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Da ist noch Platz. Auf dem Gelände der Teltower Baustofffirma kann jedermann zu Pinsel und Farbe greifen und mitmalen. Den Willy Brandt allerdings hat ein professioneller Künstler gestaltet. Foto: dpa

© dpa

24 Jahre nach dem Mauerfall: Baustofffirma macht Geschäft mit einstigem Grenzwall

In Teltow lagern noch 130 Teile des einstigen Grenzwalls. Eine Baustofffirma macht daraus ein Geschäft. Vier Segmente wurden Anfang Oktober nach Südkorea verschifft. Was noch da ist, dürfen Künstler und Laien bemalen.

In diesen Wochen wird in der südkoreanischen Stadt Uijeongbu, im Nordwesten des Landes nahe der Grenze zum feindlichen Norden, eine neue Freizeitanlage eröffnet. Genau genommen ein Themenpark, es geht um Frieden, um Wiedervereinigung, was Krieg und Teilung impliziert. Stacheldrahtverhaue erinnern an den Koreakrieg, ein Denkmal ehrt die gefallenen US-Soldaten. Andere Objekte stehen für „unification“, sind Mahnung und Ausdruck der Hoffnung auf eine jetzt noch so fern scheinende Versöhnung des geteilten Landes. Auf das also, was in Deutschland, in Berlin vor mehr als zwei Jahrzehnten bereits gelungen ist. Was könnte da besser in den Park passen als ein Stück Berliner Mauer.

Vier Segmente waren Anfang Oktober nach Südkorea verschifft worden. „Ein Symbol für die deutsche Wiedervereinigung“, wie es von offizieller Seite in Uijeongbu hieß, wo man sich davon auch einen erhöhten Zustrom von Touristen erhofft. Zudem will man die andauernde Trennung des Landes im Bewusstsein der Menschen wach halten, was dort allerdings, in der grenznahen, mit Militäranlagen, eigenen wie amerikanischen, besonders gut versorgten Stadt, auch ohne Berliner Beton kein Problem sein dürfte.

Südkoreanischer Bürgermeister begeistert vom Mauerlager in Berlin

Man sollte meinen, dass 24 Jahre nach dem Mauerfall der Vorrat an solchen historischen, in der Welt noch immer begehrten Devotionalien langsam erschöpft sein müsste, zumal der Betonwall ja überwiegend im Schredder gelandet ist. Aber man findet sie noch und mitunter sogar zuhauf. Mit den 130 Teilen, die noch in Teltow auf dem Gelände der Baustofffirma Klösters, zwischen Oderstraße und Teltowkanal, herumstehen, könnte man im Park von Uijeongbu sogar ein kleines Mini-Berlin einmauern. Zu DDR-Zeiten waren sie Teil der Grenzanlagen in der Berliner Innenstadt und bei Spandau, weiß Geschäftsführer Elmar Prost, der auch der Lagerhaus KW GmbH in Königs Wusterhausen vorsteht, dem eigentlichen Besitzer der ursprünglich über 200, teilweise zerborstenen Segmente.

Der Vorgängerbetrieb der Teltower Firma, der VEB Betonwerke Teltow, hatte auch die Mauer im Angebot, manche der historischen Stücke dürften also dort produziert worden sein, wo sie jetzt wieder stehen. Sie wurden Anfang der neunziger Jahre aus der Konkursmasse der Nationalen Volksarmee aufgekauft und zunächst als Boxen für Schüttgut verwendet, dann aber bei Rückgang der „Betonaktivitäten“, wie Prost es formuliert, auf dem Teltower Gelände gesammelt.

Vor rund einem Jahr hatte der Bürgermeister von Uijeongbu das Mauerlager während eines Deutschlandbesuchs entdeckt und war hellauf begeistert. Das Mauergeschenk an Südkorea samt offizieller Übergabe an Vertreter der Botschaft in Berlin war dann eine gemeinsame Aktion von Prost, Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) und dem französischen, auch an der East Side Gallery aktiven Mauerkünstler Thierry Noir, der eines der Segmente beidseitig mit seinen dicklippigen Figuren bemalt hatte.

Teltow Gallery - die Brandenburger Variante der East Side Gallery

Die drei Männer hatten schon vor ein paar Jahren mit den Mauerteilen Kunstvolles im Sinn. 2009 entstand die Idee einer Teltow Gallery, gewissermaßen einer Brandenburger Variante der East Side Gallery in Berlin-Friedrichshain. Es kam zwar nicht dazu, aber die Idee wuchs weiter, nunmehr allein betrieben von Elmar Prost, der zugleich hoffte, die als Grenzanlagen sowie als Schüttgutbehälter nutzlos gewordenen Mauerteile nun doch noch irgendwie gut verwerten zu können.

Das Ergebnis war sein Angebot an professionelle Künstler wie an Laien, die kahlen Betonwände mit Farbe zu gestalten. „Mauerteile bemalen“, heißt das vor anderthalb Jahren ausgegebene Motto, doch während die Berliner East Side Gallery kurz nach der Wende in einer spontanen, ungesteuerten und eher anarchischen Aktion zu ihrer Bilderwelt kam, ist an der Teltower Oderstraße alles schön geordnet und nach Paragrafen gut sortiert.

Man bewirbt sich per Formular, erklärt sich in einem Nutzungsvertrag bereit, einen festgelegten Regel- und Verhaltenskodex zu akzeptieren und bekommt dann ein bestimmtes nummeriertes Mauersegment zugeteilt. Das darf man nun gratis sechs Monate nutzen, es ein- oder auch mehrfach bemalen, und selbstverständlich kann man es auch kaufen, für 500 Euro pro Stück. Oder der Künstler findet einen Käufer für sein Mauerwerk, dann steht der Baustofffirma ein Drittel des Erlöses zu, mindestens wiederum 500 Euro. Ein Bombengeschäft ist daraus zwar nicht geworden, aber die Mauer bemalen, das hat doch viele gereizt: Nur vierzig der insgesamt 164 brauchbaren Teile sind heute noch frei. Und immerhin 30 wurden verkauft, meist an die Künstler selbst, die auch den Transport bezahlen müssen.

Die Qualität der Werke ist dabei ambivalent wie seinerzeit an der originalen Mauer. Es gibt die üblichen Schmierereien ohne jeden Vertrag, eher Sachbeschädigung als Kunst, die mitunter auch darunter leiden musste. Und es gibt ambitionierte Werke wie die von Thierry Noir oder dem Spanier Victor Landeta, der offenbar ein Faible für überlebensgroße Porträts hat. Nelson Mandela hat er schon ein Denkmal in Farbe gesetzt, ebenso wurde Willy Brandt bei ihm zum Betonkopf.

Das Ende der Malaktion ist aber absehbar. Teltow schwebt für das Gelände Großes vor. Ein Stadthafen soll entstehen, eine Marina fürs Freizeitvergnügen auf dem Wasser. Eine Art Côte d’Azur am Teltowkanal – dann ist für Nelson und Willy kein Platz mehr da.

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