Das Bogota schließt, das Bürgertum trauert und erzählt noch mal die schönsten Hotelgeschichten.
Ende mit Legende. Das Bogota schließt, das Bürgertum trauert und erzählt noch mal die schönsten Hotelgeschichten.

©  Thilo Rückeis

Wer B sagt, muss auch A sagen. A wie Adlon, das im Januar mit einem dreiteiligen Fernsehfilm im ZDF groß rauskam. Und er sollte – wenn schon, denn schon – C, D, E und so weiter sagen, das ganze Alphabet historisch fürs Jahr durchdeklinieren, nur mal so zur Probe, ob das geht.

C also. Klarer Fall: George Clooney. Drehte seit Jahresbeginn sechs Monate seine „Monuments Men“, residierte im Soho House, hatte weitere Stars wie John Goodman, Bill Murray und Matt Damon mitgebracht. Und bleiben wir ruhig beim Film. Genau genommen – fürs D – bei Catherine Deneuve, der unumstrittenen Diva bei der Verleihung des Europäischen Filmpreises am 6. Dezember, und fürs F beim Deutschen Filmpreis, den am 26. April „Oh Boy“ von Jan-Ole Gerster in gleich sechs Kategorien gewann, darunter den für den besten Film. Aber auch das E sei nicht vergessen, schließlich war die neue Lücke in der East Side Gallery, verursacht durch das Wohnhausprojekt eines Bauherrn mit wahrhaft filmreifer Biografie, eines der dominierenden Themen der Stadt.

Das Alphatier. Andreas Knieriem wird neuer Chef von Zoo und Tierpark. Bitte hinter die Ohren schreiben!
Das Alphatier. Andreas Knieriem wird neuer Chef von Zoo und Tierpark. Bitte hinter die Ohren schreiben!

© dpa

"The Hoff" wieder an der Mauer

Das G? Nun gut, Lady Gaga, die sich im Oktober für die Vorstellung ihres Albums „Artpop“ das Berghain ausgesucht und zur Feier des Tages einen veritablen Schnurrbart angeklebt hatte. Das H verteilt sich gerecht auf David Hasselhoff, der im März an der bedrohten East Side Gallery mal wieder singend nach der Freiheit Ausschau hielt, Madonnas Fitnessstudio „Hard Candy“ in der Zehlendorfer Clayallee, zu dessen Eröffnung im Oktober die Sängerin eigens angereist kam, und die kostümreiche Premiere von „Der Hobbit – Smaugs Einöde“ kürzlich am Potsdamer Platz.

Mit dem I verbinden sich zwiespältige Erinnerungen. I wie iPhone, iPad oder iPod – die Stars im Apple Store am Kurfürstendamm, der im Mai mit viel Bohei eröffnet, kurz vor Weihnachten dann aber durch Einbrecher mit einem Auto geknackt und geplündert wurde. Freud und Leid liegen liegen eben schon alphabetisch nicht weit auseinander, fast so wie geografisch das Olympiastadion und die Waldbühne. In Ersterer wollte Jon Bon Jovi am liebsten singen, musste sich dann mangels Nachfrage am 18. Juni aber doch mit Letzterer begnügen, was dem Musikvergnügen keinen Abbruch getan haben soll.

Schönen Gruß aus Zehlendorf. Madonna öffnete ihr Fitnessstudio.
Schönen Gruß aus Zehlendorf. Madonna öffnete ihr Fitnessstudio.

© REUTERS

Das K nahm wie das B in diesem Jahr eine Sonderrolle ein. Mit ihm beginnt der Name des zoologischen Hoffnungsträgers der Stadt, Andreas Knieriem, noch Chef des Münchner Tierparks Hellabrunn, doch zum Nachfolger des geschassten Bernhard Blaszkiewitz erkoren. Das K tragen auch die Kant-Garagen im Namen, die älteste Hochgarage Europas, 1929/30 errichtet, denkmalgeschützt und dennoch zeitweise vom Abriss bedroht. Und dann begann mit einem K auch der Name eines legendären Besuchers der Stadt, des US-Präsidenten John F. Kennedy, dessen berühmter Satz „Ich bin ein Berliner“ am 26. Juni 60 Jahre alt und entsprechend gefeiert wurde. Nur 30 Jahre lag dagegen Udo Lindenbergs Auftritt am 25. Oktober 1983 im Palast der Republik zurück, gleichwohl genügte das, auch in diesem Blatt, für umfassendes Memorieren der alten Zeiten.

Die zweite Hälfte des Alphabets

M wie Madonna? Hatten wir schon, aber im Zeichen des 13., mithin die Mitte des Alphabets markierenden Buchstaben steht auch das Mauer-Panorama des Künstlers Yadegar Asisi am Checkpoint Charlie, das schon im Herbst 2012 eröffnet wurde, beim 25-Stunden-Besuch des US-Präsidenten Barack Obama im Juni aber durch den Besuch der First Lady und der Obama-Töchter Malia und Sasha neue Aufmerksamkeit gewann. Ihr Mann musste stattdessen auf dem Pariser Platz schwitzen, gab sich betont leger vor dem Publikum, das beim Warten auf diesen Moment fast verdampft wäre. Die Aufregung ums Ausspähen der Kanzlerin, wahrscheinlich auch vom Dach der US-Botschaft aus, kam erst später.

Das zwischen M und O platzierte N nahmen im Jahresalphabet ganz klar die Nackten in der Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf ein, einige von der Künstlerin Susanne Schüffel gemalte Frauenakte, die der stellvertretende VHS-Leiter im November erst aus vorauseilender Rücksicht auf die zarten religiösen Gefühle muslimischer Frauen abhängen ließ, die nach Einschreiten der zuständigen Kulturstadträtin aber doch noch zu sehen waren. Das P erinnert an die Pfähle aus dem Untergrund des alten Stadtschlosses, die im Zuge des Neubaus ausgebuddelt und versteigert wurden, schwierig wird dagegen das Q. Aber okay, der Q-Damm ist mal wieder im Kommen, das geht immer.

Das R trug bekanntlich die Radrennbahn Weißensee ganz vorne im Namen, eine längst abgewickelte Anlage. Doch unvergessen blieb der Auftritt vom Bruce Springsteen, dem Boss, an diesem Ort am 19. Juli vor 25 Jahren. Daher wurde zum Datum fleißig rekapituliert. S wie Schrippe hatten wir schon, T wie Thierse ebenso, der mit den Tunnelgangstern von Steglitz, die in monatelanger Fleißarbeit sich 45 Meter weit bis in eine Volksbank-Filiale vorgebuddelt hatten, wirklich nur den ersten Buchstaben gemein hat.

Fürs U wäre „Django Unchained“ zu nennen, der blutige Western Quentin Tarantinos, der zur Premiere am 8. Januar auch Jamie Foxx, Christoph Waltz und Samuel L. Jackson mitgebracht hatte. Das V dagegen sei dem Techno Viking gewidmet, zur Berliner Fuckparade 2000 vor die Kamera eines Videokünstlers geraten, aufgrund seines wilden Aussehens auf Youtube jahrelang populär, der seinen ungewollten Auftritt dann aber zum Anlass eines Rechtsstreits nahm und Recht bekam: Das Video musste vom Netz.

Zoo-Palast öffnet die Tore

Das W müssen sich die bereits erwähnten Wecken mit dem neueröffneten Waldorf-Astoria am Bahnhof Zoo und Roger Waters teilen. Letzterer machte wie David Hasselhoff durch sein Eintreten für eine unversehrte East Side Gallery von sich reden, vergab dann aber einige Sympathie, indem er im September zu seiner Rockshow „The Wall“ ein mit allerlei politischen und religiösen Symbolen, darunter einem Davidstern, dekoriertes Schwein durchs Olympiastadion segeln ließ.

Das X kommt alle Jahre wieder im soeben gefeierten X-mas zum Tragen, und der Yaam-Club gegenüber dem Ostbahnhof bekam soeben endgültig grünes Licht für den Umzug an die Schillingbrücke. Bleibt nur das Z. Es erwies sich als ambivalent wie das I, wenn auch in sehr viel größerer Spannbreite. Es stand für Freude am Schönen, pures Vergnügen, Filmträume in erlesenem Ambiente – für die Wiedereröffnung des runderneuerten Zoo-Palasts Ende November. Und es stand für Vertreibung, Terror, Krieg und Massenmord: 2013 war auch das Jahr der „Zerstörten Vielfalt“.

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