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Elke Giese und Peter Paul Polte.

© Textilwirtschaft/Promo

25 Jahre Deutsche Einheit: Die Modebeobachter

Trendforscher gab es in der DDR so wenig wie Designer. Wer im Westen Fuß fassen wollte, musste genau wissen, was in der weiten Welt vor sich ging.

Wie gern hätte man die Geschichte erzählt von den Designern aus Ost- und Westberlin, die sich nach dem Mauerfall zusammengefunden haben, um sich die neue Kleidung für ein neues Deutschland auszudenken. Die ihre Erfahrungen austauschten und ergänzten. Doch diese Geschichte ist nicht passiert.

Die Auffassung von dem, was man als Modedesigner (oder Gestalter, wie es in der DDR hieß) zu tun hatte, war in Ost und West grundverschieden. Erzählen kann man jedoch die Geschichte von Elke Giese und ihrem späteren Mentor Peter Paul Polte – als Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Die Angestellten sollten sozialistische Mode entwerfen

Bis zum Mauerfall war Elke Giese Gestalterin am Modeinstitut der DDR, in den siebziger Jahren hatte sie Modegestaltung in Ost-Berlin studiert. Mehr als 200 Mitarbeiter hatte das Institut, sie arbeiteten in einem Gebäude an der Brunnenstraße, das heute als Kaufhaus Jahndorf bekannt ist. Es gab bis unters Dach Werkstätten für Schmuck, Hüte, Schuhe und Bekleidung.

Die Angestellten sollten moderne, also sozialistische Mode entwerfen – mit vielen materiellen Beschränkungen, dafür mit aller Zeit der Welt und ohne jemals auch nur ein Stück verkaufen zu müssen. Zweimal im Jahr wurden die Ergebnisse ihrer Arbeit am Alexanderplatz vorgestellt.

Es gab keine unabhängigen Modefirmen

Als die Mauer fiel, war der damals 40-jährigen Elke Giese völlig klar, dass das Modeinstitut der DDR zusammenbrechen würde: „Es war total nutzlose Arbeit.“ Denn Modedesigner, die in Ateliers arbeiten, gab es ebenso wenig wie unabhängige Modefirmen. In den siebziger Jahren wurden die Bekleidungsproduktionsstätten der DDR zu wenigen großen Kombinaten zusammengelegt, und die machten nichts anderes als Produktion für Kaufhäuser wie Karstadt, Otto und C&A. Es wurden also keine neuen Modelle entwickelt, sondern nur die Vorgaben aus dem Westen umgesetzt.

Dass sich Elke Giese schon immer mit den Codes der Mode beschäftigt hat, kam ihr nach der Wende zugute. Sie konnte vorher nicht reisen, aber sie konnte sich Bilder anschauen und sie analysieren. In der Bibliothek des Modeinstituts gab es die internationalen Ausgaben der Vogue und auch das westdeutsche Fachmagazin Textilwirtschaft. „Die hat keiner außer mir gelesen“, sagt sie. Ihr intensives Interesse sollte ihr sehr nützlich werden. Die ersten Kontakte knüpfte sie noch von ihrem alten Job aus.

Den verließ sie bereits 1990. Da sie schon für die DDR-Modezeitschriften „Sibylle“ und „Das Magazin“ geschrieben hatte, nahm sie Kontakt zur Textilwirtschaft auf. Deren Chefredakteur Peter Paul Polte war von Anfang an ihr fachlicher Mentor. Er war derjenige, der der Frau aus dem Osten die Chance gab, die sie dringend brauchte. Polte vermittelte sie ans Deutsche Modeinstitut in Frankfurt am Main, das westdeutsche Pendant zum Modeinstitut der DDR – mit zwei Angestellten statt 200.

Aus der Arbeitsbeziehung wird eine Freundschaft

Bis 2011 arbeitete sie als Trendforscherin, sie war für die gesamte Trendarbeit des Deutschen Modeinstituts verantwortlich. All die neuen Eindrücke im Westen haben ihr bei der Arbeit sehr geholfen. Bei ihrem ersten Besuch in Mailand legte ihr der Koch eines Restaurants einen Trüffel in die Hand: „Wie schwer der war, wie der roch!“

Peter Paul Polte hat sie immer ermutigt; aus der Arbeitsbeziehung entwickelte sich eine persönliche Freundschaft. „Schon in meiner ersten Woche in Frankfurt lud er mich zu seinem fünfzigsten Geburtstag ein“, erinnert sie sich. Zu seinem sechzigsten hielt sie dann eine Rede vor den Vorständen des Fachverlags – eine Riesenehre.

Die Textilwirtschaft ist ein Fachblatt, das sich um Fakten kümmert. „Peter Paul Polte ist überhaupt nicht trocken-wirtschaftlich, sondern ein humorvoller, geistvoller Mensch, eher ein Feuilletonist“, sagt Elke Giese. Über mehr als zwanzig Jahre hielten die beiden gemeinsam Vorträge. „Er erläuterte die große Lage der Mode vor den Einzelhändlern, ich habe danach über die Trends gesprochen.“ Noch heute sitzen sie zusammen in Jurys, die den deutschen Modenachwuchs beurteilen.

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