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Berlin: 240 Doppelleben – Zwillinge unter sich

In Buch trafen sich eineiige Geschwister-Paare, deren Leben nach geheimnisvoller Regie läuft

Sie krähen zu zweit in Babywagen mit Überlänge, sind beim Hopsen auf den Trampolinen kaum auseinander zu halten und am Büfett, da greifen sie zu den gleichen Leckereien, ohne sich abgesprochen zu haben. „Denn eineiige Zwillinge“, das wurde gestern beim Zwillingsfest im Max-Delbrück-Zentrum für Biomolekulare Forschung in Buch allseits versichert, „gleichen sich nicht nur äußerlich , sie ähneln sich oft auch im Wesen und in der Gestik – und viele haben denselben Geschmack.“

Rund 240 meist eineiige Paare zwischen eins und 80 Jahren treffen sich an diesem Sonntag. Eingeladen zur Doppelgänger-Party hat die „Health TwiSt GmbH“, eine Berliner Biotech-Firma, deren Forscher sich mit dem genetischen Einfluss auf Übergewichtigkeit oder Herz-Kreislauferkrankungen beschäftigen und dabei bevorzugt eineiige Zwillinge als Testpersonen engagieren – wegen deren identischer Gene. Das Fest sollte nun ein „Dankeschön“ sein – doch willkommen waren auch alle, die bisher mit den Biochemikern noch nicht zusammenarbeiteten.

Zum Beispiel Roswitha Franke und Rosemarie Girke aus Marzahn, die während ihres gesamten 37-jährigen Zwillingsdaseins „immer alles gemeinsam machten.“ Beide waren verheiratet, sind jetzt geschieden, haben jeweils einen 18-jährigen Sohn, arbeiten als Sekretärinnen, laufen Händchenhaltend durch den Festtrubel und sind in der Erscheinung so verwechselbar wie Erich Kästners Doppeltes Lottchen; vom knallroten T-Shirt und der Schleife im blonden Lockenhaar bis zu den himmelblau gefärbten Wimpern.

Ist das nicht nervig, ständig für die andere Hälfte gehalten zu werden? „Überhaupt nicht“, sagt Roswitha, „die meisten Zwillinge haben ja erfahrungsgemäß eine sehr enge Beziehung zueinander, deshalb sehen wir auch gerne gleich aus.“ Das scheint allerdings mehr eine weibliche Vorliebe zu sein. Andreas und Joachim Herrgott jedenfalls stehen bewusst mit einem schwarzen und grünen Jacket am Büfett und erzählen „von ihrem „Ringen um Individualität“. Als Kinder waren sie die Herrgott-Zwillinge und wurden „in einen Topf geworfen.“ Heute soll das nicht mehr sein – „nur innerlich“, sagt Andreas, „sind wir wie viele andere Zwillinge zwei Unzertrennliche.“

Ob Mann oder Frau, ob Kind oder Senior: Eineiige Zwillinge haben ganz ähnliche Erlebnisse. „Weiß du noch, wie die Leute uns in der U-Bahn immer anstarrten?“, fragt die 37-jährige Simone Rittner ihre zehn Minuten ältere Schwester Silke Wendt. Als Backfische fanden das beide „ätzend“, heute nehmen sie’s gelassen. Und dann diese vielen Verwechslungskomödien: „Das war toll“, erinnert sich Eric Kessler und boxt seinen 75-jährigen Bruder Horst in die Seite. „Erinnerst du dich, wir wir den Mädels als junge Kerle gleich doppelt den Kopf verdrehten?“

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