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39. Berlin-Marathon: Nummer 227 trägt einen Irokesenbesen

Volker Schröder ist einer von gut 1000 Berlinern, die eine Startnummer auf Lebenszeit haben. Der 69-Jährige läuft seit 31 Jahren Marathon - immer mit Bürste.

Er ist die Nummer 227. Und das bleibt er auch, sein Leben lang. Wenn Volker Schröder auf die Berliner Marathonstrecke geht, hat er immer dieselbe Startnummer. Sie ist grün unterlegt, um anzuzeigen: Das hier ist kein gewöhnlicher Läufer. Schröder ist einer von 1198 Berlinern, denen dieses Privileg zuteil wird. Wer mehr als zehnmal ins Ziel kommt, wird in den „Jubileeclub“ aufgenommen. Insgesamt sind es 2862 Männer und Frauen.

Schröder hat das schon vor Jahren geschafft. Heute macht sich der 69-Jährige zum 31. Mal an die 42,195 Kilometer in Richtung Brandenburger Tor. „Auf den letzten zehn Kilometern frage ich mich immer: Warum tust du dir das an?“, sagt er. „Aber das ist schnell vergessen, wenn man im Ziel ist.“ Wie viele andere hat er seine Liebsten strategisch platziert: Kinder, Enkel, Freunde feuern ihn an.

Die Strecke ist gesäumt von Schildern mit Aufschriften wie „Opa, lauf schneller“ und „Anna, du schaffst das“. „Das beflügelt jeden Läufer“, sagt Schröder. Viele tragen Fahnen, Perücken oder andere Verkleidungen, Volker Schröder hat immer seinen Irokesenbesen dabei. Ein langer Stil mit kurzen Haaren zum Ausfegen von Schränken.

In der Woche vor dem großen Rennen schmückt er das Schaufenster seines kleinen Ladens in der Kreuzberger Heimstraße 22, wo er in der vierten Generation Bürsten verkauft. „Mein Schrankfeger ist auch ein Protest gegen die Wegwerfgesellschaft“, sagt Schröder. Wer bei ihm den Besen kauft, bekommt lebenslang die Haare ausgewechselt, wenn sie abgenutzt sind.

Seine Urkunde der 30. Teilnahme hängt im Schaufenster zwischen Bildern aus vergangenen Zeiten. Schröder hat erst spät begonnen, lief seinen ersten Marathon mit 39 Jahren. 1981 war das, als man den Lauf aus dem Grunewald in die Stadt holte. Er war sportlich, hatte geturnt und geboxt, Laufen war nie seine Sache. „Doch ich wollte sehen, ob ich das schaffe“, erzählt er. Nach 4:31 Stunden war er im Ziel, mit blutigen Füßen und großen Schmerzen. Doch er war infiziert. „Das ist wie ein Rausch, ein großes Volksfest, bei dem man in der Masse mitschwimmt.“

Bilder des Marathon-Wochenendes:

Er ist nicht der einzige, der seither nicht mehr loskommt. Die Startnummern bis 200 sind reserviert für die Spitzenläufer, dann kommt Bernd Hübner, Nummer 201, der schon 36 Mal ins Ziel kam. Schröder liegt auf dem sechsten Platz. „Wenn ich bis 80 weiterlaufe, kann ich vielleicht noch einige Plätze gutmachen“, sagt er. Immerhin gibt es für Clubmitglieder alle fünf Jahre einen Freistart.

In einem Ordner hat er seine Zeiten in einem Koordinatensystem dokumentiert: Seit 1981 immer eine Viertelstunde schneller. „Einmal im Leben wollte ich unter drei Stunden laufen“, sagt er. Mitte der Achtziger lief er zwischen 90 und 120 Kilometer in der Woche. Neben einem Bleistiftpunkt am rechten Rand des hellblauen Karopapiers steht 2:56,44. 1988 hatte er es geschafft. Dann bricht das Diagramm ab.

Wenn er die Fotos in seinem Schaufenster betrachtet, fragt er sich manchmal: Wo fängt es an, krampfhaft zu werden? Er hat es mit Yoga probiert, „aber das finde ich so langweilig“. Also läuft er weiter, drei- bis fünfmal pro Woche, hat seit 1981 keinen Marathon verpasst. Nur einmal musste er verletzt vorzeitig aussteigen. Die Zeit interessiert ihn nicht mehr, nur das Dabeisein. Und natürlich der 18. März.

Auch Schröder ist es zu verdanken, dass der Platz, an dem die Läufer ins Ziel kommen, diesen Namen trägt. Seit den Siebzigern setzt er sich dafür ein, dass die Revolution von 1848 auch einen Gedenktag bekommt: „Damit sich die Deutschen daran erinnern, dass es mal eine Zeit gab, in der sie für Freiheit und Demokratie gekämpft haben.“ Inzwischen hat er im Abgeordnetenhaus und im Bundestag viele Unterstützer, er glaubt: „Mit der Ausdauer von Marathonläufern wird das schon.“

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